# taz.de -- CSU-Tagung in Seeon: Angriff Richtung Berlin | |
> Die CSU reitet eine innenpolitische Attacke nach der anderen. Der neue | |
> Landesgruppenchef Dobrindt soll der CDU zeigen, wo der Hammer hängt. | |
Bild: Kennen Sie diesen Mann? | |
Berlin taz | Es kommt gerade ganz schön was zusammen bei der Union. Kaum | |
hat die amtierende Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache verkündet, „für | |
Deutschland im neuen Jahr zügig eine Regierung zu bilden“, tritt die CSU | |
kräftig auf die Bremse. Am Mittwoch beginnen in Berlin die Spitzengespräche | |
mit der SPD – das hält die bayerische Schwesterpartei aber nicht davon ab, | |
auf Konfrontationskurs zum letztmöglichen Koalitionspartner zu gehen. | |
Am Donnerstag nämlich beginnt in Kloster Seeon die traditionelle | |
Klausurtagung der CSU-Landesgruppe. Nach dem mauen Wahlergebnis bei der | |
Bundestagswahl und sechs Jahren Führung durch die eher moderate Gerda | |
Hasselfeldt ist es nun Zeit für die Attacke. Der neue Landesgruppenchef | |
heißt Alexander Dobrindt. Der einstige Bundesverkehrsminister ist von | |
seinen Berliner Abgeordneten auch gewählt worden, um der CDU zu zeigen, wo | |
ab jetzt der Hammer hängt. Nämlich ziemlich nahe bei der AfD. | |
In Seeon wollen die CSUler ein Papier beschließen, in dem | |
Leistungskürzungen für Asylbewerber, eine obligatorische Altersprüfung | |
junger MigrantInnen sowie eine schärfere Verfolgung minderjähriger | |
IslamistInnen gefordert wird. Dass die Grundleistungen für | |
AsylbewerberInnen künftig erst nach 36 statt wie bisher 15 Monaten auf | |
Sozialhilfeniveau angehoben werden soll, begründet Dobrindt damit, dass | |
„Deutschland nicht weiter Anziehungspunkt für Flüchtlinge aus der ganzen | |
Welt ist“. | |
In der vorab durchgesickerten Beschlussvorlage für Seeon heißt es dazu, | |
Deutschland zahle mit die höchsten Sozialleistungen in Europa, das setze | |
einen falschen Anreiz. Für Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die | |
geduldet werden oder die bei der Abschiebung nicht kooperieren, will die | |
CSU die Leistungen „weitergehend einschränken bzw. auf Sachleistungen | |
umstellen“. Das Jahr 2015 mit seinem hohen Flüchtlingszustrom dürfe sich | |
nicht wiederholen. Das kurz nach der Bundestagswahl innerhalb der Union | |
beschlossene Regelwerk müsse schnellstens umgesetzt werden. | |
## Obergrenze für Aufnahme aus humanitären Gründen | |
Die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen dürfe 200.000 im Jahr | |
nicht übersteigen, heißt es weiter. Der Familiennachzug zu Menschen mit | |
subsidiärem Schutz soll ausgesetzt bleiben. Die Asylverfahren für alle neu | |
ankommenden Flüchtlinge sollen in Entscheidungs- und Rückführungszentren | |
gebündelt werden. Zudem sollen Antragsteller erst dann Asyl oder einen | |
Schutzstatus erhalten, wenn deren Identität in diesen Zentren „zweifelsfrei | |
geklärt“ wurde. Auch dürfe nicht zugelassen werden, dass sich Antragsteller | |
durch Täuschung beim Alter besondere Schutzrechte erschlichen. | |
Das Ganze ist ein Katalog von Misstrauensbekundungen und Unterstellungen, | |
dessen Inhalt sich deutlich an die Wählerschaft der AfD richtet. Bei der | |
SPD meldeten sich am Dienstag folgerichtig wieder jene zu Wort, die ihre | |
Partei nicht wieder in eine Koalition mit der Union schicken möchten. | |
Juso-Chef Kevin Künert sagte im Deutschlandfunk: „Wir sind weiterhin | |
zwingend der Überzeugung, dass die Große Koalition kein erneutes | |
Regierungsmandat bekommen hat.“ Die jüngsten Forderungen aus der CSU | |
zeigten, wie weit Union und SPD auseinanderlägen. Es wäre gut, diesen | |
Konflikt ins Parlament zu tragen, meinte Kühnert. Das sei aber nicht | |
möglich, wenn man sich in einer Koalition befinde. | |
In der CDU, deren Vorsitzende nach wie vor Schwarz-Rot anstrebt, versucht | |
man, den Ball flach zu halten. Zitieren lassen möchte sich niemand, um den | |
inhaltlichen Dissens mit der kleinen Schwesterpartei nicht noch zu | |
verschärfen. Dass die Bayern kurz vor dem Treffen ihrer Landesgruppe | |
ordentlich provozieren, sei schließlich jedes Jahr so, heißt es. | |
## Genügend Schnittmengen mit der SPD? | |
Im Jahr 1976 habe bei dieser Gelegenheit Franz Josef Strauß die | |
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU gekündigt. Und im vergangenen Jahr habe | |
CSU-Chef Horst Seehofer gedroht, den mühsam anberaumten Friedensgipfel mit | |
der CDU platzen zu lassen. Diesmal geht es also gegen die Flüchtlinge. | |
Aus dem CDU-Präsidium sind nurmehr beruhigende Töne Richtung SPD zu | |
vernehmen. Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Dienstag mit Blick auf eine | |
zu bildende Große Koalition, sie sehe „genügend Schnittmengen“, um eine | |
„stabile, eine verlässliche und eine nach vorn gerichtete Regierung“ zu | |
bilden. Schöner hätte es ihre Duzfreundin Angela nicht formulieren können. | |
3 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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