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# taz.de -- Abtreibungsparagraf im Bundesrat: §219a ist „vollständig entbeh…
> Im Bundesrat haben mehrere Länder beantragt, den Abtreibungsparagrafen
> 219a zu streichen. Im Februar könnte darüber entschieden werden.
Bild: Demo am 12. Dezember in Berlin: Die Ärztin Kristina Hänel (2.v.l.) hat …
Berlin taz | Es ist ein erst kleiner Schritt, doch die Richtung stimmt: In
der letzten Bundesratssitzung des Jahres entschied die Länderkammer, einen
Gesetzesentwurf [1][zur Abschaffung des Paragrafen 219a des
Strafgesetzbuches], der das „Werben“ für Schwangerschaftsabbrüche
verbietet, zur Beratung in die Ausschüsse zu geben.
Eigentlich hätte Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) lange auf
seine Rede im Bundesrat warten müssen. Denn ursprünglich sollte der
Tagesordnungspunkt, der sich mit der Abschaffung des Paragrafen 219a
befasst, der 31. von insgesamt 32 werden. Dann aber wurde er vorgezogen und
bereits an dritter Stelle besprochen. Behrendt, der vor rund zwei Wochen
angekündigt hatte, den Paragrafen mit einer Bundesratsinitiative abschaffen
zu wollen, betonte in seiner Rede, dass er §219a für „vollständig
entbehrlich“ halte.
Unter „Werbung“ versteht 219a bereits die rein sachliche Information, dass
Ärztinnen und Ärzte Abtreibungen vornehmen. Ende November hatte das
Gießener Amtsgericht [2][die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von
6.000 Euro verurteilt], weil auf ihrer Webseite das Wort
„Schwangerschaftsabbruch“ auftaucht. Über einen Link gelangt man zu einem
Dokument, das Informationen über den Eingriff bereitstellt.
Radikale Abtreibungsgegner*innen nutzen den Paragrafen zunehmend, um
Ärztinnen und Ärzte mit Anzeigen zu drangsalieren. Schwangerschaftsabbrüche
sind in Deutschland verboten, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei.
Das Werben für Abbrüche wird mit bis zu zwei Jahren Haft oder einer
Geldbuße bestrafe.
Auch ihm sei, sagte Behrendt mit Blick in die Runde, wie vermutlich vielen
im Raum, nicht bekannt gewesen, dass Ärztinnen und Ärzte nicht einmal
sachlich darüber informieren dürften, dass sie Schwangerschaftsabbrüche
durchführen. Dass der Paragraf im Jahr 1933 erlassen wurde, solle zudem
„uns alle“ aufhorchen lassen. Es gehe darum, das Recht auf
Informationsfreiheit der Frau zu stärken. Die erste Reihe der
Landesvertreter*innen, darunter Manuela Schwesig, Olaf Scholz und Volker
Bouffier, hatte den Saal zu diesem Zeitpunkt längst wieder verlassen, viele
andere dagegen, wie etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin
Laschet (CDU), hörten aufmerksam zu.
Die Union will den Paragrafen bislang erhalten, sich, anders als SPD,
Grüne, Linke und FDP, an keiner Gesetzesinitiative beteiligen. Behrendts
Amtskollegen aus Bremen, Hamburg, Thüringen und Brandenburg hatten sich ihm
dagegen angeschlossen, der Berliner betonte, er hoffe, dass weitere
Bundesländer folgen werden.
## Auch der Bundestag will abschaffen
Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte im Bundesrat, sie
wisse um das „emotionale und aufwühlende“ Thema Schwangerschaftsabbrüche,
doch sei es nicht hinnehmbar, dass Ärztinnen und Ärzte verurteilt würden,
nur weil sie einen Link auf ihre Seite gesetzt hätte. „Das steht im
Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht der Frau“, es gehe darum, genau sich
genau für dieses wieder einzusetzen. Dem stimmte auch Brandenburgs
Justizminister Stefan Ludwig (Linke) zu. „Dieser Paragraf passt in die Zeit
seiner Entstehung, aber nicht in unsere“. Dass Abtreibungen unter
bestimmten Voraussetzungen in Deutschland strafffrei sind, bedeute auch,
dass Informationsbeschaffung und -bereitsstellung möglich sein müssen.
Auch im Bundestag arbeiten SPD, Linke und Grüne derzeit an Gesetzentwürfen
zur Streichung des Paragrafen 219a oder haben diese bereits vorgelegt. Die
FDP sieht zwar ebenfalls Änderungsbedarf an der bestehenden Regelung, will
den Paragrafen aber nicht ersatzlos streichen, sondern lieber nur anpassen.
Befürworter*innen von 219a fürchten, Abtreibungen würden ohne Regulierungen
derart kommerzialisiert, dass für sie auch in reißerischer Weise geworben
werden könnte. Das verhindere allein schon das Berufsrecht der Ärztinnen
und Ärzte, betonen dagegen die Gegner*innen von 219a.
Der Entwurf gelangt nun in die Ausschüsse Recht, Frauen und Jugend sowie
Gesundheit und kann während der nächsten Sitzung am 2. Februar womöglich
schon beschlossen werden.
15 Dec 2017
## LINKS
[1] /Bundeslaender-wollen-219a-streichen/!5469166
[2] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133
## AUTOREN
Hanna Voß
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