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# taz.de -- CDU-Politikerin über Abtreibungsparagraf: „Das trägt zur Verhar…
> Ärzt*innen sollen nicht sachlich darüber informieren dürfen, dass sie
> Abtreibungen durchführen, findet die rechtspolitische Sprecherin der
> Unionsfraktion.
Bild: Sachliche Information: So sieht eine Fruchtblase in der siebten Woche nac…
taz: Frau Winkelmeier-Becker, im November wurde die Ärztin Kristina Hänel
zu einer [1][Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt], weil sie auf ihrer
Webseite darüber informiert, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Sollte
man dafür bestraft werden?
Elisabeth Winkelmeier-Becker: Frau Hänel hat ja angekündigt, Rechtsmittel
einzulegen. Es ist unüblich, sich zu laufenden Verfahren zu äußern. So
halte ich es auch in diesem Fall, zumal mir die Urteilsbegründung nicht
vorliegt. Das Gericht zumindest sah den Straftatbestand nach § 219a
Strafgesetzbuch – das Verbot der Werbung für den Abbruch von
Schwangerschaft – für erfüllt und die Sanktion als angemessen an.
Halten Sie ein Strafmaß von 40 Tagessätzen für eine solche Information auf
einer Webseite für angemessen?
Das Strafmaß bewegt sich am unteren Rand strafrechtlicher Sanktionen. Ich
finde aber befremdlich, wie die Republik nach einem erstinstanzlichen
Urteil diskutiert. Es ist nicht gesagt, dass das Urteil so bestehen bleibt.
Aber finden Sie es an sich richtig, dass ein*e Ärzt*in bestraft wird, wenn
sie oder er im Netz darüber informiert, Schwangerschaftsabbrüche
durchzuführen?
Ich sehe aktuell keinen Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Die bestehenden
Normen zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch sind eine ausgewogene
Regelung, die den Schutz des ungeborenen Kindes in den Mittelpunkt stellt
und zugleich die Selbstbestimmung der Mutter wahrt. Gleichzeitig wird sie
dazu ermutigt, sich für das Kind zu entscheiden. Dafür ist es wichtig, dass
die Frauen in einer Beratungsstelle umfänglich informiert werden, und zwar
bevor sie zu einem Arzt gehen. In diesem Kontext muss man den § 219a sehen.
Ohne ihn könnte die Beratung konterkariert werden.
Inwiefern?
§ 219a StGB ist Teil des Schutzkonzeptes, zu dem das
Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet hat. Dieser setzt
dabei auf ermutigende Beratung und Hilfe statt Strafe. Zugleich ist der
Staat verpflichtet, das Bewusstsein dafür aufrecht zu erhalten, dass ein
Schwangerschaftsabbruch die Tötung eines ungeborenen Kindes ist. Daran
hapert es in unserer Gesellschaft ohnehin. Stünde der
Schwangerschaftsabbruch als Leistung einfach so auf der Webseite eines
Arztes oder einer Ärztin, sähe es aus wie eine normale medizinische
Heilbehandlung. Da hat diese vergleichsweise kleine Einschränkung der
ärztlichen Berufsfreiheit schon einen Sinn.
Es käme doch ohnehin keiner auf den Gedanken, dass Schwangerschaftsabbrüche
eine normale Behandlung sind? Abtreibungen sind verboten und nur unter
bestimmten Bedingungen straffrei. Eine Frau muss nach der Beratung eine
Bedenkfrist von drei Tagen verstreichen lassen, bevor sie den Abbruch
durchführen lassen kann. Außerdem darf dieser nur in den ersten 12 Wochen
nach Empfängnis passieren.
Wenn eine Frau zuerst auf der Webseite der durchführenden Ärztin landet und
zuerst mit ihr spricht, könnte das ihre Entscheidung für den Abbruch
festigen. Mit dieser Entscheidung geht sie dann in die Beratung. Für mich
trägt auch das zur Verharmlosung von Schwangerschaftsabbrüchen bei.
Sie meinen also, die Ärztinnen und Ärzte ermutigen die Frau, sich für den
Abbruch zu entscheiden?
Ich will den Ärztinnen und Ärzten allgemein gar nichts unterstellen. Aber
die Beratung steht nun einmal ganz bewusst am Anfang und darf aus gutem
Grund nicht von denen gemacht werden, die auch die Abbrüche durchführen.
Diese Reihenfolge macht Sinn. In der Beratung wird ja auch darauf
eingegangen, welche Wege und vor allem, welche Hilfe es geben könnte mit
dem Kind zu leben. Außerdem kann hier über die Möglichkeit einer Adoption
gesprochen werden.
Sie finden es also richtig, dass der § 219a nicht nur reißerische Werbung,
sondern auch sachliche Information verbietet?
Nicht nur das Anpreisen trägt zur Verharmlosung bei, sondern auch die
sachliche Information als Angebot auf der Homepage eines Arztes. Den Frauen
steht jede Information offen, die sie brauchen oder wünschen, es wird
niemandem etwas vorenthalten – auch nicht im Internet, wie häufig behauptet
wird. Die Adressen der durchführenden Ärzte erhalten die Frauen von den
Beratungsstellen und haben dann freie Arztwahl.
Die Ärzt*innen sehen sich in die „Schmuddelecke“ gestellt und werden von
Abtreibungsgegner*innen beschimpft, drangsaliert und angezeigt. Auf deren
Webseiten wird Hänel beispielsweise als „Tötungsspezialistin für ungeborene
Kinder“ bezeichnet.
Ich werde diese Kampagnen bestimmt nicht verteidigen. Ich finde nicht gut
und vor allem nicht zielführend, was die radikalen Lebensschützer da
machen. Aber wir haben auch etwa 100.000 Abtreibungen im Jahr; in der
Relation finde ich den Aspekt des Lebensschutzes wichtiger. Es geht mir
nicht darum, einen Arzt irgendwelchen überflüssigen Gerichtsverfahren
auszusetzen oder Druck auf ihn auszuüben. Das ist auch nicht der Zweck des
Werbeverbots. Wenn eine Abtreibung nach der Beratung keine Straftat ist,
dann muss es natürlich auch Ärzte geben, die diese durchführen. Aber
Abtreibungen stellen ein gewisses Unrecht dar. Wir machen uns anscheinend
inzwischen mehr Sorgen um die Ärzte als um ungeborene Kinder.
Dann halten Sie auch nichts vom Vorschlag der Strafrechtsprofessoren vom
Kriminalpolitischen Kreis, sachliche Information zu entkriminalisieren und
unangemessene Werbung als Ordnungswidrigkeit zu bestrafen? Das Strafrecht
ist ja eigentlich Ultima Ratio.
An dem beschriebenen Problem der Verharmlosung würde das nichts ändern.
Zudem geht es beim ungeborenen Leben um ein Rechtsgut mit Verfassungsrang.
Für das ungeborene Kind geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und
Tod. Es geht um das gesamte Paket an Vorschriften zum
Schwangerschaftsabbruch, und die stehen aus gutem Grund im Strafgesetzbuch.
In der Lehre kann man einen solchen Vorschlag ja machen. In der Politik
muss man aber auch die politischen Folgen berücksichtigen.
Und die wären?
Diese Diskussion wird vor allem von zwei Lagern erbittert geführt: den
radikalen Abtreibungsgegnern, die der Sache nicht wirklich dienen, und
denen, die am liebsten auch gleich den §218 mit abschaffen wollen. Beide
Seiten arbeiten zum Teil mit Reflexen und Scheinargumenten, die am Kern der
Sache völlig vorbei gehen.
Sie fürchten also eine Diskussion um das große Ganze?
Wir haben es hier mit einem austarierten Regelwerk zu tun, das ineinander
greift und dem Schutz des ungeborenen Kindes, aber auch dem
Selbstbestimmungsrecht der Mutter gerecht wird. Eine gesetzliche Änderung
würde als Parteinahme zugunsten derer verstanden, die hier bloß von
„Schwangerschaftsgewebe“ sprechen. Um die bestehende Norm anzutasten
braucht es schon größere Unwuchten oder Ungerechtigkeiten als das, was hier
zur Rede steht.
17 Jan 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Dinah Riese
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