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# taz.de -- Neuer Traditionserlass der Bundeswehr: Verbot von Wehrmachtsandenken
> Das Regelwerk zum Umgang der Bundeswehr mit ihrer Geschichte wird
> erneuert. In Zukunft soll mehr Distanz zu Wehrmacht und NVA bestehen.
Bild: Müssen sich bald an neue Regeln gewöhnen: Soldaten der Bundeswehr
BERLIN taz | Das Verteidigungsministerium hat einen neuen Traditionserlass
für die [1][Bundeswehr] erarbeitet. In dem [2][seit Montag kursierenden
Entwurf] wird klargestellt, dass die Wehrmacht und die Nationale Volksarmee
der DDR (NVA) als Institutionen keine Tradition der Bundeswehr begründen.
Ausnahmen für einzelne Mitglieder der Wehrmacht und der NVA seien jedoch
nach einer Einzelfallprüfung möglich, in der eine vorbildliche oder
sinnstiftende Leistung erkennbar sein und mit der persönlichen Schuld
abgewogen werden müsse.
Als Beispiele für besondere Leistungen werden „die Beteiligung am
militärischem Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um
den Aufbau der Bundeswehr“ beziehungsweise „die Auflehnung gegen die
SED-Herrschaft oder besondere Verdienste um die Armee der Einheit“ genannt.
Der Traditionserlass legt für die Bundeswehr fest, welche Werte
„sinnstiftend“ und welche Persönlichkeiten Vorbilder sein können. In dem
überarbeiteten Regelwerk wird die eigene Geschichte der Bundeswehr als
„zentraler Bezugspunkt der Tradition“ genannt; eine Neuerung gegenüber dem
bisherigen Erlass aus dem Jahr 1982. In den 35 Jahren seiner Gültigkeit hat
sich die Armee durch das Ende des Kalten Krieges, die Wiedervereinigung,
mehrere Auslandseinsätze und die Aussetzung des Wehrdienstes stark
verändert.
Ebenfalls neu in dem Erlass: Er benennt klar zentrale Werte, die sich aus
dem Grundgesetz und den Aufgaben der Bundeswehr ergeben. Die Soldaten
müssen die Menschenwürde achten, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht wahren
und sind zu Menschlichkeit und auf Freiheit und Frieden verpflichtet.
Soldatische Tugenden könnten in der Armee Anerkennung finden, jedoch nur
unter Beachtung des geschichtlichen und politischen Kontextes. Hans-Peter
Bartels, Wehrbeauftragter des Bundestages, bringt es gegenüber der taz auf
die einfache Formel: „Bundeswehrsoldaten sollen nicht nur kämpfen können,
sondern auch wissen wofür.“
Für Diskussionsstoff dürfte der Abschnitt sorgen, der die Benennung von
Kasernen und anderen Bundeswehrgebäuden regelt. Dafür sollen grundsätzlich
weiterhin die Dienststellenleiter und Gemeinden zuständig sein. Allerdings
müssen bestehende Namen „diesem Traditionserlass entsprechen“. Der
Wehrbeauftragte Bartels versteht darunter die Absicht des
Verteidigungsministeriums, umstrittene Kasernennamen zu überprüfen.
Agnieszka Brugger, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
Bundestag, lobt den Entwurf zwar in Bezug auf die „klare Sprache“ und den
„umfassenden Blick auf die deutsche Geschichte“, findet aber auch, man
hätte „den Umgang mit problematischen Kasernennamen klarer gestalten
sollen.“
Die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine
Buchholz, übt schärfere Kritik: „Es kann nicht angehen, dass es weiterhin
örtlichen Dienststellen überlassen bleibt, wem gedacht wird und wem nicht,
wenn diese wie im Falle der Lent-Kaserne in Rotenburg (Wümme) offenbar kein
Interesse an einem scharfen Bruch mit NS-nahen Wehrmachtspiloten haben.“
Zuletzt waren Forderungen laut geworden, diverse Kasernen aufgrund der Nähe
ihrer Namensgeber zum Nationalsozialismus umzubenennen.
Die Überarbeitung des Traditionserlasses wurde von Verteidigungsministerin
[3][Ursula von der Leyen] im Mai dieses Jahres initiiert [4][und sollte
ursprünglich noch vor der Bundestagswahl fertiggestellt werden]. Bei vier
Workshops, die von August bis November stattfanden, diskutierten laut
Bundesverteidigungsministerium rund 800 Personen aus Militär, Politik und
Wissenschaft über das Traditionsverständnis der Bundeswehr.
Auslöser waren Ermittlungen gegen den mutmaßlich rechtsextremen
Bundeswehrsoldaten Franco A., [5][der sich als syrischer Flüchtling
ausgegeben hatte und verdächtigt wird, einen terroristischen Anschlag
geplant zu haben]. In der Kaserne im französischen Illkirch, in der A.
stationiert war, war ein Aufenthaltsraum mit Wehrmachtsandenken dekoriert.
Bei anschließenden Durchsuchungen in weiteren Kasernen [6][wurden über 400
Wehrmachtsdevotionalien gefunden].
## Keine Wehrmachtsandenken als Dekoration
Dieser Punkt wird in dem neuen Erlass ebenfalls geregelt: Andenken an die
Wehrmacht oder die NVA sollen in Zukunft nicht mehr als Raumdekoration
erlaubt sein, sofern keine der oben genannten Ausnahmen oder Bezüge zur
Einheit oder persönlicher Natur bestehen.
Auch ein klares Bekenntnis zur Bedeutung historischer Bildung für Soldaten
ist in dem Papier enthalten. So solle der „Vermittlung von
Traditionsverständnis“ in Bildungseinrichtungen als auch im alltäglichen
Dienst „ausreichend Gelegenheit und Zeit“ gegeben werden. „Diese Forderung
kann ich nur unterstützen, weil das bei dem Zeitdruck in manchen Verbänden
nicht selbstverständlich ist“, äußert sich Bartels dazu und betont die
Wichtigkeit geschichtlichen und politischen Wissens bei den Soldaten.
Der Entwurf des neuen Traditionserlasses werde in den kommenden Wochen in
Beratungsgremien und innerhalb der Bundeswehr diskutiert, verlautbarte ein
Sprecher des Verteidigungsministeriums. Es sei davon auszugehen, dass er je
nach Überarbeitungsnotwendigkeiten „zügig inkraft gesetzt“ werde. Formell
kann er rein exekutiv erlassen werden. Bartels wünscht sich aber eine
Beteiligung des Parlaments in Form einer vorherigen Beratung im
Verteidigungsausschuss. Der muss jedoch erst einmal vom neuen Bundestag
eingesetzt werden.
22 Nov 2017
## LINKS
[1] /Bundeswehr/!t5008725/
[2] http://www.spiegel.de/media/media-42147.pdf
[3] /Ursula-von-der-Leyen/!t5008988/
[4] /Von-der-Leyen-zum-Fall-Franco-A/!5408631
[5] /Terrorverdacht-gegen-Franco-A/!5401532
[6] /In-Bundeswehr-Kasernen/!5417134
## AUTOREN
Jonas Schönfelder
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