# taz.de -- Bayerns SPD-Chefin vorm Bundesparteitag: „Alles muss diskutiert w… | |
> Bayerns SPD-Landeschefin Natascha Kohnen fordert „klare, inhaltliche | |
> Leitlinien für die Gespräche mit der Union“. Eine neue GroKo sei noch | |
> nicht „gebongt“. | |
Bild: „Ich plädiere dafür, nichts reflexartig auszuschließen“, sagt Nata… | |
taz: Frau Kohnen, die SPD tastet sich ans Regieren in einer Großen | |
Koalition heran. Aus einem „Niemals“ ist ein „Ja, vielleicht“ geworden. | |
Legt Ihre Partei eine Kehrtwende hin? | |
Natascha Kohnen:Wenn der Bundespräsident Gespräche zwischen den Parteien | |
fordert, darf sich die SPD dem nicht verschließen. Ich rate dazu, dass wir | |
uns nicht unter Druck setzen lassen. Keine Hektik. Schritt für Schritt | |
vorgehen, damit die Öffentlichkeit alles nachvollziehen kann. Es gibt | |
keinen Automatismus für eine Große Koalition. | |
Hat die staatstragende SPD wirklich die Wahl? Ihren Wählern könnten Sie | |
schlecht erklären, in der Schmollecke zu bleiben. Die wollen, dass Sie Ihre | |
Ideen umsetzen. | |
Die SPD hat im September ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten | |
Weltkrieg eingefahren. Die Leute hatten keine Lust mehr auf die Große | |
Koalition, noch nie hat ein Bündnis so viele Prozentpunkte verloren. | |
Außerdem sitzt die SPD nun wirklich nicht in der Schmollecke. Wir regieren | |
geschäftsführend mit und stellen Minister. Jetzt liegt der Ball bei der | |
Kanzlerin. | |
Merkel hat doch schon gesagt, dass sie mit der SPD ernsthaft über eine | |
Koalition reden will. | |
Ja. Daraus darf man aber nicht den Schluss ziehen, das Ganze sei schon | |
gebongt. Viele Varianten liegen auf dem Tisch: eine Minderheitsregierung, | |
Neuwahlen, eine Kenia-Koalition aus Union, SPD und Grünen … | |
Sind Sie für eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung? Das wäre mit | |
einer starken AfD-Fraktion ein risikoreiches Experiment. | |
Ich finde, alles muss diskutiert werden. Wir sind in einer neuen Situation, | |
die Regierungsbildung ist so schwierig wie nie. Außerdem gab es | |
erfolgreiche Vorbilder für Minderheitenregierungen, zum Beispiel in | |
Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerstärksten Bundesland. | |
Und Neuwahlen? Zu glauben, die SPD ginge plötzlich als Siegerin vom Platz, | |
ist naiv. | |
Natürlich begeistert die Idee, die Menschen neu wählen zu lassen, | |
niemanden. Ich plädiere aber dafür, nichts reflexartig auszuschließen. | |
Dafür ist die Lage zu ungewöhnlich. | |
Auf welchen Inhalten müsste die SPD aus Ihrer Sicht bestehen, um in eine | |
Große Koalition einzutreten? | |
Wir brauchen klare, inhaltliche Leitlinien für die Gespräche mit der Union. | |
Dazu gehört eine Bürgerversicherung, die Schluss macht mit der | |
Zwei-Klassen-Medizin. Dann eine Rentenreform, ein Rückkehrrecht von | |
Teilzeit auf Vollzeit und eine gerechtere Steuerpolitik. Die | |
Abgeltungssteuer muss abgeschafft werden, im Moment wird Arbeit höher | |
besteuert als Kapitalerträge. Die SPD sollte jetzt klare Kante zeigen. Wir | |
haben bei der Wahl so schlecht abgeschnitten, weil der Eindruck herrschte: | |
Das ist alles eine Soße. | |
Ist ein Thema für Sie nicht verhandelbar? Etwa die Bürgerversicherung? | |
Da möchte ich der Diskussion in unserem Parteivorstand nicht vorgreifen. | |
War es eigentlich klug von Martin Schulz, die Groko nach dem Ende des | |
Jamaika-Bündnisses auszuschließen? | |
Martin Schulz war in diesem Punkt konsequent – ebenso wie der gesamte | |
Parteivorstand. Er wiederholte das, was er nach der Bundestagswahl gesagt | |
hatte. Aber noch einmal: Wenn der Bundespräsident, der höchste Vertreter | |
des Staates, Gespräche einfordert, kann man sich dem nicht verweigern. | |
In Ihrer Partei hört man harte Kritik an Schulz. Er sei führungsschwach und | |
mache taktische Fehler. | |
Martin Schulz wurde vor wenigen Monaten mit 100 Prozent zum | |
SPD-Vorsitzenden gewählt. Wir stehen vor Wochen, die sehr schwierig sind. | |
Ich halte viel davon, in einer solchen Situation geschlossen vorzugehen. | |
Wer Einzelne öffentlich in Misskredit bringt, schadet der SPD. | |
Sie werden einen der begehrten Bundesvize-Posten bekommen. Was haben Sie | |
mit dem Amt vor? | |
Die SPD im Süden steht vor großen Herausforderungen. Wir müssen den | |
Strukturwandel in Schlüsselindustrien hinkriegen. Den Abschied vom fossilen | |
Zeitalter für die Autoindustrie zu organisieren, ist nicht einfach. | |
Außerdem liegen mir internationale Aspekte am Herzen. Die SPD muss für eine | |
globalisierte Wirtschaftsordnung kämpfen, die Menschen in Afrika die | |
Lebensgrundlagen erhält – und so Fluchtursachen bekämpft. All das will ich | |
im Bundesvorstand voranbringen. | |
3 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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