| # taz.de -- Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch: Das Schweigen der Zivilgesell… | |
| > Mehr als 600.000 Rohingya hat Bangladesch mit offenen Armen aufgenommen. | |
| > Doch eine Integration der Flüchtlinge ist nicht vorgesehen. | |
| Bild: Rohingya-Flüchtlinge bauen in einem Lager in Cox's Bazar ein provisorisc… | |
| Cox's Bazar taz | Seit Birmas Armee am 25. August mit der Vertreibung | |
| muslimischer Rohingya aus dem westlichen Rakhine-Staat begann, sind 630.000 | |
| von ihnen nach Bangladesch geflohen. In einer mutigen Merkel’schen „Wir | |
| schaffen das“-Entscheidung öffnete Premierministerin Sheikh Hasina die | |
| Grenze und ließ die Flüchtlinge in die Region Cox’s Bazar. Dort leben schon | |
| seit Jahren 400.000 Rohingya, die vor früherer Verfolgung und Unterdrückung | |
| flohen, in ärmlichen Lagern. | |
| „Die Grenze zu öffnen war richtig. Diese Menschen vor die Gewehrläufe der | |
| Soldaten geraten zu lassen wäre unmenschlich gewesen“, sagt Professor | |
| Badiul Alam Majumdar, Vorsitzender des Netzwerkes „Bürger für gute | |
| Regierungsführung“. Meghna Guhathakurta (61) stimmt zu. Aber die | |
| Direktorin des sozialwissenschaftlichen Research Institute of Bangladesh | |
| (RIB) fürchtet, dass die breite Zustimmung zur „Wir schaffen das“-Politik | |
| der Tochter von Staatsgründer Mujibur Rahman nur oberflächlich ist. | |
| „Darunter brodelt es“, sagt sie in ihrem Büro in Dhaka. „Das Schweigen d… | |
| Zivilgesellschaft fällt auf.“ | |
| In den Dörfern um Cox’s Bazar blicken arme Einheimische frustriert | |
| Lkw-Kolonnen voll Lebensmitteln nach. „Für die Flüchtlinge wird alles | |
| getan, aber uns hilft niemand“ – diese Stimmung breitet sich aus. „Unter | |
| den Einheimischen gibt es eine Hassliebe zu den Rohingya. Einerseits macht | |
| es sie stolz, dass ihr Land die muslimischen Glaubensgenossen aufgenommen | |
| hat. Andererseits leiden sie unter der Verdoppelung der Marktpreise und | |
| befürchten eine Zunahme der Kriminalität“, sagt Guhathakurta. Sie erforscht | |
| die Perspektiven der bisher 400.000 Rohingya in den alten Lagern. | |
| Längst wurden diese zum Spielball von Bangladeschs Innenpolitik. Die | |
| oppositionelle konservative Nationale Partei (BNP) preist plakativ ihre 70 | |
| Jahre alte Chefin Begum Khaleda Zia, eine Ex-Premierministerin und Witwe | |
| des BNP-Gründers Ziaur Rahman, als Bannerträgerin der Demokratie an. Die | |
| regierende säkulare Awami-Liga plakatiert ihre Vorsitzende Sheikh Hasina | |
| als „Mutter der Menschlichkeit“. | |
| ## Wie Untermenschen behandelt | |
| Diese „Mutter-Teresa“-Stilisierung wird zum Besuch von Papst Franziskus | |
| noch zunehmen. „Der Papstbesuch ist ein PR-Gewinn für Hasina“, meint | |
| Guhathakurta. Der Besuch des Papstes in dieser Woche in Birma und in | |
| Bangladesch steht im Zeichen der Rohingyakrise. In Birma wird der Pontifex | |
| aber voraussichtlich nur in allgemeinen Friedensappellen auf das Reizthema | |
| eingehen dürfen. Birmas Bischöfe haben ihn gebeten, auf das Tabuwort | |
| „Rohingya“ zu verzichten, da diese im Land nur als Bengali bezeichnet | |
| werden. In Bangladesch hat der Vatikan noch in letzter Minute eine | |
| Begegnung des Papstes mit Rohingya-Flüchtlingen ins Programm aufgenommen. | |
| Für Ordnung in den Lagern sorgen Armeeeinheiten, die für internationale | |
| Friedenseinsätze ausgebildet wurden. „Die Einbeziehung der Armee ist | |
| clever. Ein Jahr vor der Wahl ist das für die regierende Awami Liga und die | |
| Armee eine Situation zum beiderseitigen Vorteil“, meint Guhathakurta. | |
| Badiul Alam Majumdar warnt vor einer Radikalisierung in Bangladesch. „In | |
| Birma wurden die Rohingya als Untermenschen behandelt. Ihr Zorn kann leicht | |
| von Terroristen ausgenutzt werden. In Bangladesch sind viele Gruppen an den | |
| Rohingya interessiert. Für die Terrormiliz IS sind sie ein Geschenk des | |
| Himmels“, befürchtet der 70-jährige liberale Muslim. Auf das Konto lokaler | |
| islamistischer Terrorgruppen gingen in den letzten Jahren Morde an | |
| liberalen Bloggern, Ausländern und religiösen Minderheiten. In den Lagern | |
| betreiben die Islamisten Moscheen und Koranschulen und zwingen | |
| Rohingya-Frauen in Burkas. | |
| Im Bergland von Chittagong an der Grenze zu Birma fürchten sich die vom | |
| Militär unterdrückten, mehrheitlich buddhistischen indigenen Stämme vor | |
| muslimischer Gewalt. „Es macht sich unter hiesigen Muslimen unterschwellig | |
| die Stimmung breit: ‚Wenn Birma Muslime umbringt, warum töten wir dann | |
| nicht Buddhisten‘ “, sagt der buddhistische Bürgerrechtler Dipujjal Khisa | |
| von der Chittagong Hill Tracts Maleya Foundation. | |
| ## Arbeit gibt es keine | |
| Die Rohingya haben in Bangladesch keine Perspektive. Premierministerin | |
| Sheikh Hasina will sie lieber heute als morgen nach Rakhine zurückschicken. | |
| Bangladesch ist ein armes, überbevölkertes Land, das auf Dauer so viele | |
| Flüchtlinge nicht glaubt verkraften zu können. Die kurz vor der Ankunft des | |
| Papstes zwischen beiden Ländern publicityträchtig vereinbarte Rückführung | |
| der Flüchtlinge sehen Experten mit Skepsis. Weder gibt es einen konkreten | |
| Zeitplan, noch seien Details klar wie die Rückführung in geplante Lager in | |
| Birma. Der birmesische Muslimaktivist Harry Myo Lin kritisiert das Fehlen | |
| „von Garantien der Sicherheit und Rechte der Rohingya“. | |
| So spricht derzeit vieles dafür, dass die geflohenen Rohingya mehrere Jahre | |
| in Cox’s Bazar werden bleiben müssen. Die Lager dürfen sie nicht verlassen. | |
| Arbeit gibt es keine. In seltener Einigkeit sind Sheikh Hasina, Khaleda Zia | |
| und Bangladeschs Öffentlichkeit strikt gegen eine Integration der Rohingya. | |
| „Wenn sie nicht bald zurückkönnen, wird man sie kaum in den Lagern halten | |
| können“, warnt der liberale Badiul. Außerhalb der Lager würden sie als | |
| billige Arbeitskräfte ausgebeutet. | |
| Zudem könnten Parteien einige Tausend Flüchtlinge mittels manipulierter | |
| Wählerlisten und mithilfe von willfährigen Behörden ausgestellter Ausweise | |
| als Gegenleistung für „korrektes“ Abstimmungsverhalten bei der nächsten | |
| Wahl als „Stimmvieh“ missbrauchen. Badiul seufzt: „Die Situation wird | |
| immer komplizierter.“ | |
| 26 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Lenz | |
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