| # taz.de -- Debatte Facebook und Chinas Zensur: Der Preis ist zu hoch | |
| > Facebook will sich 700 Millionen potenzielle Nutzer in China nicht | |
| > entgehen lassen. Das Netzwerk muss sich deshalb den dortigen Behörden | |
| > fügen. | |
| Bild: China sucht ein „helles und klares“ Onlineumfeld | |
| Als Chinas ehemaliger oberster Zensor Lu Wei vor zwei Jahren die USA | |
| besuchte und bei der Firmenzentrale von Facebook vorbeischaute, sorgte | |
| Facebook-Chef Mark Zuckerberg dafür, dass eine Kopie des Buches „The | |
| Governance of China“ des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf seinem | |
| Schreibtisch lag. Facebook ist in China gesperrt, und Zuckerberg hoffte | |
| wohl, sich mit dieser Geste einzuschmeicheln. | |
| Für ihn – wie für viele andere Chefs von IT-Firmen und Onlineplattformen – | |
| ist die verlockende Aussicht auf über 700 Millionen potenzielle Nutzer in | |
| China einfach zu groß, um sie zu ignorieren. „Man kann es sich nicht zur | |
| Aufgabe machen, alle Menschen in der Welt miteinander zu verbinden, und | |
| dann das größte Land außen vor lassen“, hat der Facebook-Chef einmal | |
| gesagt. „Langfristig gesehen ist das eine Situation, aus der wir einen Weg | |
| nach vorn finden müssen.“ | |
| Allerdings ist es ein zynisches Zahlenspiel, das die Unternehmen und | |
| Plattformen mit dem Zugang zu China spielen – und es führt zum Rückschritt | |
| und nicht in eine bessere Zukunft. Die Kommunistische Partei Chinas hat | |
| immer wieder deutlich gemacht, dass es Marktzugang nur für jene Unternehmen | |
| geben kann, die sich ihrem strikten Kontrollsystem unterwerfen. Deshalb | |
| müssen wir uns fragen: Welchen Wert hat es denn, Verbindungen zu knüpfen, | |
| wenn wir dafür unsere Grundwerte außen vor lassen? | |
| Der Zynismus zeigte sich erst wieder vor einigen Tagen: Die Financial Times | |
| berichtete, dass die Springer-Nature-Verlagsgruppe, die rund 3.000 | |
| akademische Zeitschriften herausgibt, den Zugang für Nutzer aus China zu | |
| über 1.000 Artikeln blockiert hatte, die mit politisch heiklen Suchworten | |
| wie „Tibet“ und „Kulturrevolution“ aufzurufen waren. Springer Nature | |
| verteidigte sich damit, dass die gesperrten Artikel nur einen „kleinen | |
| Prozentsatz“ seiner gesamten Inhalte darstellten. Man habe dies getan, „um | |
| noch härtere Konsequenzen für unsere Kunden und Autoren zu verhindern“. | |
| ## Helles und klares Onlineumfeld | |
| Springer Nature zählt interessanterweise auch Xi Jinping zu seinen Autoren. | |
| Schon im September bestätigte mir ein Vertreter des Verlagshauses, dass es | |
| „eine Absichtserklärung mit dem People’s Publishing House“ in China | |
| unterzeichnet habe. Dabei ging es um die englischsprachige Ausgabe von „Xi | |
| Jinping Tells a Story“ mit Anekdoten aus Xis offiziellen Reden, die seine | |
| Regierungsvorstellungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen | |
| sollen. Seither ist die Vision, die der chinesische Präsident zum Thema | |
| Informationspolitik und Cyberspace hat, noch klarer geworden. | |
| Eine Passage aus Xis Buch ist erhellend: „Richtige | |
| Onlineöffentlichkeitsarbeit zu machen ist ein langfristiges Programm, und | |
| wir müssen die Onlinepropaganda innovativ gestalten und verbessern […], | |
| damit die Onlineräume hell und klar werden.“ Unter einem „hellen und | |
| klaren“ Onlineumfeld ist eines zu verstehen, in dem es keinen Widerspruch | |
| gibt und in dem die Interessen der KP immer an höchster Stelle stehen. | |
| Unter der Führung von Staats- und Parteichef Xi wird die KP so „innovativ“ | |
| sein, wie es nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen. | |
| Jüngstes Beispiel dafür, wie die Kontrollen sich entwickeln, sind | |
| Regularien, die Chinas Internetbehörde am 30. Oktober erlassen hat. Nur | |
| zwei Tage vorher war Zuckerberg nach Peking gekommen, wo er und andere | |
| Chefs von IT-Konzernen – wie Apple-CEO Tim Cook – wieder mit Xi Jinping | |
| zusammentrafen. Die neuen Regularien sehen vor, dass alle IT-Produkte, die | |
| in der Kommunikation eingesetzt werden, zuvor eine „Sicherheitsüberprüfung�… | |
| durchlaufen müssen. Zweck dieser Überprüfung sei es, so meldeten die | |
| Staatsmedien, den „Risikograd von neuen Technologien und Anwendungen“ zu | |
| erkennen, was „ihre Fähigkeit betrifft, die öffentliche Meinung und soziale | |
| Mobilisierung zu beeinflussen“. | |
| Für in- wie ausländische Technologieunternehmen bedeutet das im Grunde, den | |
| chinesischen Behörden bei der Entwicklung von Innovationen einen Sitz in | |
| der ersten Reihe einzuräumen – damit sie dann dafür sorgen können, die | |
| staatlichen Kontrollen einzuarbeiten. Schon bald könnte die Rolle der | |
| chinesischen Kontrolleure weiter formalisiert werden: Chinas Regierung | |
| drängt derzeit darauf, „spezielle Managementbeteiligungen“ in einigen der | |
| größten IT-Firmen Chinas zu erhalten, einschließlich Tencent und Weibo. | |
| Damit hätte sie direkten Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, die sich | |
| auf die weiterreichende Zielsetzung der Medienkontrolle in China auswirken. | |
| ## Chinesische Kontrolltechnologien | |
| Diese „speziellen Managementbeteiligungen“ von 1 bis 2 Prozent sollen von | |
| offiziellen Behörden, Agenturen oder von vertrauenswürdigen Staatsmedien | |
| gehalten werden. Auf diese Weise könnte die Regierung das Verhalten der | |
| Konzerne aus dem Inneren der Geschäftsführung heraus selbst beeinflussen. | |
| Damit erhielte sie direkten Zugang zu deren innovativen Technologien. | |
| All dies geschieht in der Folge des äußerst restriktiven | |
| Cybersecurity-Gesetzes, das im Juni in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz | |
| fordert unter anderem, dass sich IT-Firmen, die in China aktiv sind, den | |
| Sicherheitsüberprüfungen der Behörden unterwerfen und ihre Nutzerdaten in | |
| der Volksrepublik speichern. In dem Maße, in dem es ausländischen | |
| IT-Unternehmen, Internetdienstleistern und Verlagen wie Springer Nature | |
| gelingt, Zugang zu China zu bekommen, werden sie in dieses als | |
| „Kontrollinnovation“ zu bezeichnende Verfahren eingebunden. Sie werden | |
| keine andere Wahl haben, als sich mit Chinas Strategie der Onlinepropaganda | |
| zu arrangieren und diese zu befördern. | |
| Wenn man bedenkt, dass Facebook womöglich schon dabei ist, intern | |
| Zensurmechanismen zu entwickeln, um die Voraussetzungen für den Zugang zu | |
| China zu schaffen, dann weist das auf eine furchterregende Entwicklung hin: | |
| dass globale IT-Unternehmen wie Facebook in Zukunft eigene | |
| Kontrolltechnologien entwickeln, die parallel zu denen der chinesischen | |
| Behörden verlaufen. | |
| Die Menschen in der Welt auf diese Weise miteinander zu verbinden – darauf | |
| können wir alle gut verzichten. | |
| Übersetzung aus dem Englischen: Jutta Lietsch | |
| 30 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| David Bandurski | |
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