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# taz.de -- Kampagne gegen Wegwerfbecher: Ein Problem, das nicht von Pappe ist
> Die Kampagne „Better World Cup“ soll die To-go-Becherflut eindämmen – …
> aber nicht die Mittel dazu. Ein verbindliches Pfandsystem wird es nicht
> geben.
Bild: Alle lieben bunte Becher – aber regelmäßig benutzen muss man sie dann…
Berlin-Mitte, in der Filiale einer großen Kaffeehauskette an einem
Novembermittag: Die Schlange am Tresen wächst und schrumpft im Rhythmus der
Touristengruppen. Nach einer halben Stunde haben Dutzende Frapuccinos,
Vanilla Lattes und Hazelnut Hot Chocolates die Besitzerin gewechselt, viele
davon werden auf die Straße mitgenommen, ausnahmslos alle im
vorweihnachtlich designten Pappbecher mit Plastikdeckel.
Diese Becher verstopfen später die orangen BSR-Mülleimer, vielleicht landen
sie auch auf dem Gehweg oder in einer Grünanlage. Für die
Stadtreinigungsbetriebe ist das genauso ein Ärgernis wie für die Umwelt.
Die To-go-Mode produziert in Berlin jährlich 170 Millionen Becher bzw.
2.400 Tonnen kunststoffbeschichteten Abfall.
Das Problem ist schon lange bekannt, die vermeintliche Lösung gibt es seit
einem halben Jahr: [1][„Better World Cup“] nennt sich die Kampagne der
Senatsverwaltung für Umwelt und der BSR sowie von Wirtschafts- und
Umweltverbänden. Sie wirbt bei KundInnen für den Gebrauch von
Mehrwegbechern – und bei Gastronomen für die Akzeptanz dieser Becher. Hat
sie etwas bewirkt?
Auf dem Kaffeehaustresen wirbt ein kleiner roter Aufsteller für „Better
World Cup“ – neben bunten Edelstahlbechern mit dem Logo der Kette für
stolze 18,99 Euro. Eine Investition, die viele scheuen, gerade
TouristInnen, wie der Filialleiter weiß. Auf „gerade mal 4 Prozent“ schät…
er den Anteil der To-go-Getränke, die in Mehrwegbechern ausgeschenkt
werden, trotz des Rabatts von 30 Cent. „Erschreckend wenig“, findet er
selbst. Ob der Absatz nach dem Start der Better-World-Cup-Kampagne
gewachsen sei? Vielleicht, ein bisschen, sagt er nach längerem Nachdenken.
## Auf den ersten Blick beeindruckend
Die Schwächen der Kampagne liegen auf der Hand: Niemand wird gezwungen,
einen eigenen Becher mitzubringen – und viele interessiert das
offensichtlich auch gar nicht. Auf der anderen Seite bleibt der Erfolg im
Dunkeln. Zwar beeindruckt die Zahl von derzeit 700 teilnehmenden Filialen
von Tchibo, Starbucks, der Bäckerei Steinecke oder der Bio Company auf den
ersten Blick. Aber wie das Angebot genutzt wird, dokumentiert niemand.
In der Umweltverwaltung von Senatorin Regine Günther legt man denn auch den
Schwerpunkt auf den Bewusstseinswandel, den „Better World Cup“ befördern
soll. Wobei: „Wenn 1 Prozent der Wegwerfbecher durch Mehrwegbecher ersetzt
wird, sind das auch schon 1,7 Millionen Becher weniger im Jahr“, sagt
Sprecher Matthias Tang. Das ist richtig – aber es bleibt nun mal nur 1
Prozent.
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel hat lange für ein berlinweites
Pfandsystem gekämpft, bei dem alle Anbieter dieselben Becher ausgeben und
zurücknehmen. Für sie ist die auf Freiwilligkeit basierende Kampagne im
Grunde kein Erfolg, und das sagt sie indirekt auch: „Wir wollen einen
Pfandsystem, alles andere sind Tropfen auf den heißen Stein. Dazu gibt es
ja auch einen Parlamentsbeschluss.“ Die Begründung, mit der Günthers
Verwaltung ablehnt, Mittel in ein solches „Poolsystem“ zu investieren,
kennt Gebel natürlich: Man fürchtet wettbewerbsrechtliche Probleme bei
Bevorzugung eines Anbieters.
Ein solcher, der sich durchaus auch Chancen auf eine Senatsförderung
ausgerechnet hatte, ist [2][„Recup“]. Die mint- und mokkafarbenen
Polypropylenbecher des Münchner Start-ups gibt es bundesweit schon an 460
Standorten, bei einem Euro Pfand und einem kleinen Preisnachlass. In Berlin
machen 75 Läden mit. Das ist zwar – noch – verschwindend wenig, aber
immerhin wirbt nun auch die Website von „Better World Cup“ für Recup,
nachdem die Kampagne anfangs selbst davor zurückschreckte.
Silke Gebel rührt gern die Werbetrommel: „Im Moment gibt es mit Recup
lediglich einen Pfandbecher-Anbieter in Berlin, und ich kann nur alle Cafés
in der Stadt dazu aufrufen, sich an diesem System zu beteiligen.“ Die
Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Recup gerade für dessen „wegweisende“ und
„clevere“ Geschäftsidee ausgezeichnet. Das System stärke „die Akzeptanz…
Mehrwegalternativen und macht sie massentauglich“, sagt die
stellvertretende DUH-GeschäftsführerinBarbara Metz.
## Sylt ja, aber Berlin?
In Nischenmärkten wie auf der Insel Sylt hat Recup tatsächlich die
kritische Masse erreicht und so ein flächendeckendes Pfandnetz geschaffen.
Ob das in einer Millionenstadt mit Tausenden Anbietern vom Kaffeehaus bis
zum Späti ohne gezielte Förderung gelingen kann, ist fraglich. Es
funktioniert auch nur, wenn kein weiterer Anbieter auf den Plan tritt. Denn
konkurrierende Pfandsysteme graben sich gegenseitig das Wasser ab, zum
Nachteil von VerbraucherInnen und der Umwelt.
Aber ebendiese Konkurrenz scharrt schon mit den Hufen. Das
Pfandbecher-Startup „Cupforcup“ aus dem Rheinland kann sich den Sprung nach
Berlin ganz gut vorstellen – und kritisiert schon mal den „Recup“-Becher:
„Nicht optimal“ sei er, für Heißgetränke zu dünn und auf Wegwerfdeckel
angewiesen, wobei die gängigen Modelle gar nicht passten.
Fazit: Die To-go-Trendwende steht noch in den Sternen. Am einfachsten wäre
wohl, das Becherherumtragen geriete einfach wieder aus der Mode. Im Sitzen
schmeckt der Kaffee schließlich am besten.
22 Nov 2017
## LINKS
[1] http://betterworldcup.de
[2] https://recup.de/
## AUTOREN
Claudius Prößer
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