| # taz.de -- Aus Le Monde diplomatique: Der katalanische Knoten | |
| > Der alte Konflikt aus den 1930er-Jahren ist wieder aufgebrochen. Die | |
| > Madrider Regierung stützt sich dabei auf ein veraltetes Grundgesetz. | |
| Bild: Im Streit um Katalonien geht es nicht nur um Freiheit, sondern auch die E… | |
| Von Europa aus betrachtet, erscheinen die Positionen der gegnerischen | |
| Parteien in der Auseinandersetzung um Katalonien ziemlich befremdlich und | |
| eigentlich konfus. Dennoch verfolgen beide Seite bestimmte Strategien, die | |
| man erst dann begreift, wenn man die Lesart „Separatisten gegen | |
| Zentralstaat“ einmal beiseitelässt. Dieses Schema ist zwar nicht verkehrt | |
| – alle beziehen sich ja darauf –, aber es verdeckt ein anderes, | |
| grundsätzlicheres Problem: Die spanische Verfassung wurde 1978, drei Jahre | |
| nach dem Tod des Diktators Franco, angenommen und seither nicht | |
| weiterentwickelt. Den Kontakt zur gesellschaftlichen Realität, die sie doch | |
| strukturieren soll, hat sie im Lauf der Zeit verloren. | |
| Wenn es in Katalonien lediglich um Separatismus ginge, wäre völlig | |
| unerklärlich, dass der spanische Ministerpräsident mit dem Kampf gegen das | |
| Referendum am 1. Oktober erst mal Katalonien in Brand setzt und danach zu | |
| Neuwahlen aufruft; und dass der katalanische Regierungschef eine | |
| Unabhängigkeit proklamiert, die ohne reale Folgen bleibt und den Unwillen | |
| ihrer Anhänger wie ihrer Gegner erregt. Solche Widersprüche finden ihre | |
| Erklärung darin, dass Konflikte, die an ganz anderer Stelle entstanden | |
| sind, auf dem Territorium der katalanischen Krise ausgetragen werden. | |
| Seit der Einführung der drakonischen Sparpolitik im Jahr 2011 befindet sich | |
| Spanien in einem Zustand politischer Instabilität, der immer neue Krisen | |
| hervorbringt: die Besetzung öffentlicher Plätze durch die „Indignados“, d… | |
| seit Mai 2011 aktiv sind; die parlamentarische Krise von 2015 und 2016, als | |
| Spanien 315 Tage lang keine Regierung hatte und die Regierungsgeschäfte von | |
| einem Kabinett abgewählter Minister weitergeführt wurden; und nun die | |
| Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien. | |
| Das Problem, das allen drei Krisen zugrunde liegt, ist eine Verfassung, die | |
| eigentlich als Ausgangspunkt des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie, | |
| der sogenannten transición gedacht war – und die diesen Prozess nicht | |
| gefördert, sondern vereitelt hat. | |
| Diese Verfassung hat in der Tat demokratische Defizite. Das System des | |
| aforamiento beispielsweise stellt ein Relikt des Franco-Regimes dar. | |
| Dadurch blieb es 17.000 Angeklagten erspart, sich vor niederen Instanzen zu | |
| verantworten, stattdessen landeten ihre Fälle gleich bei höheren Gerichten, | |
| die dem Einfluss der Exekutive zugänglicher waren. In Spanien genießen alle | |
| Abgeordneten, auch die in Regionalparlamenten, Immunität, Richter können | |
| nicht entlassen werden. Die Verfassung definiert die politischen Parteien | |
| als „Hauptinstrument der politischen Beteiligung“ (Artikel 6) und schreibt | |
| ihnen damit eine Rolle zu, die weit über den Prozess der öffentlichen | |
| Meinungsbildung hinausgeht, wie er in den meisten Demokratien verstanden | |
| wird. | |
| In anderen Ländern gilt der Wille des Volkes als den Interessen der | |
| Einzelnen übergeordnet. In Spanien dagegen hat sich ein organizistisches | |
| Konzept durchgesetzt: Die Masse wird in Organisationen erfasst und erst | |
| dadurch zum Staatsvolk. So organisierte das Franco-Regime die Gesellschaft | |
| um seine Nationale Bewegung und die vertikalen, berufsständischen | |
| Syndikate. | |
| Nach dem Tod des Diktators öffnete sich Spanien zwar für politischen und | |
| gewerkschaftlichen Pluralismus, aber die Funktion der Parteien und | |
| Gewerkschaften wurde nicht anders definiert als zuvor. Die Bürger wählen | |
| auch keine Abgeordneten, sondern geschlossene Listen einer Partei, deren | |
| Kandidaten je nach Anzahl der Wählerstimmen ins Parlament einziehen. | |
| Abgeordnete unterhalten keine Büros in ihren Wahlkreisen. | |
| ## Korruptes Parteisystem | |
| Die spanischen Parteien sind nicht so sehr Zusammenschlüsse von Menschen | |
| derselben politischen Überzeugung, sie stellen eher Korporationen dar, die | |
| sich gegenüber der öffentlichen Meinung und ihrer eigenen Basis abschotten. | |
| Kein Wunder, dass Korruption so weit verbreitet ist. Seit Jahren gibt es | |
| ständig neue Enthüllungen über die sogenannte [1][Gürtel-Affäre], bei der | |
| 43 Millionen Euro öffentlicher Gelder zugunsten der rechten Partido Popular | |
| (PP) veruntreut wurden. Und das ist nur einer der zahllosen Skandale einer | |
| systemisch gewordenen Korruption. Schon 2014 forderte die spanische Sektion | |
| von Transparency International die Parteien auf, die geschlossenen Listen | |
| abzuschaffen und ihre Wahlkampfbudgets spätestens drei Monate nach der Wahl | |
| zu [2][veröffentlichen]. Der Appell blieb folgenlos. | |
| Allerdings ist es wenig verwunderlich, dass die auf der Verfassung von 1978 | |
| beruhenden Institutionen und Parteien nicht mehr als einen Kompromiss | |
| zwischen Demokratie und Franquismus darstellen. Die Väter der spanischen | |
| Verfassung wollten vor allem eine Neuauflage des Bürgerkriegs verhindern. | |
| Das neue Grundgesetz wurde deshalb zwischen einem autoritären, | |
| nationalkatholischen Führersystem und einer Demokratie angesiedelt und | |
| sollte sich mit der Zeit, im Zuge des gesellschaftlichen Fortschritts, | |
| weiterentwickeln. Doch anstatt die Verfassung zu verbessern, erklärte man | |
| sie für sakrosankt. Seit ihrer Verabschiedung vor fast vierzig Jahren wurde | |
| das Versprechen einer Verfassungsreform im Sinne der Transición nicht | |
| eingelöst. | |
| Die spanische Gesellschaft hat die Werte und Verhaltensformen, die von der | |
| Diktatur geprägt waren, inzwischen natürlich überwunden. Vierzig Jahre nach | |
| dem Ende der Zensur diskutiert man völlig offen über Euthanasie, | |
| Gleichberechtigung, Sexualität oder Drogen. Im Fernsehen werden die | |
| Mächtigen derart häufig und scharf angegangen, dass man sich eher an die | |
| USA als an das katholische Europa erinnert fühlt. Im Spanien von 1978 | |
| gingen längst nicht alle Kinder zur Schule, in vielen Städten waren die | |
| Straßen noch nicht asphaltiert, in manchen Gegenden gab es keine | |
| Postzustellung, kaum öffentliche Verkehrsmittel und nur eine rudimentäre | |
| Gesundheitsversorgung. | |
| Vierzig Jahre später ist der wirtschaftliche, gesellschaftliche und | |
| kulturelle Wandel unübersehbar. Aber Spanien hat sich zu sehr auf diese | |
| Aufgaben konzentriert und darüber die wichtigen übrigen Dinge | |
| vernachlässigt. Der 1986 erfolgte Eintritt in die Europäische Gemeinschaft | |
| überdeckte das Fehlen einer Verfassungsreform. Da sich die Gesellschaft in | |
| so kurzer Zeit demokratisiert hatte, dachte man, auch die Institutionen | |
| hätten schon ihre angemessene Fasson gefunden. | |
| ## Kampf um die Republiken | |
| Die katalanische Revolte, die sich als Unabhängigkeitsbewegung gibt, | |
| bezieht ihre Energie aus dem tiefen Graben zwischen den Spaniern und ihren | |
| Institutionen, aber auch aus der Ablehnung der Korruption (die in | |
| Katalonien jedoch genauso grassiert wie im übrigen Spanien). Dazu kommt ein | |
| besonderer Hass auf die zahlreichen Relikte des Absolutismus, da König, | |
| Kirche und Adel nach wie vor die größten Grundbesitzer Spaniens sind und | |
| deshalb besonders stark von der EU-Agrarsubventionen profitieren (zum | |
| Beispiel kassierte die Herzogin von Alba 1,85 Millionen Euro an | |
| europäischen Subventionen allein im Jahr 2003). | |
| Die Aufhebung des katalanischen Autonomiestatuts durch das | |
| Verfassungsgericht im Jahr 2010 war der Funke, der den Zorn im Lande | |
| entflammte. Dabei sind zwei Details wichtig: Auslöser war eine Klage der | |
| PP, die bei den Wählerumfragen damals im Keller war. Der auch | |
| innerparteilich umstrittene Parteichef Rajoy ließ in ganz Spanien | |
| Unterschriften gegen das katalanische Autonomiestatut sammeln, womit er die | |
| reaktionärsten Teile der PP-Wählerschaft gewinnen wollte. | |
| Das zweite Faktum hat mit einer historischen Reminiszenz zu tun, die auch | |
| die erratische Strategie des mittlerweile abgesetzten katalanischen | |
| Ministerpräsidenten Carles Puigdemont erklärt. Denn die Aufhebung des | |
| Autonomiestatuts hat eine alte Wunde aufgerissen: Am 14. April 1931 hatten | |
| die Republikaner die Kommunalwahlen in den meisten großen Städten Spaniens | |
| gewonnen. In Katalonien wurde daraufhin die katalanische Republik | |
| ausgerufen, die dann zum autonomen Gebiet innerhalb der Zweiten Spanischen | |
| Republik wurde. Im Zuge der – gescheiterten – Revolution von 1934 erklärte | |
| Lluis Companys von der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) Katalonien | |
| zum Staat in einer „spanischen Bundesrepublik“, die es jedoch nie gab. | |
| Companys landete dafür im Gefängnis. | |
| Als General Franco, der der spanischen Republik durch Putsch und | |
| Bürgerkrieg ein Ende gemacht hatte, schließlich starb, wurde die Frage des | |
| katalanischen Status durch einen Kompromiss geregelt: Die Katalanen | |
| verzichteten auf ihre Republik und nahmen sowohl die Monarchie (Artikel 1.3 | |
| der Verfassung) als auch die „unauflösliche Einheit der spanischen Nation“ | |
| (Artikel 2) an. Im Gegenzug erhielten sie das Recht, ein Autonomiestatut | |
| und ein eigenes Zivilrecht zu entwickeln, allerdings streng im Rahmen der | |
| spanischen Verfassung. | |
| ## Ablenkung von den eigenen Skandalen | |
| Die Reform des Autonomiestatuts von 2006, die der katalanischen | |
| Regionalregierung größere Machtbefugnisse einräumte, bedurfte der | |
| Zustimmung auf drei Ebenen: erstens durch das katalanische Parlament, | |
| zweitens durch eine qualifizierte Mehrheit im spanischen Abgeordnetenhaus | |
| und Senat und drittens durch eine Volksabstimmung. All diese Bedingungen | |
| waren erfüllt. Dennoch wurde das neue Statut 2010 auf Betreiben der PP | |
| aufgehoben, und zwar durch Beschluss des Verfassungsgerichts, dessen | |
| Mitglieder hauptsächlich von den Konservativen ernannt worden waren. Das | |
| erklärt die Vorstellung, dass die aktuelle Krise durch das herrische | |
| Gebaren der PP-Hardliner ausgelöst wurde. | |
| Von 2010 bis zu den Wahlen 2015 verfügte in Katalonien die | |
| rechtskonservative CiU (Convergència i Unió, hervorgegangen aus einer | |
| Allianz zwischen Convergència Democràtica und Unió Democràtica de | |
| Catalunya) über eine Mehrheit im Regionalparlament. Für die CiU war eine | |
| mögliche Unabhängigkeit bis 2012 stets eine Horrorvorstellung gewesen. Als | |
| dann aber die Demonstrationen der Separatisten begannen, zusätzlich | |
| angeheizt durch die Austeritätspolitik „aus Madrid“, erblickte der | |
| CiU-Vorsitzende Mas in den Protesten ein probates Mittel, um von den | |
| eigenen Skandalen abzulenken – denn in Sachen Korruption stand die CiU von | |
| Mas der PP von Rajoy nur wenig nach. | |
| So dachten sich die katalanischen Konservativen eine Volksbefragung aus, | |
| die im Jahr 2014 abgehalten wurde. Bei der Frage „Wollen Sie, dass aus | |
| Katalonien ein Staat wird? Wenn ja, wollen Sie, dass dieser Staat | |
| unabhängig ist?“ konnte man zwischen drei Optionen wählen: Zugehörigkeit | |
| zum Nationalstaat, föderale Republik oder Unabhängigkeit. Die Annullierung | |
| dieses Referendums störte die Initiatoren nicht, auch wenn sie das | |
| öffentlich nicht zugaben. Mas und der CiU war es sowieso nur darum | |
| gegangen, die Zahl der Unabhängigkeitsbefürworter zu ermitteln, bevor sie | |
| die Verhandlungen über die Wiedereinsetzung der aufgehobenen Artikel des | |
| „Estatut“ (katalanischen Autonomiestatuts) wieder aufnahmen (ungefähr so, | |
| wie eine Gewerkschaft vor dem Arbeitskampf die Streikbereitschaft ihrer | |
| Mitglieder ermittelt). | |
| Wäre dieser konservative Teil der katalanischen Oberschicht nach den | |
| vorgezogenen Neuwahlen von 2015, die Rajoy mit herbeigeführt hatte, erneut | |
| an die Regierung gekommen, hätten sie sich zweifellos mit einer Rückkehr zu | |
| den Verhältnissen vor 2010 zufriedengegeben. Damit wäre die institutionelle | |
| Krise, die diese Elite von Natur aus scheut, schnell beigelegt worden. | |
| ## Juristische Antwort auf ein politisches Problem | |
| Seit 2015 liegen die Dinge in Katalonien jedoch anders: Dominierende Partei | |
| ist das separatistische Wahlbündnis Junts pel Sí („Zusammen für das Ja“), | |
| dem auch die ERC angehört, und das von der antikapitalistisch-linken CUP | |
| (Candidatura d’Unitat Popular) toleriert wird. Diese neue Machtverteilung | |
| erklärt, warum in der Referendumsfrage von 2017 erneut die Republik | |
| auftauchte („Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form | |
| einer Republik ist?“). Und warum die Regierung in Madrid nun härter | |
| reagierte, sodass sich der Konflikt seit dem 1. Oktober verschärft hat. | |
| In dieser Situation kann der jüngste Vorschlag der Sozialisten und der PP, | |
| die spanische Verfassung zu reformieren, kaum überzeugen. Es handelt sich | |
| um das kleinstmögliche Zugeständnis der beiden Parteien, die seit vierzig | |
| Jahren für die politische Erstarrung des Landes verantwortlich sind. Und | |
| dieses Land steht am Abgrund. | |
| Es ist durchaus denkbar, dass die meisten Menschen in Katalonien eine | |
| solche Minimallösung ablehnen: Der „landesweite Stillstand“ vom 3. Oktober | |
| wurde von Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften (einschließlich des | |
| anarcho-syndikalistischen Gewerkschaftsverband CNT) und den Anhängern der | |
| Unabhängigkeit gemeinsam ausgerufen. Die Ablehnung der korrupten Parteien | |
| und überlebten Institutionen ist offenbar in der Gesellschaft weit | |
| verbreitet. Aber es gibt auch das andere Lager derjenigen, die gegen die | |
| Unabhängigkeit demonstrieren und die „schweigenden Mehrheit“ auffordern, | |
| ebenfalls ihre Stimme zu erheben. | |
| Ein Großteil der politischen Kräfte Spaniens – wie der Medien – scheint | |
| Rajoys Strategie zu billigen, der das politische Problem in ein | |
| juristisches verwandeln will. Das aber verschärft die Spannungen nur noch | |
| mehr. Der Aufruf einiger katalanischer Anführer zur „permanenten | |
| Mobilisierung“ zeigt, dass die Radikalisierung auch anderen Akteuren | |
| gelegen kommt. | |
| ## Der König mischt sich ein | |
| Der gewaltsame Polizeieinsatz vom 1. Oktober hat Spanien in zwei Lager | |
| geteilt. Bei einer Pressekonferenz am 9. Oktober warnte PP-Sprecher Pablo | |
| Casado den noch amtierenden katalanischen Ministerpräsidenten Puigdemont, | |
| er könne [3][„wie Companys enden“]. Der war nach der Ausrufung der | |
| katalanischen Unabhängigkeit 1934 verhaftet und nach dem Ende des | |
| Bürgerkriegs 1940 von den Franquisten exekutiert worden. Vor diesem | |
| Hintergrund ist es eher verständlich, dass es Puigdemont und vier seiner | |
| Minister vorgezogen haben, sich nach ihrer Entmachtung nach Belgien zu | |
| abzusetzen. Der ehemalige Vizeministerpräsident und sieben weitere Minister | |
| sind geblieben– und sitzen nun in Katalonien im [4][Gefängnis]. | |
| Ein Aspekt dieser Entwicklung ist besonders beunruhigend: Warum hat sich | |
| der König in die Krise eingemischt und Rajoys Regierung öffentlich | |
| aufgefordert, „die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen“? | |
| Eigentlich ist in der Verfassung geregelt, zu welchen Fragen sich der König | |
| äußern darf; die Innenpolitik zählt nicht dazu. Mit seinem Verhalten | |
| verstärkte Felipe VI. den Eindruck, das Königshaus sei zum Satelliten der | |
| PP geworden (der es schon immer nahestand). Verstärkt wurde dieser Eindruck | |
| durch die aggressive Rhetorik des Königs und den suggestiven Hintergrund | |
| seiner Auftritts: Er sprach vor einem Porträt Karls III., der im 18. | |
| Jahrhundert das Kastilische als einzige Landessprache durchgesetzt hatte. | |
| Rajoys Strategie, die Spannungen anzuheizen, entspringt mehr dem Bemühen, | |
| seine Partei zu retten, als dem Wunsch, die katalanische Frage zu regeln. | |
| Der PP-Chef zündelt seit Langem auf unverantwortliche Weise: mit der | |
| Aufhebung von 14 Artikeln des katalanischen Autonomiestatuts 2010 bis zu | |
| der Eskalation von 2017. Und das in einem Land, in dem die Wunden des | |
| Bürgerkriegs nicht verheilt sind. Mit seinem Verhalten hat Rajoy den | |
| Separatisten, die bis vor Kurzem nur 12 Prozent der katalanischen Wähler | |
| hinter sich hatten, zusätzliche Legitimation verschafft. | |
| Die soziale Bewegung von 2011 konnte den notwendigen Wandel in der Politik | |
| nicht herbeiführen. Und die lange parlamentarische Krise von 2015/16 endete | |
| mit der Wiederwahl der vorigen Regierung. Die katalanische Revolte stellt | |
| tatsächlich eine Bedrohung dar – aber sie ist auch eine Chance. Jetzt | |
| endlich könnte man die Spannungen analysieren, die entstehen, wenn eine | |
| demokratisch gewordene Gesellschaft an eine überholte Verfassung gebunden | |
| ist. Das setzt freilich voraus, dass alle Beteiligten über den Tellerrand | |
| des aktuellen Geschehens hinaus blicken. | |
| Aus dem Französischen von Sabine Jainski | |
| 12 Nov 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/korruptionsaffaere-richtet-verheerend… | |
| [2] https://elpais.com/elpais/2014/02/06/opinion/1391706531_210680.html | |
| [3] http://www.lavanguardia.com/politica/20171009/431922539247/pp-puigdemont-ac… | |
| [4] /Gegen-die-Repression-Madrids/!5457398 | |
| ## AUTOREN | |
| Sébastien Bauer | |
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