# taz.de -- Holocaustleugner im Gefängnis: Freiheit für Horst Mahler? | |
> Er wollte nach Ungarn fliehen, jetzt sitzt Horst Mahler wieder im | |
> Gefängnis. Gut möglich, dass er dort stirbt. Ist das richtig? Ein | |
> Haftbesuch. | |
Bild: Horst Mahler wartet am Flughafen Budapest auf seine Abschiebung nach Deut… | |
BRANDENBURG AN DER HAVEL taz | Man habe ihn umbringen wollen, sagt er. Vor | |
zwei Jahren, als er in Haft zusammenbrach, sei er nicht richtig behandelt | |
worden. Und nun, da das nicht geklappt habe, wolle man ihn einsperren, für | |
immer. „Ich weiß doch, was los ist.“ | |
Horst Mahler streicht über die Tischkante aus hellem Holz. Seine ruhige | |
Stimme gerät ins Spöttelnde. Aber gut, sagt er. Er sei ja im Kampf. „Ich | |
wäre doch ein Depp, wenn mich das umwerfen würde. Ich rechne mit allem, bis | |
zum bitteren Ende.“ | |
Jetzt ist er also wieder hier. JVA Brandenburg, hinter hohen grauen Mauern | |
und Stacheldraht. Fünf schwere Türschlösser müssen aufgehen, bis man zu ihm | |
vordringt. Horst Mahler war Anwalt, Ikone der Achtundsechziger, | |
RAF-Kämpfer, dann nach rechts abgedrifteter NPD-Mann. Zuletzt war er auf | |
der Flucht, vom Berliner Vorort Kleinmachnow nach Ungarn. Mit 81 Jahren. | |
Nun sitzt Mahler im Besucherraum der JVA Brandenburg. Grelles Licht, | |
grau-rote Wände, sonst nur fünf Tische und ein leerer Garderobenständer. | |
Ein JVA-Bediensteter hatte Mahler im Rollstuhl in den Raum geschoben. | |
Mahler sieht etwas blass aus, aber rüstig. Weiße Bartstoppeln, Glatze, | |
randlose Brille, wacher Blick. Sein beiger Pullover, den alle Inhaftierten | |
tragen, hat einen ausgebeulten Kragen. Aus Mahlers linkem Hosenbein ragt | |
eine silberne Prothese hervor. Im Sommer 2015 haben Ärzte ihm den | |
Unterschenkel wegen einer Wundentzündung und Blutvergiftung amputiert. | |
Mahler leidet an Diabetes, auch sein Herz und seine Nieren sind | |
angegriffen. | |
Mahlers Stimme ist etwas vernuschelt, seine Worte aber wägt er mit höchstem | |
Bedacht. Er kann energisch werden, schlägt mit der flachen Hand auf den | |
Tisch. Er ist die zwei Stunden des Treffens immer auf „Hab acht!“ Wie’s i… | |
gerade gehe? „Es geht so.“ | |
## Briefe in akkurater Schönschrift | |
Mahler hatte das Gespräch zugesagt, dann wieder abgesagt, dann nur unter | |
der Bedingung zugelassen, dass kein JVA-Bediensteter dabei ist. Es klappt, | |
als darauf auch die taz besteht. Eingefädelt wurde dies über Briefe, von | |
Mahler in akkurater Schönschrift verfasst. | |
Horst Mahler ist verurteilt wegen Volksverhetzung. Weil er im Internet „zum | |
Kampf der Deutschen gegen die Juden“ aufrief und den Holocaust leugnet, | |
immer und immer wieder. In Berlin, Hamburg, München und Potsdam stand er | |
vor Gericht. Teils hatte er sich selbst angezeigt. Am Ende wurde Mahler zu | |
einer Gesamtstrafe verurteilt: zehn Jahren und zwei Monaten. Als Mahler im | |
Jahr 2006 eine erste Haftstrafe antrat, tat er dies mit einem Hitlergruß. | |
Nochmal elf Monate Gefängnis oben drauf. Sein Haftentlassungstermin, Stand | |
jetzt: Oktober 2020. | |
In der JVA schrieb Mahler ein neues antisemitisches Pamphlet. Die | |
Staatsanwaltschaft Cottbus klagt ihn dafür an. Wird Mahler verurteilt, | |
dürfte er weitere Jahre Haft vor sich haben. Vielleicht wird er das | |
Gefängnis nicht mehr lebend verlassen. | |
Man kann sagen: Horst Mahler wollte es so, er hat alles dafür getan. Es | |
gibt aber auch andere Stimmen, von früheren Weggefährten wie Otto Schily, | |
die politisch längst mit ihm gebrochen haben, die Zweifel haben: Muss man | |
für ein Meinungsdelikt für viele Jahre hinter Gitter? | |
Mahler sagt natürlich: Ihm geschehe großes Unrecht. Der Staat setze auf | |
eine biologische Lösung. „Das ist pure Willkür.“ Deshalb sei er nach Unga… | |
geflohen. Mahler sagt das ruhig, aber bestimmt. Er will keineswegs | |
verzweifelt klingen. | |
Im Sommer 2015 war Mahler freigekommen, ein Strafausstand nach der | |
Unterschenkelamputation, wegen seiner schlechten Gesundheit. Dann aber zog | |
der Rechtsextreme wieder los und hielt Vorträge. „Es herrscht Krieg gegen | |
das deutsche Volk, gegen die weiße Rasse“, sagte er bei einem in | |
Ludwigshafen. Man müsse kämpfen, gegen die „totale Verknechtung“ durch die | |
„Judenheit“. Die Staatsanwaltschaft hob Mahlers Haftunfähigkeit auf, im | |
April diesen Jahres sollte er zurück in die JVA. Er setzte sich ab. | |
Im Grunde sei es einfach gewesen, berichtet Mahler. Nach Ungarn sei er | |
geflohen, weil er dort Freunde habe. Welche? Sagt er nicht. Vorher ließ er | |
noch zwei Videos drehen. In einem ätzte er wieder gegen Juden, im zweiten | |
nannte Mahler die Haftanordnung gegen ihn „politische Verfolgung ohne | |
rechtliche Grundlage“. Er erbitte nun politisches Asyl in einem | |
„aufnahmebereiten souveränen Staat“. Später offenbarte er seinen Anhänge… | |
in einer E-Mail: Er ist in Ungarn, dem zurzeit am weitesten rechts | |
stehenden EU-Mitgliedsland, berüchtigt für seine Antiflüchtlingspolitik. | |
Er habe sich ins Auto gesetzt und wurde nach Sopron gefahren, gleich hinter | |
der österreichischen Grenze. Von wem? Sagt er auch nicht. Die Stadt, 60.000 | |
Einwohner, barocke Altstadt mit deutscher Minderheit, liegt acht | |
Autostunden von Kleinmachnow entfernt. Dort wohnt er in einer Pension, | |
einem mintgrünem Eckhaus nahe dem Stadtzentrum mit deutschsprachiger | |
Hausherrin. Die Freunde vor Ort hätten sich „ein bisschen gekümmert“. | |
Einmal sei sein Sohn Axel gekommen. Einen Journalisten wollte Mahler im | |
Hotel Pannonia treffen, vier Sterne, so schien es ihm angemessen. So weit | |
kam es nicht mehr. | |
Am 15. Mai standen morgens ungarische Beamte vor Mahlers Pensionstür. Einer | |
sprach deutsch und verkündete die Verhaftung. Mahler war nicht schwer zu | |
finden: Er hatte über sein Handy mit seiner Familie telefoniert. Damit war | |
seine Flucht nach 27 Tagen vorbei. | |
Ungarn prüfte nicht mal Mahlers Asylantrag: Für EU-Bürger gibt es kein Asyl | |
in einem EU-Land. Einen Monat später wurde Mahler nach Deutschland | |
abgeschoben. Seitdem sitzt er wieder in der JVA Brandenburg. | |
Hat er als Jurist das mit dem Asyl innerhalb der EU nicht gewusst? Mahler | |
verzieht keine Miene. „Ich hatte keine Wahl.“ Also war es mal wieder ein | |
politischer Stunt? „Das können Sie bewerten, wie Sie wollen.“ | |
Horst Mahler braucht Aufmerksamkeit. Er war mal ein großer Name in diesem | |
Land. Mahler ist Sohn eines Zahnarztes und Nationalsozialisten, der sich | |
das Leben nahm, als der Junge 13 Jahre alt war. Später steht der Junganwalt | |
in der ersten Reihe der APO-Proteste, vor Gericht vertritt er Kommunarden. | |
Er wird ein Gesicht des Widerstands. Immer radikaler argumentiert Mahler, | |
verteidigt Militanz – bis er 1970 die RAF mitgründet und die Befreiung von | |
Andreas Baader im selben Jahr mitplant. Er taucht unter, zum ersten Mal. | |
In Jordanien, in einem Camp der PLO, lässt sich Mahler an der Waffe | |
ausbilden. Wenige Monate später wird er in Berlin festgenommen, trotz | |
Perücke. Er wird verurteilt für die Gründung einer kriminellen Vereinigung | |
und Bankraub. Bis 1980 sitzt er hinter Gittern. | |
## Ein Völkchen Verirrter | |
Mahler erkämpft sich seine Anwaltszulassung zurück, mit Hilfe seines | |
Anwalts Gerhard Schröder, dem späteren Bundeskanzler. Dann wird es still um | |
ihn. Bis er auf der anderen politischen Seite auftaucht. Schon zuvor war er | |
von früheren Positionen abgerückt, hatte die Zerstörung der Tradition durch | |
die Achtundsechziger beklagt. Die Deutschen wüssten nicht mehr, wer sie | |
seien. Mahler tritt 2000 in die NPD ein, verteidigt diese erfolgreich im | |
ersten Verbotsverfahren. Danach tritt er aus und entdeckt das | |
Holocaustleugnen für sich. | |
Jahrelang, heißt es in der Familie, habe Mahler umgetrieben, wie sein | |
Vater, den er geliebt habe, überzeugter Nationalsozialist gewesen sein | |
könne. Nun bringt es Horst Mahler in Einklang: Er ist selbst einer. Es gebe | |
keinen Bruch, behauptet er heute. Ihm sei es stets um die Freiheit gegangen | |
und darum, „ein guter Deutscher“ zu sein. So legt er sich das zurecht. | |
Mahler hat noch immer seine Anhänger. Ende Mai hielten sie zuletzt | |
Kundgebungen für ihn ab in Berlin, München, Erfurt und Düsseldorf. Statt | |
der Tausenden, die in den Sechzigern mit Mahler demonstrierten, forderten | |
jetzt nur je 50 Leute seine Freiheit, allesamt Neonazis. Kein Volk, mit dem | |
sich eine Revolution machen lässt, sondern ein Völkchen Verirrter. Aber: | |
Ganz vergessen ist Mahler nicht. Als sich die AfD Sachsen-Anhalt im August | |
zu einem Russlandkongress traf, führte ein Gastredner Mahler als Beweis an, | |
dass es auch in Deutschland „politische Gefangene“ gebe. Er erntete | |
Applaus. | |
Immer wieder bekommt Mahler Briefe von Bewunderern ins Gefängnis. Von | |
„zahlreicher Korrespondenz mit Personen ähnlicher oder gleicher rechter | |
Gesinnung“ ist in JVA-Unterlagen die Rede. Mahler schreibt fleißig zurück. | |
Es ist jetzt sein Tagewerk. | |
Ein Einzelgänger sei Mahler in Haft, heißt es in den Papieren der JVA. An | |
Freizeitangeboten nehme er nicht teil, seine Aufschlusszeiten nutze er fast | |
ausschließlich zum Telefonieren. Sein Haftraum sei unaufgeräumt, er neige | |
zum Horten von Lebensmitteln. Als der Bundestag gewählt wurde, ging das | |
auch von der JVA aus. Mahler beteiligte sich nicht. Das Parlament habe | |
„unter Fremdherrschaft“ nichts zu entscheiden. | |
Die Gefängnisleitung attestiert Mahler eine „verfestigte kriminelle | |
Persönlichkeitsstruktur“. Er stehe „unbeirrt zu seiner Gesinnung“, eine | |
„Mitarbeit am Vollzugsziel ist von seiner Seite nicht gegeben“. Gespräche | |
mit dem Sozialdienst lehnt Mahler ab. Einmal wies er einen Sozialarbeiter | |
mit dem Spruch ab: „Fragen Sie den Zentralrat der Juden.“ | |
Warum kann er es nicht lassen, seinen Antisemitismus auszubreiten? Mahler | |
sagt, er lehne den Begriff ab. Und legt dann wieder los. Es gebe eine | |
„absolute Feindschaft zwischen der Judenheit und dem Deutschtum“. Er holt | |
aus, zitiert Hegel, den er seit Jahrzehnten studiert, zitiert aus dem | |
Talmud. Es gehe letztlich darum, das Deutschtum „auszulöschen“. | |
Es durchzieht das ganze Gespräch in der JVA. Die Flüchtlingseinreisen? Von | |
den Juden gesteuert. Der Krieg in Syrien? „Da stecken überall die gleichen | |
Kräfte hinter.“ Der AfD-Einzug in den Bundestag? „Ein Hoffnungsschimmer.“ | |
Aber die Partei werde bald zerstört. „Von den Juden.“ Helfen könne nur no… | |
der Führerstaat. Ein zweiter Hitler? „Im Prinzip ja.“ Von Hitler werde man | |
in 500 Jahren noch sprechen. „Die Welt hat gestaunt.“ Und der Holocaust? | |
Plötzlich wird Mahler aufbrausend. „Lassen Sie doch diese Frage! Ich | |
brauche mich darüber nicht mehr äußern.“ | |
Es ist klar: Mahler ist abgedreht, verfangen in Gedankenspiralen, die am | |
Ende bei erstaunlich plumpem Hass enden. Ein Mann, den Freund und Feind | |
einst als genialen Anwalt anerkannten. Der Hegel, Descartes und Spinoza | |
zitiert. Den die JVA-Leitung in Schriftsätzen als „sehr intelligent, | |
belesen, philosophisch argumentierend“ beschreibt. Und feststellt, dass | |
sein Judenhass eine „unerklärliche Neigung“ bleibe. | |
Dabei kennt Mahler Auschwitz sogar aus seiner Familie: Die Großmutter | |
seiner Frau Elzbieta, einer gebürtigen Polin, war in dem | |
Konzentrationslager eingesperrt. Aber nicht als Jüdin, wirft Mahler schnell | |
ein. Als Großbäuerin wegen illegalen Schlachtens eines Schweins. Elzbieta | |
Mahler äußert sich nicht: Sie führe keine Gespräche mit der Presse über | |
ihren Mann. | |
„Er tut mir leid“, sagt Otto Schily. Schily war nach Mahlers RAF-Zeit | |
dessen Verteidiger, er brachte ihm die Hegel-Gesamtausgabe ins Gefängnis. | |
Viele Jahre später wurde Schily Bundesinnenminister für die SPD, heute | |
arbeitet der 85-Jährige wieder als Anwalt. Politisch hat Schily schon lange | |
mit Mahler gebrochen. Dennoch trug er sich mit dem Gedanken, ihn in der JVA | |
zu besuchen. Er ließ es bisher bleiben. Weil er keine Lust hat, sich von | |
Mahlers Anhängern vereinnahmen zu lassen. | |
Mahlers Schicksal aber bewegt Schily. „Das Leugnen von Auschwitz ist absurd | |
und abscheulich. Aber ist wirklich etwas gewonnen, wenn wir einen | |
Verrückten für Jahre ins Gefängnis werfen?“ Die Strafe laufe völlig ins | |
Leere. Er könne die Hinterbliebenen der Holocaustopfer verstehen, die von | |
Mahlers Hetze getroffen seien, sagt Schily. Aber: „So viele Jahre Haft für | |
ein Meinungsdelikt, das ist unverhältnismäßig.“ | |
Es ist Paragraf 130 im Strafgesetzbuch, nach dem Mahler verurteilt wurde: | |
die Volksverhetzung. Bestraft wird, wer die Verbrechen der | |
Nationalsozialisten öffentlich „billigt, leugnet oder verharmlost“ – all… | |
voran den Holocaust. Strafmaß: bis zu fünf Jahre Haft. | |
Es ist nicht nur Schily, der mit dem Paragrafen hadert. Auch der | |
Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, in den Sechszigern ein Vertrauter | |
Mahlers und dessen Kollege im Sozialistischen Anwaltskollektiv, sagt, | |
Mahler tue ihm leid. „Ich bedauere, dass er so lange in Haft ist.“ Mehr | |
möchte er öffentlich nicht sagen. | |
## „Ignorieren kann man das auch nicht“ | |
Deutlicher wird Klaus Eschen, auch er einst im Anwaltskollektiv, später | |
Verfassungsrichter. Mahler sei längst nicht mehr ernst zu nehmen. „Mich | |
bedrückt, dass jemand, der in Deutschland den Holocaust leugnet, sich nicht | |
lächerlich macht, sondern bestraft werden muss. In welchen Gefahren ist | |
diese Gesellschaft?“ | |
Ulrich Preuß, auch aus dem Anwaltskollektiv, dann Richter und | |
Rechtsprofessor, sieht es anders. Auch er hält zehn Jahre Haft für ein | |
Meinungsdelikt für zu viel. Aber: „Ignorieren kann man das auch nicht. Der | |
Mann ist intelligent, er weiß, was er tut.“ Die Leugnung der Geschichte | |
könne man nicht akzeptieren. Und Mahler gehe es noch um etwas anderes: die | |
Herausforderung des Rechtsstaats. „Er will ihn bloßstellen, ihn | |
unterminieren. Das darf der Rechtsstaat nicht dulden.“ | |
Im Grunde aber teilen alle früheren Gefährten Ratlosigkeit. Was hat Mahler | |
geritten? Warum nutzte er nicht seine Chance, die Haftverschonung, und | |
hielt die Klappe? „Ich weiß mir da keinen Rat“, sagt Otto Schily. | |
Wer Horst Mahler in der JVA erlebt und hört, wie selbstgefällig er seine | |
Parallelwelt erklärt und seinen „Kampf“, bekommt eine Idee, warum der | |
einstige APO-Anführer hier sitzt. Weil ihm die Rolle gut gefällt. Weil er | |
hier den Ungebeugten geben kann, der immer noch gegen den Staat in die | |
Schlacht zieht – nun eben von rechts statt von links. Der dafür Fanpost und | |
Kundgebungen von Bewunderern erhält. Der also nicht einfach nur ein Rentner | |
ist, der in seinem Häuschen in Kleinmachnow sitzt und über den niemand mehr | |
redet. Sein Sohn Axel Mahler widerspricht dem nicht. | |
Er zögert, dann sagt er: Ja, es gebe da wohl die Sorge seines Vaters, in | |
der Öffentlichkeit nicht mehr die Rolle zu spielen wie früher. Im | |
Gefängnis, so erscheine es ihm bisweilen, fühle sich sein Vater wie im | |
Kloster, in dem er seinen Gedanken nachgehen könne. | |
Axel Mahler selbst sieht es weniger romantisch. „Meine Befürchtung ist, | |
dass er in Vergessenheit gerät und im Kerker verschimmelt.“ Der Sohn, ein | |
Informatiker, Ende fünfzig, steht hinter seinem Vater, auch wenn er sagt, | |
dass er dessen politische Mission nicht teile. Weiter will er sich dazu | |
nicht äußern. Wohl aber sagt Axel Mahler, es sei „erbärmlich“, dass sein | |
Vater wegen einer „geistigen Auseinandersetzung“ im Gefängnis sitze. | |
## Ein Opfer seiner selbst | |
Seinen Vater kennzeichne schon immer, dass er „wirklich stur“ sein könne, | |
sagt Axel Mahler. Die Familie habe dem Vater zum Innehalten geraten. „Aber | |
er war noch nie jemand, der für einen guten Rat offen ist. Er wird das | |
kompromisslos durchziehen. Es ist seine Mission.“ Und, ergänzt Axel Mahler: | |
„Sonst wäre der ganze Leidensweg ja umsonst gewesen.“ | |
Mahler, das Justizopfer? Eher ein Opfer seiner selbst. Schon 1975, während | |
seiner ersten Haftzeit, zog er das Gefängnis der Freiheit vor. Als die | |
Bewegung 2. Juni den CDU-Politiker Peter Lorenz entführte, wollte sie auch | |
Mahler freipressen. Der lehnte ab: Es brauche eine Revolution der Masse, | |
keinen Terror, um ihm Gerechtigkeit zu verschaffen. | |
Mahler hat sich in seiner Märtyrerrolle eingerichtet. Als er 2015 in Haft | |
zusammenbrach, soll er den Transport in die Klinik zuerst verweigert haben. | |
Erst seine Frau habe ihn umstimmen können. Fragt man Mahler, wie er mit der | |
Aussicht umgehe, in der JVA zu sterben, zuckt er mit den Schultern. Er habe | |
sich darüber Gedanken gemacht: „Und ich habe gesagt: Okay, trotzdem.“ Er | |
werde sich seine Meinung nicht verbieten lassen, sei mit sich im Reinen. | |
Mahler tut alles, um weiter in Haft zu bleiben. Ende Juli, zehn Wochen nach | |
seiner Flucht, ließ das Landgericht Potsdam die neue Anklage wegen | |
Volksverhetzung gegen ihn zu. Wegen seines Buchs, das er in der Haft | |
verfasste, 235 Seiten lang. | |
Von der „Holocaust-Religion“ schreibt er dort und dem Nationalsozialismus | |
als „Rettung aus der judaisierten Welt“. Als Titel wählte Mahler für sein | |
Pamphlet: „Das Ende der Wanderschaft“ und ließ es auf einem USB-Stick aus | |
der Haft schmuggeln. Dafür nahm die JVA ihm den Computer weg. | |
3 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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