| # taz.de -- Österreichischer Grüner über die Wahl: „Bei uns ist das Normal… | |
| > David Ellensoh, Klubobmann der Grünen in Wien, spricht über das | |
| > Wahldebakel seiner Partei und den Umgang der anderen mit der rechten FPÖ. | |
| Bild: Abgehängt: Österreichs Grüne nach der Wahl mit Spitzenkandidatin Ulrik… | |
| Herr Ellensohn, für die Grünen war [1][der Wahlsonntag] schon eine Zäsur. | |
| Wie haben Sie diesen Tag erlebt? | |
| Es ist mit 4,9 Prozent eingestiegen worden im TV. Irgendwann war es dann | |
| unter vier und das merkt man den Leuten natürlich an. Die Stimmung war aber | |
| erstaunlich gefasst. Um halb zehn ist dann Ulrike Lunacek gekommen. Da war | |
| schon klar: die Chancen stehen schlecht. Trotzdem gab es langanhaltenden | |
| Applaus. Die Leute sind auch nicht einfach abgehauen, stattdessen sind | |
| immer mehr gekommen. Je später es wurde. Das war einer der bittersten Tage | |
| für uns überhaupt. Und da kann man nur hoffe, dass diese Leute auch in | |
| Zukunft bleiben werden, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. | |
| War das Ergebnis absehbar oder war das ein totaler Schock? | |
| Die zweite Kategorie eher. Jetzt sagen natürlich viele: Die Umfragen waren | |
| ja schon schlecht. Aber richtig draußen waren wir eigentlich nie. Es war | |
| schon klar, dass wir vom Ergebnis von 2013 meilenweit entfernt liegen. Da | |
| muss man sich auch entschuldigen, da haben wir es offensichtlich unseren | |
| Wählerinnen und Wählern so schwer gemacht, dass sie jetzt nicht mehr unsere | |
| Wähler sind. | |
| Auf Bundeseben und auf Landesebene haben sie rund Zweidrittel der Stimmen | |
| eingebüßt. Was ist das schief gelaufen? | |
| Die Verantwortung dafür tragen die Führungsleute. Die Basis ist gerannt wie | |
| immer. Wenn du um sieben Uhr früh zum Stand gekommen bist, waren alle da. | |
| Die Führung, Leute wie ich, müssen sich dann schon fragen: Wo haben wir | |
| Fehler gemacht, dass so viele uns nicht mehr gewählt haben? Das ist bitter, | |
| das braucht man nicht beschönigen. Das ist die ultimative Katastrophe. | |
| Woran es jetzt genau lag, kann ich heute noch nicht sagen. Ich würde mir | |
| gerne die Zeit nehmen, mir alle Zahlen anzuschauen, mit allen zu sprechen. | |
| Und daraus Schlüsse zu ziehen. | |
| Sie müssen aber doch eine Meinung dazu haben. Ganz unabhängig von den | |
| Analysen. | |
| Jede neue Partei ist nicht hilfreich für die Parteien, die es schon gibt. | |
| Das ist ja logisch. Dass das jeder machen darf, ist selbstverständlich. | |
| Aber je näher eine neue Partei deinem eigenen Spektrum kommt, erschwert dir | |
| das die Bedingungen. | |
| Sie spielen auf [2][den Grünen-Abtrünnigen Peter Pilz] an, der vermutlich | |
| einige Grüne-Wähler auf seine Seite gezogen hat. Ersten Analysen zu Folge, | |
| sind aber auch viele Wähler zur SPÖ rüber gewechselt. Wie erklären Sie sich | |
| das? | |
| Das war vermutlich der Versuch, die ÖVP und die FPÖ nicht an die Regierung | |
| zu lassen. Also die SPÖ als Garant gegen Schwarz-Blau. Dass es nicht mal | |
| einen Tag dauert, bis die Sozialdemokraten sagen: Selbstverständlich | |
| sprechen wir mit den Freiheitlichen, verärgert jetzt vermutlich viele, die | |
| ihre Stimme der Sozialdemokratie gegeben haben. Das muss man sich so | |
| vorstellen, als würde die SPD mit der AfD Gespräche führen. In Deutschland | |
| wäre das unvorstellbar, das macht ja noch nicht mal die CDU. Bei uns ist | |
| das eine Normalität. | |
| Das war aber ja auch schon vorher klar, dass die SPÖ eventuell mit der FPÖ | |
| koalieren würde. Im Burgenland regiert ja bereits eine Rot-Blaue Regierung. | |
| Warum haben die Leute trotzdem SPÖ gewählt? | |
| Ich denke, die Leute fühlen sich bedroht durch einen Rechtsruck. Wir sehen, | |
| was in Ungarn passiert, in Polen. Überall erstarken die Rechten, die | |
| Rechtsextremen. Dass man sich danach sehnt, das aufzuhalten und dafür eine | |
| möglichst große Gruppe wählt, in diesem Fall die SPÖ, dafür habe ich | |
| Verständnis. Aber richtig finde ich das nicht. Das ist aber nicht die | |
| Schuld der Wähler. Wir haben unseren Job einfach nicht gut genug gemacht. | |
| Wir haben es nicht geschafft zu vermitteln, dass die Grünen auch ein Schutz | |
| gegen den Rechtsruck sein können. | |
| Voraussichtlich kommt es nun zu einer Koalition zwischen FPÖ und ÖVP. Wie, | |
| denken Sie, geht es mit Österreich weiter? | |
| Ich bin mir nicht sicher, ob es diese Koalition wird. Wahrscheinlich aber | |
| ist, dass die Freiheitlichen mit in der Regierung sitzen. Es wird jetzt ein | |
| Match zwischen Rot und Schwarz und entscheiden wird es die FPÖ. Die | |
| Freiheitlichen entscheiden am Ende wer Kanzler wird. Das ist ein Wahnsinn, | |
| aber so ist es momentan. Das letzte Mal, dass die FPÖ in Bundesregierung | |
| saß, wurden Pensionen gestrichen und das Asylgesetz verschärft. So wird es | |
| vermutlich wieder kommen. Diejenigen, den es eh schon schlecht geht, denen | |
| wird es schlechter gehen. | |
| Was heißt das zukünftig für die grünen Themen? | |
| Wer für Klimaschutz eintreten wird im nächsten Parlament, das weiß ich | |
| nicht. Wenn da antiwissenschaftliche Kräfte einziehen, liegt das Thema eh | |
| flach. Wer das Thema Frauenrechte vertreten soll, ist mir auch | |
| schleierhaft. Damit sind mir bisher weder Kurz noch Strache aufgefallen. | |
| In fünf Jahren wird wieder gewählt. Was ist der Plan bis dahin? | |
| Den Vorteil, den wir noch haben ist, dass wir in allen Landtagen vertreten | |
| sind. Wir haben tausende Anhänger und Aktivisten. Wir haben also noch viel | |
| Einfluss. Aber wir können nicht so weiter machen wie zuvor. Wir müssen nun | |
| noch mal alles neu überdenken. Personell und inhaltlich. Ein automatisches | |
| Comeback in 5 Jahren wird es nicht geben. Das ist kein Automatismus. In | |
| Österreich ist das noch nie einer Partei gelungen, die aus dem Parlament | |
| geflogen ist, wieder hinein zukommen. Was wir hier schaffen müssen, ist | |
| etwas, das es noch nie gegeben hat. | |
| 19 Oct 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gesa Steeger | |
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