# taz.de -- Katalanische Unabhängigkeit: Die Zentralregierung ist am Zug | |
> Der katalanische Präsident beantwortet die Frage, nach der Unabhängigkeit | |
> weder mit Ja noch Nein. Der Konflikt wird sich weiter verschärfen. | |
Bild: Der katalanische Präsident Carles Puigdemont setzt auf Verhandungen | |
MADRID taz | Weder Ja, noch Nein. Der katalanische Präsident Carles | |
Puigdemont hat die Frage, ob er denn nun am vergangenen Dienstag vor dem | |
Autonomieparlament die Unabhängigkeit erklärt habe, oder nicht, mit einem | |
zwei Seiten langen Schreiben geantwortet. „Die Situation, die wir | |
durchleben ist von solcher Tragweite, dass sie nach politischen Antworten | |
und Lösungen verlangt, die auf der Höhe sind“, beginnt Puigdemont sein | |
Brief. Die Mehrheit der Gesellschaft und auch Europa würde das von den | |
beiden Konfliktparteien erwarten. „In diesem Sinne hat es mich überrascht, | |
dass sie in ihrem Schreiben vom vergangenen 11. Oktober den Willen der | |
Regierung ankündigten, den Artikel 155 der Verfassung anzuwenden“, erklärt | |
der Präsident der katalanischen Autonomieregierung „Generalitat“. | |
Dieser Paragraph in dessen Rahmen Rajoys Anfrage gestellt wurde, sieht vor, | |
die Autonomiebefugnisse einer rebellischen Region komplett außer Kraft | |
zusetzen und die Region von Madrid aus zu regieren. Auch eine Festnahme | |
hoher Vertreter der Autonomieregierung – in diesem Falle Puigdemont – ist | |
möglich. Puigdemont hatte bei seiner Rede vom Dienstag zwar die | |
Katalanische Republik angekündigt, dies aber sofort wieder ausgesetzt, um | |
dem Dialog eine Chance zu geben. | |
„Unser Vorschlag für einen Dialog ist ernst gemeint“, beteuert er jetzt | |
erneut. Puigdemont fordert außerdem, dass Madrid die „Repression“ gegen das | |
katalanische Volk einstellt. Er verurteilt scharf die Polizeigewalt und das | |
juristische Vorgehen gegen die Volksabstimmung über Unabhängigkeit am 1. | |
Oktober, die trotz Verbot durch das Verfassungsgericht abgehalten wurde. | |
„Lassen wir nicht zu, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Ich | |
bin sicher, dass wir mit gutem Wille, der Anerkennung des Problems und mit | |
einem klaren Blick einen Weg zur Lösung finden können“, endet das | |
Schreiben. | |
Aus Madrid kam auch zugleich eine Antwort: Es wurde eine neue Frist | |
gesetzt. Carles Puigdemont müsse bis Donnerstag klarstellen, dass er keine | |
Unabhängigkeit ausgerufen habe, sagte die stellvertretenende | |
Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria in Madrid. Jeder Dialog | |
müsse im Rahmen der Gesetze stattfinden. Die Haltung der Zentralregierung | |
werde zudem von einem Großteil des Parlamentes gestützt, fügte die | |
Politikerin hinzu. | |
Bereits vor dem Wochenende hatte Innenminister Juan Ignacio Zoido gewarnt, | |
dass Puigdemont mit „Ja oder ein Nein“ antworten müsse. – „Wenn er mit | |
einem Ja antwortet, wird er sich außerhalb des Gesetzes stellen.“ Und falls | |
Puigdemont abermals ausweiche, gehe Madrid davon aus, “dass die | |
Unabhängigkeit erklärt worden ist“. | |
In beiden Fällen werde die Zentralregierung „Maßnahmen ergreifen müssen“. | |
Dann komme der Artikel 155 der spanischen Verfassung zur Anwendung mit dem | |
die Autonomie Kataloniens außer Kraft gesetzt werden kann, um die Region | |
direkt von Madrid aus zu regieren. Diese Entscheidung ist jetzt nochmals um | |
drei Tage verschoben worden. | |
## Ein Dialog ist nicht in Sicht | |
Nicht spricht bisher dafür, dass Rajoy doch noch einlenkt und einem Dialog, | |
eventuell auch unter internationaler Vermittlung, zustimmt. Denn der | |
Katalonienkonflikt kommt dem Konservativen gerade recht. Seit über die | |
Unabhängigkeit gesprochen wird, sind die Korruptionsskandale, die Dutzende | |
von Gerichtsverfahren gegen ranghohe Mitglieder seiner Partei und Regierung | |
sowie die Sozialkürzungen vergessen. Die spanische Fahne und die Welle des | |
Patriotismus, die das Land ergriffen hat, überdeckt alles. | |
Rajoy wird deshalb wohl mit dem vorgesehen Fahrplan weitermachen. Er wird | |
bis Donnerstag warten. Lenkt Puigdemont bis dahin nicht ein, wird der Senat | |
über die Anwendung des Artikels 155 beraten. | |
In dieser zweiten Kammer des spanischen Parlaments hat Rajoys Partido | |
Popular (PP) die absolute Mehrheit und kann ausserdem auf die Unterstützung | |
der sozialistischen PSOE und der rechtsliberalen Ciudadanos (C's) setzen. | |
Eine Verschärfung des sozialen Konflikts mit Massenmobilisierungen, Streiks | |
und Blockaden ist vorprogrammiert. | |
16 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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