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# taz.de -- Madiatorin über Energiewende-Streit: „Das ist alles ernstzunehme…
> Bei neuen Windparks mehren sich die Konflikte mit Anwohnern und
> Naturschützern. Es gebe aber auch Lösungen, sagt Mediatorin Bettina
> Knothe.
Bild: Die Windräder wachsen, die Proteste auch. In beiden Fällen helfen Exper…
taz: Frau Knothe, in der Eifel, im Odenwald, im Teltow-Fläming-Kreis
protestieren Bürger_innen aktuell gegen Windanlagen in ihrer Nachbarschaft.
Und das sind nur drei willkürlich ausgesuchte Beispiele. Was ist da los?
Bettina Knothe: Als die Pioniere der Erneuerbaren vor Jahren die ersten
Anlagen errichtet haben, hieß es: Endlich, Windräder! Raus aus der
Atomkraft! Windenergie war eine verheißungsvolle Technologie. Es gab nicht
nur wenig Widerstand, sondern meist viel Befürwortung – von den Kommunen
und Regionen und von den Menschen, die dort leben. Weil das so gut lief,
passierte auch viel – zu Recht. Aber die bebaubaren Flächen wurden weniger
und kleiner. Jetzt gibt es eben auch Menschen, die sagen: Stopp, mehr
wollen wir nicht oder zumindest so nicht.
Das heißt, die Energiewende geht den Leuten zu weit?
Das hat in den allermeisten Fällen nichts mit der Energiewende an sich zu
tun. Vielmehr wird es ein Problem, wenn ein Projekt vor der eigenen Haustür
verwirklicht werden soll.
Was bedeutet das?
Es gibt viele Gründe, gegen eine Windanlage zu sein: persönliche Besorgnis
oder Ängste. Häufig wissen die Menschen nicht, mit welchen Auswirkungen sie
zu rechnen haben: Verliert das eigene Grundstück an Wert, wird der Wald
zerstört, verursachen Lärm oder Infraschall gesundheitliche Probleme? Das
sind alles ernst zu nehmende Anliegen.
Was ist mit Naturschutz? Von Artenschützern hört man, Vögel oder
Fledermäuse würden in den Rotoren geschreddert. Windenergiebefürworter
behaupten, Tierleichen würden extra unter den Windrädern abgelegt.
Auch das treibt die Menschen um. Es gibt natürlich Schlagopfer – Vögel und
Fledermäuse, die mit Rotorblättern kollidieren. Manchmal auch, obwohl
Gutachter grünes Licht für das Projekt gegeben haben. Es ist nicht leicht,
ein starres technisches Konzept mit den dynamischen Vorgängen in der
Tierökologie oder der Landschaftsökologie zu vereinbaren. Da gibt es noch
Forschungsbedarf. Anwohner_innen haben oft ein großes lokales Wissen. Sie
kennen die Orte, wo Rotmilane sind, Mäusebussarde brüten. Und ob tote Vögel
irgendwo hingelegt werden? Dazu haben wir keine gesicherten Informationen.
Ist die Situation nicht schon völlig verfahren, wenn so ein Vorwurf im Raum
steht?
Ja, dann ist im Vorfeld etwas schiefgelaufen. Diese Konflikte kommen oft
von Personen, die sagen, die ganze Planung ist an uns vorbeigegangen. Sie
sind frustriert, verärgert über die Firma oder die Kommune. Manchmal haben
sie Informationen von Dritten, die sie interpretieren, ohne genau zu
wissen, wie der Prozess bis dahin tatsächlich gelaufen ist. Wenn daraus
Anschuldigungen und Widerstände entstehen, wäre das ein Thema für eine
Moderation oder auch Mediation.
Wie finden Sie heraus, was stimmt?
Das muss ich gar nicht. Ziel ist es herauszubekommen, was der Kern des
Konflikts ist, was alles mit hineinspielt – das können die Ängste, Sorgen
und unterschiedlichen Einschätzungen sein, aber auch persönliche
Streitigkeiten. Ich würde fragen: Wann haben Sie wo was gesehen, was bringt
Sie zu der Annahme, dass …? Darum geht es in einer Mediation: die Dynamik
des zumeist öffentlichen Schlagabtauschs zu unterbrechen, das
Übereinanderreden zu beenden und stattdessen gemeinsam herauszufinden, was
ist dran an dieser Aussage: Da liegt ein toter Vogel.
Wann braucht man überhaupt eine Moderation?
Wir bemühen uns um frühzeitigen Kontakt auch zu Planungsbehörden, um dort
dafür sensibilisieren zu können, wie wichtig es ist, frühzeitig
Interessengruppen über das formale Verfahren hinaus einzubinden. Wenn man
wartet, bis es zu einem öffentlichen Streit oder Protesten gegen eine
geplante Anlage gekommen ist, sind leider viele Verfahrensschritte bereits
definitiv abgeschlossen: Mögliche Eignungs- und Vorranggebiete sind im
Raumordnungsverfahren, in den Regional- und in den Projektplänen vor Ort
untersucht und festgelegt worden, begleitet von formalen
Beteiligungsprozessen. Es gab also bereits formale Stellungnahmen,
Einwände, die Abwägung des Vorhabenträgers und so weiter.
Werden diese Beteiligungsmöglichkeiten zu wenig genutzt?
Es gelingt nicht immer, die Öffentlichkeit informiert zu halten. Und wer
kennt schon die Einspruchsfristen? Die Naturschutzverbände sind da zumeist
gut aufgestellt und leisten auf Landesebene sehr qualifizierte Beiträge.
Die Anwohner_innen dagegen erfahren von einer geplanten Maßnahme manchmal
erst, wenn der Projektträger einen Genehmigungsantrag bei der Kommune
stellt. Dann ist das Vorhaben schon gut abgesichert, es gibt vielleicht
schon Pachtverträge mit den Landeignern – da ist es dann rein rechtlich
betrachtet einfach schon sehr spät.
Kann man dann überhaupt noch etwas erreichen?
Ja, aber dann geht es nicht mehr darum, ob bestimmte Flächen genutzt
werden, sondern nur noch wie. Hier kann eine Moderation oder Mediation
helfen, einen informellen Beteiligungsprozess zu strukturieren, auch um dem
Gefühl der Ohnmacht und des Nicht-Gehört-Werdens entgegenzuwirken.
Ist das dann mehr als Schönfärberei?
Nicht, wenn es wirklich den Raum dazu gibt, mit zu entscheiden, wie stark
die Flächen genutzt werden, wie hoch und leistungsstark die Anlagen sind,
wie sie positioniert werden, wie dicht, in welchem Abstand etwa zu
Ansiedlungen oder Horstplätzen von Vögeln. Oder auch, welche technischen
Schutzkonzepte beispielsweise durch Abschaltzeiten der Anlage für bedrohte
Vögel oder Fledermäuse oder zur Vermeidung von Schattenwurf eingesetzt
werden müssen; wie man Lärm- und andere Belastungen minimieren kann. Sehr
wichtig für die Akzeptanz sind auch Ausgleichsmaßnahmen: Jeder Eingriff in
die Natur muss ja ökologisch ausgeglichen werden. Durch Neupflanzungen etwa
oder neue Schutzgebiete oder Ausweichquartiere für bestimmte Tierarten.
Wenn meine Lieblingswiese zugestellt wird, bekomme ich ein neues
Naherholungsgebiet?
Ich weiß von einem Konzept in Rheinland-Pfalz, wo der Projektträger für
eine landschaftlich reizvolle Fläche in der Nähe eines Windparks mit der
Gemeinde zusammen ein neues touristisches Konzept entwickelt hat. Dazu
gehörten ein Lehrpfad mit Ausstellung im örtlichen Heimatmuseum sowie die
Errichtung einer Hängeseilbrücke als touristische Attraktion.
Kann es auch Geld als Kompensation geben?
Alles ist möglich, wenn es unter den Beteiligten ausgehandelt wird.
Manchmal bietet der Vorhabenträger eine Beteiligung an den Windanlagen an
oder Spareinlagen, oder er bietet für einige Anlagen spezielle
Kooperationsangebote an, um sie als Bürgerenergieprojekte zu betreiben.
Wen laden Sie zu den Moderations- oder Mediationsprozessen ein?
Das kommt auf den jeweiligen Fall an. Bürgermeister, Oberbürgermeisterin,
Vertreter_innen der Genehmigungsbehörde, Gemeinde- und Stadträte im kleinen
Kreis, den Vorhabensträger. Dann geht es vor allem auch darum, diejenigen
in einen öffentlichen Diskurs mit einzuladen, die vielleicht erst mal eher
nichts sagen, aber über ein beträchtliches lokales Wissen verfügen und auch
ein Interesse an der Entwicklung und den Belangen ihrer Gemeinde haben.
Mehr Menschen in den Diskurs einzuladen sorgt dafür, dass die Diskussion
breiter und differenzierter wird.
Wer bestellt eine Moderation oder Mediation? Der künftige
Windparkbetreiber?
Das müssen die Akteure gemeinsam überlegen. Auch: Wer bezahlt das?
Theoretisch kann das ein Vorhabenträger sein. Er könnte das Geld sicher und
vielfach auch gerne bereitstellen. Allgemein akzeptiert ist ein Moderator
oder eine Mediatorin aber sicherlich dann, wenn sie die Kommune oder
Gemeinde engagiert.
Was kostet das dann?
Für ein komplettes Verfahren der Mediation mit Vorgesprächen, gemeinsamen
Sondierungsgesprächen im Vorfeld oder auch während des Verfahrens sollten
möglichst zwei professionelle Mediator_innen bereitstehen. Dies gibt die
Möglichkeit, Sitzungen von 4 bis 6 Stunden aufmerksam, konzentriert und den
Bedarfen der Konfliktparteien angemessen zu moderieren. Jedes Verfahren ist
aber so individuell, dass hier eine Kostenschätzung mit konkreten Zahlen
unseriös wäre. Das Geld wert ist es in jedem Fall.
Und was kostet es, wenn ein Bauvorhaben kurz vor dem Ziel noch wegen
anhaltender Widerstände gestoppt oder der Prozess komplett neu aufgerollt
werden müsste?
Ziemlich sicher bedeutend mehr als eine professionelle Mediation.
11 Jan 2018
## AUTOREN
Beate Willms
## TAGS
Windkraft
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Naturschutz
Schwerpunkt Artenschutz
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