# taz.de -- Weniger Geld für Islamverband Ditib: Emanzipation von Erdoğan | |
> Die Bundesregierung dreht Ditib und dem Zentralrat der Muslime den | |
> Geldhahn zu. Stattdessen sollte ein liberaler Islam gefördert werden. | |
Bild: Von Erdoğan abgewandt? Ditib-Projekte, die sich vom Einfluss der Türkei… | |
BOCHUM taz | Die Position des aus dem Bundestag ausscheidenden | |
religionspolitischen Sprechers der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, | |
[1][ist deutlich]: Die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden wie dem | |
Dachverband der türkisch-islamischen Moscheegemeinden, Ditib, dem | |
Zentralrat der Muslime und [2][Milli Görüs] müsse grundsätzlich überprüft | |
werden. Die würden „[3][aus dem Ausland“ gesteuert], sagte der | |
LGBT-Aktivist seiner Heimatzeitung, dem Kölner Stadtanzeiger. | |
Aktuell sei unklar, mit wem wirklich verhandelt werde, „wenn es um | |
Projektförderung, Seelsorge, Islam-Unterricht und gar die Anerkennung als | |
Körperschaft des öffentlichen Rechts“ gehe, sagt Beck – und macht so klar, | |
das er die Vertreter von Ditib und Zentralrat für Marionetten hält. | |
Vor allem Ditib war in den vergangenen Monaten verschärft in die Kritik | |
geraten: Der Organisation mit Hauptsitz in Köln-Ehrenfeld wird vorgeworfen, | |
von der Regierung des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan abhängig | |
zu sein. Ditib-Imame werden von der türkischen Regierung bezahlt – und die | |
nutzt die Geistlichen offenbar [4][als ihren verlängerten Arm] in der | |
Bundesrepublik, macht Druck auf den liberalen Ditib-Flügel. | |
Erdoğan-Kritiker gelten schnell als Anhänger der in der Türkei verbotenen | |
Gülen-Bewegung. Sie klagen über Bespitzelung, werden zur Rückkehr in die | |
Türkei aufgefordert. | |
Dem Zentralrat werden dagegen Nähe zur islamistischen Muslimbruderschaft, | |
Milli Görüs antisemitische Tendenzen und ein nationalistisches, | |
demokratiefeindliches Staatsverständnis vorgeworfen – „Milli Görüs“ | |
bedeutet „Nationale Sicht“. | |
## Bereits Bewilligtes wird weiter finanziert | |
Die Bundesregierung erhöht deshalb aktuell den Druck auf die Verbände – und | |
dreht Ditib und dem Zentralrat den Geldhahn zu. Im laufenden Jahr sein noch | |
kein einziger Ditib-Antrag auf Förderung bewilligt worden, so ein Sprecher | |
des CDU-geführten Bundesinnenministeriums. | |
Die Folge: Flossen 2017 noch 1,47 Millionen Euro in Ditib-Projekte vor | |
allem zur Unterstützung von Geflüchteten, werden es im kommenden Jahr nur | |
noch 300.000 Euro sein. 2016 lag die Förderung bei 3,27 Millionen Euro, so | |
die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Auch die | |
Unterstützung für Projekte des Zentralrats der Muslime wird von einer | |
Million Euro in 2017 auf 100.000 Euro in 2018 drastisch beschnitten. | |
Bereits bewilligte Projekte werden aber weiter finanziert. Der amtierende | |
CDU-Innenminister Thomas de Maizière will das ausdrücklich als Signal an | |
den liberalen Ditib-Flügel verstanden wissen: Die noch laufenden Zahlungen | |
seien als „positive Impulse in Richtung der geforderten und notwendigen | |
Ablösung Ditibs von der Türkei“ zu werten, so ein Ministeriumssprecher in | |
schönster Offenheit. Auch die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens hat | |
Verhandlungen über eine Anerkennung der Muslim-Verbände als staatlich | |
geförderte Religionsgemeinschaften bereits im Frühjahr gestoppt. | |
Schnell Aufgehen dürfte dieses Konzept der Förderung nur bei einer | |
Emanzipation von Erdoğan & Co. allerdings nicht. Ditib-Generalsekretär | |
Bekir Alboga schäumt bereits: auch nur der Verdacht einer Nähe zur | |
türkischen Regierung sei eine „Absurdität“. | |
## Jetzt kommt es auf die künftige Bundesregierung an | |
Dazu kommt: Natürlich gibt es liberale Muslime, die tief in der | |
bundesrepublikanischen Kultur verankert sind, die Deutschland und seine | |
Sprache im Gegensatz zu den üblicherweise nur für fünf Jahre entsandten | |
Ditib-Imamen als Heimat auch im neugrünen Sinn begreifen. Organisatorisch | |
stark sind sie aber nicht, wie zuletzt [5][die geringe Resonanz] auf die | |
Friedensdemo des Liberal-Islamischen Bundes im Juni in Köln gezeigt hat. | |
Interessant bleibt, ob die künftige Bundesregierung den Mut hat, nicht nur | |
bei Ditib und Zentralrat zu kürzen – sondern gerade diesen liberalen Islam | |
auch gezielt finanziell zu fördern. | |
6 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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