# taz.de -- Liberale Moschee von Seyran Ates: Solidarität nach den Morddrohung… | |
> Konservative Muslime hetzen gegen die Imamin der | |
> Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee. Ates berichtet von Morddrohungen, aber auch | |
> von viel Zuspruch. | |
Bild: Grünen-Spitzenkandidat Özdemir am Dienstag beim Besuch bei Seyran Ates | |
Die Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee liegt gut versteckt. Ein kleines Schild an | |
einer Seitentür der evangelischen Kirche St. Johannis in Moabit weist den | |
Weg in ein unscheinbares Treppenhaus, von dessen Wänden gelbe Farbe | |
blättert. In der ersten Etage gibt es das Begegnungscafé, in der zweiten | |
den Jugendraum. In der dritten stockt der Verkehr: Rund zwei Dutzend | |
Journalisten ziehen am Dienstagvormittag auf der engen Treppe ihre Schuhe | |
aus, drängen anschließend in den frisch renovierten, nur mit einem weißen | |
Regal und wenigen Stühlen möblierten Gemeinderaum. | |
Auf dem flauschigen weißen Teppich steht Seyran Ateş, Imamin und Gründerin | |
der Moschee, und berichtet von Diffamierungen, Morddrohungen und Angst. | |
„Die regierungsnahen türkischen Medien berichten, dass wir Gülen seien, | |
Terroristen, pervers“, erzählt sie. | |
Auch der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib hetze gegen sie. Viele | |
Muslime hätten ihr gesagt, dass sie gern kommen würden, aber sich nicht | |
trauten, solange Medienvertreter zum Freitagsgebet kämen und Fotos machten. | |
Sie hätten Angst, in der Türkei als vermeintliche Gülen-Anhänger | |
Schwierigkeiten zu bekommen – tatsächlich seien Moschee-Besucher bereits | |
von türkischen Verwandten mit empörten Anrufen „bombardiert“ worden. Ab | |
kommendem Freitag sollen daher keine Medien mehr zur Gebetsstunde | |
zugelassen werden, so Ateş. | |
Die Gründung der liberalen Moschee Mitte Juni hat national wie | |
international für Aufsehen gesorgt. Die nach dem islamischen Aufklärer Ibn | |
Ruschd benannte Moschee hat – in Deutschland einmalig – auch weibliche | |
Vorbeterinnen. Hier können Frauen gleichberechtigt und ohne Kopfbedeckung | |
mit Männern beten, die Gemeinde steht MuslimInnen aller Glaubensrichtungen | |
und ausdrücklich auch LGBTI-Menschen offen. | |
Dafür wurde sie unter anderem von der türkischen Religionsbehörde Diyanet | |
scharf kritisiert. Deren Direktor sprach von einem „Versuch zur | |
Verfälschung der Religion“ und rückte die Moschee in die Nähe der von der | |
türkischen Regierung als Terrororganisation verfolgten Gülen-Bewegung. Das | |
ägyptische Fatwa-Amt, für viele Muslime eine wichtige Autorität, nannte die | |
„gemischten Gebete“ einen „klaren Verstoß gegen die Regeln des Islam“. | |
Ateş, die mit der Gründung die Entwicklung eines aufgeklärten, liberalen | |
Islam in Europa befördern will, erhält seitdem nach eigener Auskunft | |
massive Morddrohungen und wird rund um die Uhr polizeilich bewacht. „Ich | |
bin häuslicher geworden“, erzählt sie, alleine Einkaufen oder ins Kino | |
könne sie derzeit nicht. „Aber ich leide nicht, ich bekomme so viel | |
Zuspruch von überall.“ Daher sei sie sicher, „wenn das Medieninteresse | |
nachlässt, werden die Massen kommen. Das ist eine große Bewegung, darum | |
haben die anderen Angst.“ | |
Zu „den anderen“ gehören etwa die islamischen Verbände in Deutschland wie | |
Ditib, Mili Görüş, Ahmadiyya. Von ihnen habe sie bislang keine | |
Unterstützung erfahren, so Ateş. „Unsere historisch-kritische Lesart des | |
Koran kommt für sie nicht in Betracht.“ | |
Einzig Vertreter der benachbarten Mili-Görüş-Gemeinde hätten sie kürzlich | |
besucht. Am Ende der Diskussion habe zumindest einer der drei Herren | |
verstanden, „dass wir eine Lücke füllen und Leute ansprechen, die sie nicht | |
erreichen.“ Diese Art des Dialogs mit anderen islamischen Richtungen sei | |
das, was ihr vorschwebe. Aber bislang gebe es sonst keinerlei direkte | |
Kontakte. | |
Solidarität erhält Ateş dagegen am Dienstag von Grünen-Chef Cem Özdemir, | |
der von AKP-nahen türkischen Medien ebenfalls als Gülen-Freund diffamiert | |
wird. „Wer hierher kommt, muss sich sicher fühlen“, erklärt Özdemir. Er | |
wünsche sich mehr Druck seitens der Bundesregierung auf den türkischen | |
Präsidenten Erdoğan. „Es kann nicht sein, dass Leute hier Angst haben vor | |
seinem langen Arm.“ | |
4 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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