| # taz.de -- Zeitschriftenmarkt in Kuba: Lifestyle statt Politik | |
| > Neu gegründete Magazine versuchen, das Angebot in Kuba diverser zu | |
| > gestalten. Doch ihr Vertrieb liegt in einer rechtlichen Grauzone. | |
| Bild: Nur digital: die Cover der neuen Zeitschriften | |
| Kuba taz | Auf einer Reise nach Barcelona hatte Robin Pedraja die Idee, | |
| eine eigene Zeitschrift zu gründen. So entstand 2014 [1][Vistar], ein | |
| Magazin über Kubas High Society und Kultur. Inspiriert von diesem Projekt | |
| begannen andere Gruppen, ihre eigenen Publikationen auf den Markt zu | |
| bringen. Das Erstaunlichste an den neuen Zeitschriften ist wohl ihr | |
| Vertriebsweg. | |
| Obwohl viele von ihnen auch eine Webseite haben, erreichen sie die Menschen | |
| vor allem über das Paquete Semanal, das „wöchentliche Paket“. Eine digita… | |
| Zusammenstellung von Videos, Musik, Software und anderen Inhalten, die über | |
| externe Festplatten und USB-Sticks weitergegeben werden. Angesichts des | |
| mangelhaften Zugangs zum Internet ist es die einfachste Form, die | |
| kubanischen Bürger zu erreichen. | |
| Die neuen Publikationen entstehen aus der Notwendigkeit einer | |
| vielfältigeren Presse. Fotografie, Celebritys, Lifestyle, Mode und | |
| Vermischtes – Themengebiete, die seit Jahrzehnten nicht in den offiziellen | |
| Medien vorkommen und heute auf ein großes Publikum treffen. | |
| Ein weiterer gemeinsamer Nenner der neuen Projekte: Sie vermeiden heikle | |
| Themen. „Keine Politik“, betont Robin, der Kreativdirektor von Vistar. Ein | |
| Weg, sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Denn bislang sind die über | |
| 15 Zeitschriften, die über das Paquete vertrieben werden, in einer | |
| rechtlichen Grauzone. Artikel 53 der Verfassung legt fest, dass sich | |
| Kommunikationsmedien nicht im Privatbesitz befinden dürfen. | |
| Doch auch der Staat hält sich nicht an alle Regelungen der Verfassung, und | |
| es ist ohnehin von einer Verfassungsreform die Rede. Der Weg, diese | |
| Zeitschriften legal zu vertreiben, wäre ihre Registrierung als regelmäßige | |
| Publikation. Aber dazu müsste der Herausgeber eine juristische Person sein | |
| – und genau das ist rechtlich unmöglich. | |
| Um wenigstens eine gewisse Sicherheit zu haben, haben sich einige Magazine | |
| wie [2][Play-Off] und Vistar über Bekannte aus dem Ausland eine ISSN-Nummer | |
| besorgt. All das zeigt einmal mehr, wie dringend auf der Insel ein neues | |
| Mediengesetz gebraucht wird. | |
| ## Plurale Stimmen in der Bevölkerung | |
| Trotz alledem wächst die öffentliche Bedeutung der neuen Medien. | |
| Kommunikationswissenschaftlerin Amalia Ramos untersucht das Phänomen der | |
| neuen Zeitschriften und markiert die Existenz dieser Publikationen als | |
| Wendepunkt in der kubanischen Medienlandschaft: „Trotz ihrer möglichen | |
| Mängel, die verständlich sind, weil sie die Ersten sind, die etwas Neues | |
| ausprobieren, sind die Redaktionen eine Avantgarde. Sie stehen für | |
| Innovation, Kreativität und plurale Stimmen in der Bevölkerung.“ | |
| Pedraja hat sich beim Design seiner Zeitschrift vom Rolling Stone | |
| inspirieren lassen. Mutiges Design, bunte Farben, der Einsatz von | |
| Fotografie und Werbeanzeigen. Das Design steht im scharfen Kontrast zu den | |
| traditionellen Schwarzweißpublikationen in Kuba. Herausgekommen ist eine | |
| Art tropische Cosmopolitan. | |
| Die neuen Magazine sind Nebenprodukte aufstrebender Sektoren der heutigen | |
| kubanischen Gesellschaft. Kleine Privatbetriebe müssen konkurrenzfähig | |
| sein. Sie schalten Werbung in den neuen Medien, wovon diese sich | |
| finanzieren können. | |
| Hinzu kommt die ausgedehnte Nutzung der Technologie: Der Zugang zu | |
| Computern, Kameras und Software ist vergleichsweise einfach. „Vermutlich | |
| brauchte man in den 1980ern eine Menge Dinge, um Journalismus zu machen, | |
| aber heute brauchen wir eigentlich nicht einmal ein Büro, sondern einfach | |
| irgendeinen Ort, wo man ein paar Sachen besprechen kann“, sagt Paula, eine | |
| Redakteurin. | |
| ## Der Markt ist umkämpft | |
| Die Zeitschriften werden in Kuba auch häufig kritisiert: Sie seien frivol, | |
| fern von der nationalen Identität und nur auf Profit aus. Einige Projekte | |
| sind schon wieder gestorben, wie Pretexto, Esprint, Venus. „Der Markt ist | |
| umkämpft: Die Besten und Stärksten bleiben“, kommentiert eine | |
| Hochschullehrerin der Fakultät für Kommunikation, die anonym bleiben | |
| möchte. | |
| Experten beobachten bei den neuen Magazinen gewisse Parallelen zu etwas, | |
| das sie „kubanische Zeitschriftentradition“ nennen. Seit der Kolonialzeit | |
| hat die Mehrzahl der Bewegungen oder sozialer, politischer oder kultureller | |
| Gruppierungen ihre eigenen Zeitschriften gehabt. Und genau wie heute waren | |
| sie Ausdruck eines historischen Moments. | |
| Das Design der Vista legt nahe, dass es als Printmagazin erscheinen soll. | |
| Doch bis ein zukünftiges Kommunikationsgesetz die neuen Publikationen | |
| miteinbezieht, müssen sie weiterhin halblegal vertrieben werden. | |
| Doch klar ist auch: Die Szene wird wachsen, weitere Zeitschriften werden | |
| den Markt in Kuba bunter, mutiger und vielfältiger machen. | |
| Übersetzung von Bernd Pickert | |
| 12 Oct 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://vistarmagazine.com/ | |
| [2] http://www.playoffmagazine.com/ | |
| ## AUTOREN | |
| Eileen Sosin Martínez | |
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