# taz.de -- SPD NACH DER WAHL: Für Müller wird es eng | |
> Die Koalition ist uneins, die Themen der SPD sind unklar, und Frontmann | |
> Michael Müller kann das nicht mit seiner Ausstrahlung wettmachen. | |
Bild: Es gab schon bessere Tage: Michael Müller verfolgt am 28. September im A… | |
Volksentscheid verloren, Bundestagswahl verloren, in der Abrechnung hinter | |
den kleineren Koalitionspartner Linkspartei gerutscht: Es sind keine guten | |
Tage für SPD-Landeschef Michael Müller. | |
Seine Misere hat aber nicht erst am 24. September begonnen. Nicht nur die | |
Opposition, sondern auch Medien bemängeln inzwischen, Müller sei ein | |
„Regierungschef auf Abruf“ geworden – zu Recht. Denn Müller hat in seiner | |
rot-rot-grünen Koalition bislang ein zentrales Problem nicht lösen können: | |
mit der SPD Politik für die ganze Stadt machen zu wollen, wenn die | |
vermeintlichen Partner, vor allem die Linkspartei, in erster Linie ihre | |
Klientel im Blick haben. | |
Nimmt man die Bundestagswahl, aber auch die jüngsten Umfragen auf | |
Landesebene als Maßstab, so kommt diese Klientelpolitik auf bestürzende | |
Weise nicht nur gut an, sondern deutlich besser als der breitere Ansatz der | |
Sozialdemokraten, der sich bislang im Begriff Volkspartei ausdrückte: nur | |
17,9 Prozent für die SPD am vergangenen Wahlsonntag, 18,8 Prozent für die | |
Linkspartei. Wäre jetzt Abgeordnetenhauswahl, läge die SPD zwar vorn – aber | |
nur zwei Prozentpunkte statt sechs wie vor einem Jahr. | |
Eine Bausenatorin von der Linkspartei, die sich trotz aller Verabredungen | |
im Koalitionsvertrag mehr darum kümmert, jetzige Mieter zu schützen und | |
Verdichtung zu verhindern, statt die vereinbarten neuen Wohnungen für all | |
jene bauen zu lassen, die in die Stadt drängen. Grüne, die den Radverkehr | |
zum Maß aller Dinge machen und dabei vergessen, dass sich das Radfahren | |
nicht gesetzlich verordnen lässt. | |
Die Berlinpartei sein zu wollen, hatte die SPD stets für sich reklamiert. | |
Ihre Botschaft: Nur sie wisse, wie die Stadt funktioniert, wie kleine Leute | |
denken. Inzwischen glauben viele dieser kleinen Leute offenbar, dass die | |
AfD sie besser versteht. Und im linken Lager fehlt oft die Zuspitzung, da | |
nerven die Mittelwege der SPD, da begeistert die klare Kante der | |
Linkspartei: Umverteilung und keine Kriegseinsätze. | |
Eine Koalition, die nicht an einem Strang zieht, SPD-Themen, die offenbar | |
nicht klar genug sind. Und ein Frontmann, der das nicht durch überragende | |
Ausstrahlung wettmachen kann. Das ist die Lage, in der sich Müller und die | |
Berliner SPD befinden. | |
Das hat schon etwas Bedrückendes an sich. Denn wer Müller regelmäßig | |
erlebt, der bekommt mit, dass er sich müht, dass er durchaus nicht die Lust | |
verloren hat. Und fraglich ist, ob all jene, die jetzt da und dort als | |
mögliche Nachfolger genannt werden, es denn besser könnten. Raed Saleh, der | |
Fraktionschef, den die SPD-Mitglieder bei ihrer Urabstimmung 2014 am | |
allerwenigsten als neuen Regierungschef sehen wollten. Andreas Geisel, der | |
vormalige Bau-, jetzt Innensenator, anfangs als Bauarbeiter und nach oben | |
gestolperter Bezirksstadtrat verspottet. Oder Franziska Giffey, die | |
Neuköllner Bürgermeisterin, Zögling ihres Vorgängers Heinz Buschkowsky. Die | |
hat nun zumindest öffentlich Zweifel an Müllers Doppelamt als Senatschef | |
und Parteichef geäußert – vielleicht um sich selbst ins Spiel zu bringen? | |
Müllers Pech ist, dass sich die Können-die’s-besser-Frage nicht stellt, | |
genauso wenig wie bei einem guten, aber in der Ligatabelle nicht | |
erfolgreichen Fußballtrainer. Der SPD bleibt nur die Methode „trial and | |
error“ und die Hoffnung, dass ein Wechsel kein „error“ wird. Kommt sie | |
nicht binnen der nächsten Monate aus ihrem Tief heraus, muss sie ihm nahe | |
legen, die Spitze frei zu machen. | |
Ein neuer Mann, eine neue Frau, sie wären auch weniger unter Druck in | |
Sachen Tegel. Denn auch wenn Müller nun erste Schritte angekündigt hat, | |
zumindest formell dem Auftrag des Volksentscheids nachzukommen – er bleibt | |
eine Riesenzielscheibe für die Opposition. Sein Gesicht und sein Name sind | |
viel mehr als bei jedwelchem Nachfolger mit der Flughafendebatte verknüpft. | |
Die neue Spitzenfigur, sie hätte bis zum nächsten Wahlkampf gut drei Jahre | |
Zeit zu reüssieren – oder ähnlich zu scheitern wie Müller. Viel zu | |
verlieren hat die SPD als Kaum-noch-20-Prozent-Partei sowieso nicht mehr. | |
Dieser Text ist Teil des aktuellen Wochenendschwerpunkts der Printausgabe | |
der taz.berlin. Darin außerdem: Wie die Linkspartei es schafft, neue Wähler | |
zu mobilisieren. | |
29 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
SPD Berlin | |
Michael Müller | |
Franziska Giffey | |
Volksentscheid Tegel | |
Michael Müller | |
Flughafen Tegel | |
Ergebnisse | |
Michael Müller | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krise der Berliner SPD: Sozi kritisiert Sozi | |
Der einflussreiche Abgeordnete Torsten Schneider wirft Berlins | |
SPD-Landeschef Michael Müller Führungsschwäche vor. | |
Zukunft von Tegel: Wer soll da schlichten? | |
Eine Woche nach dem Vorschlag von Regierungschef Müller, in Sachen Tegel | |
einen Schlichter einzusetzen, ist die Flughafen-Diskussion verfahrener denn | |
je. | |
Wahlanalyse für Berlin: Politische Kleinstaaterei | |
Die CDU wurde in Berlin stärkste Kraft, aber hat Stimmen an FDP und AfD | |
verloren. Auch Linken-Wähler wechselten zur AfD. | |
Rot-Rot-Grün in Berlin nach der Wahl: Umgehen mit der Tegel-Schlappe | |
Die Berliner wollen Tegel offen halten, der Senat hat dies bisher | |
ausgeschlossen. Wie reagiert Müller auf die Niederlage? Und wie seine | |
Partei? | |
Berlins Parteien eine Woche vor der Wahl: Kampf um Nuancen | |
Das Rennen ist noch längst nicht gelaufen: Schon zwei Prozentpunkte | |
Unterschied können die Landespolitik in den nächsten Jahren entscheidend | |
beeinflussen. |