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# taz.de -- Die Wahrheit: Lob der Muschi, Fluch der Uschi
> Die große Wahrheit-Sommer-Debatte über Organe. Folge 8: Die Vagina. Ein
> Pro und Contra zu dem Durchgangskanal.
## Warum das Ding geliebt werden muss
Ohne eine Vagina wäre das Leben extrem langweilig. Und das weiß ich nicht
erst, seitdem ich den großartigen Song von RunDMC kenne, in denen sie sich
zu ihren Vaginas äußern: „My vagina / walked through concert doors / and
roamed all over coliseum floors / my vagina and me / close as can be / we
make a mean team, my vagina and me“. (Bevor ich richtig Englisch konnte,
dachte ich kurz, die Jungs sängen über ihre „Adidas“, aber das ergibt
überhaupt keinen Sinn, wäre ja Schleichwerbung.)
Mein anderer Vagina-Lieblingssong stammt vom erfahrenen Vagina-Lyriker Tom
Jones: „My, my, my – Vagina! Why, why, why – Vagina!“ Das ist natürlich
eine rhetorische Frage, das alte Schlitzohr weiß ganz genau, wofür so ein
Ding gut ist. Genau wie Giulia Becker, die im „Neo Magazin Royale“ im
vorigen Jahr einen Vagina-Song präsentiert hat mit den Zeilen „Wer hat dem
Maulwurf auf den Kopf gekackt – eine Scheide / Wer hat an der Uhr gedreht –
eine Scheide / Unsere Erde ist – ein Scheide“.
Manche Menschen nennen ihre Vagina Scheide, weil „Vagina“ sie zu sehr an
überpräsente Frauennamen aus den achtziger Jahren erinnert, Scheide jedoch,
vor allem für Nerds, angenehm nach Schwertkampf klingt, mehr
Reimmöglichkeiten bietet und den meisten ohnehin aus dem alten
Post-Verkehr-Gedicht „Winter ade / Scheide tut weh“ bekannt ist.
Außer über die Vagina zu singen kann man natürlich noch mehr mit ihr
anstellen. Etwa Pingpongbälle aus ihr herausschießen und damit Timo Boll
erschrecken oder sie vorführen, um auf die sauberere von zwei öffentlichen
Toiletten zu dürfen. Oder sie mit in die Politik nehmen und zum Beispiel
dem gerade aus der AfD geflogenen irren Politiker Andreas Wild zeigen, was
eine Vagina dentata ist. Er nennt sie nämlich „Geburtskanal“, so wie in
seinem Tweet „Einwanderung durch den deutschen Geburtskanal“, und ich finde
ja auch, dass die Mittelmeerroute eine tödliche Gefahr darstellt, aber wer
durch meinen Geburtskanal wandert, bestimme immer noch ich. Und nicht Herr
Wild.
Einmal im Monat reitet die Vagina das „Cotton-Pony“, zu erkennen am weißen
Sattel (oder an der türkisblauen Longe). Ich war zwar nie ein echtes
Pferdemädchen, habe mich aber im Laufe der Jahre an den Ritt gewöhnt und
werde ihn etwas vermissen. Denn bald wird das Pony angeblich das letzte Mal
gesattelt. Die Vagina bleibt mir jedoch glücklicherweise erhalten und hat
demzufolge noch mehr Freizeit, um zu tun, was sie will.
Wer weiß, vielleicht lernt sie sogar noch Postkarten zeichnen, die ich dann
verkaufen kann – so könnte ich mit ihr etwas Geld verdienen. Allerdings
sehe ich nicht, dass sie in absehbarer Zeit stricken lernt, darum verstehe
ich auch die Geschichte mit den rosafarbenen Pussy Hats nicht ganz – ich
marschiere zwar auch gern bei Anti-Trump-Märschen mit, aber doch nicht mit
einer Vagina-Strickmütze. Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut.
Apropos Kleidung: Auch Menschen ohne Vagina können den „Cameltoe“-Effekt
erreichen, wenn sie zum Beispiel enge, bunte Radlerhosen oder Leggins
tragen. Das sieht allerdings so beknackt aus, dass ich annehmen muss,
Menschen, die keine Vaginen ihr eigen nennen, aber in enge, bunte
Radlerhosen schlüpfen, wollen nie wieder in ihrem Leben Sex haben –
vielleicht wegen der fehlenden Vaginen?
Das Gleiche gilt für Menschen in Funktionskleidung oder Zehensandalen – ein
untrügliches Zeichen dafür, dass der Sexzug abgefahren ist, dass die
Vaginen weg sind und weg bleiben. Dabei ist Sex doch die schönste
Nebensache der Welt. Ich will das Thema darum keinesfalls vaginalisieren.
Jenni Zylka
***
## Warum das Ding verdammt werden muss
„Als die mesopotamische Göttin Ischtar mal nach getaner Büroarbeit an einem
Apfelbäumchen lehnte, jauchzte sie über ihre schön anzusehende Vagina und
beglückwünschte sich selbst zu ihrer Schönheit“. So oder so ähnlich hatte
es einst der große, alte Bäumchen- und Frauenversteher Hoimar von Ditfurth
während seiner Zeit als Oberarzt am Würzburger Universitätsklinikum und im
Schwesternzimmer auf Station 4B zur Göttin der geschlechtlichen Liebe
notiert. Ob seines Ditfurth’schen Charismas und erdigen Pazifismus traute
sich später nicht mal seine massive Lieblingstochter Jutta, der
gynäkologisch und cunnilinguistisch unsauberen Wortwahl „Vagina“ zu
widersprechen – wo doch ihr leiblicher Vater ganz sicherlich und recht
eigentlich die wahrhaft „schön anzusehende Vulva“ gemeint hatte.
Vulgo: contra Vagina immer, pro Vulva stets! Achtung, Leserinnen und Leser
im russischen Vagina, in Votzenthal, Unterfucking und Großpoppen – jetzt
dürfte es auch für Sie interessant werden. Warum contra Vagina? Weil die
Vagina im krassen Gegensatz zur Vulva schlicht öde daherkommt! Steht sie
doch, anatomisch verbrieft und per Wikipedia sortenrein dokumentiert, nur
für den inneren, schlauchförmigen Teil der weiblichen Geschlechtsorgane
(oder was sich so danach anfühlt, Stichwort: „Mein Geschlecht gehört mir“…
Trotzdem haben über all die Jahrhunderte bis zum heutigen Freitag, den 1.
September 2017, alte Säcke (ausgenommen Hoimar von Ditfurth in seinen
frühen Spätjahren) und kreuzbrave Frauen, von der Vagina als „Scheide für
sein Schwert“ berichtet, wo sie doch eigentlich allesamt immer das (früher
meist flauschig wollige, heute oft kahlkaputtrasierte), gar herrlich
sensitive Gesamtpaket untenrum meinten und meinen.
Apropos untenrum: Meine Mutter führt in ihrem heimischen Badezimmer heute
noch je ein „Untenrum“- und ein „Obenrum“- Handtuch. Punkt. „Wo bleib…
argumentative Beweisführung in Bezug auf contra Vagina?“, fragen Sie sich
jetzt. Nächster Punkt. In der Vagina ist es scheußlich dunkel, es bleibt
auch dunkel, wenn der Eiermann, die Eierfrau oder ein Ei allein
vorbeischaut (temporäre Ausnahme früher: Hoimar von Ditfurth). Es gibt im
Einzugsgebiet der Vagina im Gegensatz zur Vulva keinen saftig
angefeuchteten Venushügel, auch Mons pubis genannt, keine Labia majora
pudendi, sprich große Schamlippen, von den kleineren, die nicht selten ein
wenig länger sind als die äußeren (schlimmes weiterführendes Stichwort hier
„Muschi-OP“), ganz zu schweigen.
Die Vagina ist ein zugiges Durchgangsorgan und dafür sollte sie ausnahmslos
jedem eigengeschlechtlichen Wesen eigentlich leidtun. Nein, halt, doch
nicht! Denn die Vagina ist eine arg gnadenlose, aus sich heraus müffelnde
Angeberin, die selbst in dem der Vulva zustehenden Scheidenvorhof noch
rumzickt und die jahrhundertelang mit der „Wer hat den Längsten?“-Spezies
gemeinsame Sache gemacht hat. Damit verwies die Vagina jene zauberhafte
„Pussy“ (O-Ton Hoimar von Ditfurth kurz vor seinem zu frühen Tod), jenes
„unsichtbare Geschlecht“ (Mithu M. Sanyal) viel zu lange auf traurige
hintere Ränge in deren fast gänzlich einsehbaren Lustgarten. Schluss damit!
Das stimmt doch von hinten bis vorne, von obenrum bis untenrum alles nicht,
sagen Sie jetzt? Okay, Vorschlag zur Güte, auch wenn der bei einem Pro und
Contra gar nicht erlaubt ist: Rollentausch. Vulva und Vagina swappen mal
für sechs Wochen ihre Architektonik. Darauf wäre selbst Hoimar von Ditfurth
nicht gekommen.
Harriet Wolff
1 Sep 2017
## AUTOREN
Jenni Zylka
Harriet Wolff
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