# taz.de -- Die Wahrheit: Die Reinigung des Grauens | |
> Es ging doch nur darum, schmutzige Wäsche einmal ganz woanders waschen zu | |
> lassen. Und jetzt bin ich mitten drin in einem Little Shop of Horrors … | |
Weil die Reinigung um die Ecke meine Mäntel andauernd ohne Knöpfe aus der | |
chemischen Wäschetrommel purzeln lässt, beschloss ich, einen | |
Reinigungsservice zu nutzen, der die Dreckwäsche an der Haustür abholt und | |
wiederbringt. Zunächst wirkte alles vielversprechend. Ich sollte auf der | |
Homepage Namen, Adresse und meine Handynummer angeben, damit mich der | |
Fahrer von „Quickdry“ kontaktieren könne. Gegen 20 Uhr am Mittwoch, hatte | |
ich angekreuzt, sei ich zu Hause und könne die schmutzige Ware abgeben. | |
Zwei Tage später würde ich sie wiederbekommen, nach dem schönen alten | |
Fach-Motto „Pep und Schwung durch Reinigung“. | |
Es dämmerte schon, als auf meinem Handy eine SMS aufploppte. „Der | |
Quickdry-Fahrer ist gleich bei dir!“, teilte mir ein unbekannter Absender | |
mit. Aufgeschreckt knüllte ich zwei Seidenkleider und einen Übergangsmantel | |
zusammen und versuchte, alles in eine Tüte zu stopfen. Der Mantel war | |
widerspenstig, und so zerrte ich lange am Stoff herum. Da piepste das Handy | |
ein zweites Mal. „Der Quickdry-Fahrer ist ganz in deiner Nähe!!!“, drohte | |
die SMS, und ich spähte aus dem Fenster: Stand er schon unten und schaute, | |
ob bei mir noch Licht ist? Wartete er, bis es dunkel ist? Um eine mit | |
Heroin gefüllte Puppe abzuholen, die jemand bei mir deponiert hatte?! | |
Immer noch ließ sich der Mantel nicht aufs Zusammenfalten ein, außerdem | |
schienen meine Hände plötzlich zu verschwitzt. Wieder lugte ich aus dem | |
Fenster. Vor der Tür stand ein weißer Lieferwagen, der aussah wie der, in | |
dem „Buffalo Bill“ Senatorinnentöchter entführt, um sie zu häuten. Der | |
Wagen hatte kein Logo. Ich hielt den Atem an und lauschte. | |
Das Treppenhaus knatschte, als ob jemand ganz leise heraufschleicht. Als | |
ich durch den Spion schaute, konnte ich nichts sehen. Oder – hatte sich da | |
doch etwas bewegt? Eine weiße Maske mit roten Spiralen auf den Backen?! Ob | |
ich die Polizei rufen sollte? Aber was als Begründung angeben: Ich | |
befürchte, von einem Reinigungsservice in die Mangel genommen zu werden?! | |
Auf Zehenspitzen schlich ich zurück ins Schlafzimmer und versuchte weiter, | |
den Übergangsmantel lautlos zusammenzufalten. Er roch stark nach | |
Zigarettenrauch und Puffbrause – ich hatte ihn das letzte Mal im Sommer | |
getragen, am 4. Juli, bei einem Fest vor den Toren Berlins. Ich kann mich | |
noch an die Heimfahrt erinnern, bei der das Auto vollgequalmt wurde. | |
Irgendetwas war noch passiert, aber das wollte mir ums Verrecken nicht | |
einfallen. | |
Als ich den Mantel endlich zusammengequetscht hatte, piepste das Handy | |
erneut. Ich erschrak so, dass ich die Tüte umwarf. „Der Quickdry-Fahrer | |
weiß, was du letzten Sommer getan hast!!!“, stand auf dem Display. Das | |
Letzte, an das ich mich erinnerte, war ein dunkler Friesennerz, der an mir | |
vorbeistreifte. Danach schwanden mir die Sinne. Ich träumte von | |
Seidenkleidern, die man bei 60 Grad waschen kann, ohne dass sie kaputt | |
gehen … | |
6 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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