| # taz.de -- CDU-Wahlkampf gegen links: De Maizières neuer Lieblingsgegner | |
| > Der CDU-Bundesinnenminister nimmt an einem Schülerseminar gegen | |
| > Linksextremismus teil. Sein neuer Lieblingsgegner: die Autonomen. | |
| Bild: Protest gegen das Verbot der linksextremen Internetplattform linksunten.i… | |
| Berlin taz | Ganz weit in den Berliner Osten reiste Thomas de Maizière am | |
| Montagnachmittag, in die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Zu DDR-Zeiten | |
| inhaftierte die Stasi hier Untersuchungshäftlinge. Den Bundesinnenminister | |
| aber interessierte anderes: Er nahm an einem Schülerseminar gegen | |
| Linksextremismus teil. | |
| Über die Antifa und den bösen Antikapitalismus wird dort nach Auskunft der | |
| Gedenkstätte aufgeklärt. 21.000 SchülerInnen hätten in den vergangenen | |
| Jahren an den Seminaren teilgenommen. „Die Gedenkstätte ist damit eine der | |
| bedeutendsten Einrichtungen, die junge Leute zur Auseinandersetzung mit dem | |
| Linksextremismus anregt“, lobte de Maizière. Die Prävention in diesem | |
| Bereich müsse ausgebaut werden, es gebe ein Übergewicht an Projekten gegen | |
| Rechtsextremismus. Auch die Gedankenwelt der militanten Linksextremisten | |
| gehöre entlarvt und widerlegt. | |
| Der hohe Besuch in Hohenschönhausen findet nicht zufällig genau jetzt | |
| statt. Er ist Teil von de Maizières Wahlkampf. Nach den G20-Krawallen von | |
| Hamburg will die Union beim Thema Linksextremismus harte Kante zeigen – und | |
| so ihr konservatives Profil schärfen. | |
| Schon vor gut einer Woche hatte de Maizière überraschend das linke | |
| Onlineportal linksunten.indymedia.org verbieten lassen, weil dort neben | |
| Szenedebatten auch Anschläge gutgeheißen wurden. Am Freitag legte de | |
| Maizière nach. Mit den Innen- und Justizministern der Union aus den Ländern | |
| verabschiedete er ein Papier – inklusive Kampfansage gegen linksaußen. | |
| „Vorbereitungs- und Rückzugsorte linker Gewalt wie die ‚Rote Flora‘ in | |
| Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin können wir in unserem Rechtsstaat | |
| nicht tolerieren“, heißt es dort. Die diskutierte Lockerung des | |
| Vermummungsverbots „lehnen wir entscheiden ab“, weil sich damit der | |
| Schwarze Block vor Strafverfolgung schütze. | |
| ## In der Opposition regt sich bereits Widerstand | |
| Und die Unions-Politiker wollen das Demonstrationsrecht nochmals | |
| verschärfen. Gerade erst wurden die Strafen für Angriffe auf Polizisten | |
| erhöht. Mindestens drei Monate Freiheitsstrafe gibt es nun, und sei es nur | |
| ein Schubser. Künftig sollen sich „nicht nur diejenigen strafbar machen, | |
| die selbst Gewalt ausüben, sondern auch diejenigen, die sich bewusst einer | |
| gewalttätigen Menge anschließen und die Angreifer unterstützen, indem sie | |
| ihnen Schutz in der Menge bieten“. | |
| In der Opposition regt sich bereits Widerstand. Von einem „massiven Angriff | |
| auf die Versammlungsfreiheit“ und „unzulässiger Sippenhaftung“, spricht | |
| Linkspartei-Innenexpertin Ulla Jelpke. Die Antilinksextremismus-Töne der | |
| Union nennt sie eine „Gespensterjagd“. „Wieso legt die Union nicht gleich | |
| wieder die alten Plakate aus den 50er Jahren auf und warnt vor der | |
| Machtübernahme durch die Bolschewiken?“, so Jelpke. De Maizière solle sich | |
| lieber um „ernsthafte Bedrohungen“ wie Neonazis oder Salafisten kümmern. | |
| ## Präventionsprogramme in der Kritik | |
| Selbst der Koalitionspartner übt Kritik. Natürlich müsse jeder Extremismus | |
| bekämpft werden, sagt SPD-Innenexperte Burkhard Lischka. Das | |
| Indymedia-Verbot sei daher konsequent. „Freilich drängt sich die Frage auf, | |
| warum der Bundesinnenminister hier erst kurz vor der Bundestagswahl tätig | |
| wird – extremistische Umtriebe sind auf Indymedia ja seit Jahren zu | |
| beobachten gewesen.“ Und die Verschärfung des Demonstrationrechts sei zwar | |
| „diskutabel“, so Lischka. „Die Union weiß aber auch, dass es hier sehr e… | |
| verfassungsrechtliche Grenzen gibt.“ | |
| Auch die von de Maizière jetzt gelobten Präventionsprogramme gegen | |
| Linksextremismus sind nicht unumstritten. Zu Beginn der Legislaturperiode | |
| standen sie kurz vor der Abschaffung. „Sie haben die Zielgruppe nicht | |
| erreicht und die Probleme nicht getroffen“, sagte damals die zuständige | |
| Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). In einer Evaluation durch | |
| das Deutsche Jugendinstitut wurden die Angebote als teils „stark gesteuert“ | |
| und „wenig partizipativ“ bewertet. Das Fazit: „Der Bedarf für ein | |
| flächendeckenden Programmbereich zur Prävention von Linksextremismus im | |
| Jugendalter ist aktuell nicht gegeben.“ | |
| ## „Bundesfachstelle Linke Militanz“ | |
| Das von de Maizière besuchte Seminar der Gedenkstätte Hohenschönhausen, | |
| aktuell mit 199.000 Euro jährlich gefördert, schnitt ebenfalls schlecht ab: | |
| Es zeichne sich durch eine „weitreichend einseitige Materialauswahl“ aus, | |
| durch „wenig Raum für Kontroversität“ und einen „unausgesprochenen | |
| Totalitarismusverdacht“ gegen diverse linke Strömungen, hieß es in der | |
| Evaluation. | |
| Nach Protest der Union wurde die Prävention gegen Linksextremismus dennoch | |
| fortgeführt. Ganze drei Projekte gibt es aktuell bundesweit, allesamt in | |
| Berlin angesiedelt. 1,3 Millionen Euro gibt die Bundesregierung dafür in | |
| diesem Jahr aus – bei 103,2 Millionen Euro für Projekte gegen | |
| Rechtsextremismus, Salafismus und allgemein für Demokratie. | |
| Nach den G20-Krawallen aber legt auch das Familienministeriums Wert darauf, | |
| dass sich die Förderung im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode mehr | |
| als verdoppelt habe, von zwei auf 5,2 Millionen Euro. Zudem wird an der Uni | |
| Göttingen seit Juli eine „Bundesfachstelle Linke Militanz“ aufgebaut, für | |
| 732.922 Euro. „Nie wurde mehr Präventionsarbeit gegen linke Militanz | |
| gefördert als heute“, sagt ein Ministeriumssprecher. | |
| ## CDU schließt sich AfD-Antrag an | |
| Dabei schien das Problem bis Hamburg überschaubar. Die Zahl linker | |
| Straftaten stieg zwar in den vergangenen Jahren an – im Vorjahr aber gab es | |
| wieder einen leichten Rückgang um zwei Prozent auf 9.389 Delikte, bei den | |
| linken Gewalttaten gar um 20 Prozent. Anders auf rechtsextremer Seite, wo | |
| die Straftaten leicht auf 23.555 Delikte anstiegen – auf den Höchststand | |
| seit 15 Jahren. | |
| In Sachsen-Anhalt hinderte das die CDU zuletzt nicht, sich gar einem | |
| AfD-Antrag zu einer Enquetekommission zum Linksextremismus anzuschließen. | |
| Die soll etwa die Landeszentrale für Politische Bildung auf linksextreme | |
| Tendenzen untersuchen. Die CDU-Unterstützung ist für SPD-Mann Lischka ein | |
| „deutschlandweit einmaliger Tabubruch“. Der Vorstoß ging dann auch | |
| CDU-Chefin Angela Merkel zu weit: Mit der AfD arbeite die Union nicht | |
| zusammen, sie halte den Vorgang für „politisch nicht richtig“, musste sie | |
| klarstellen. | |
| 4 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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