# taz.de -- Begehbares Parteiprogramm der CDU: Sind wir denn schon im Uterus? | |
> In Berlin kann man die CDU nun auch fühlen: im begehbaren Parteiprogramm. | |
> Unsere Autorin hat sich auf die Reise begeben. | |
Bild: Ja, das fehlte noch im Gruselkabinett des Wahlkampfs – ein begehbares W… | |
Manchmal sollen Werbeagenturen erklären, wie sie auf eine Idee gekommen | |
sind. Im Fall des „begehbaren Parteiprogramms“, das Jung von Matt für die | |
CDU in Berlin-Mitte installiert hat, will man nur dies wissen: Was raucht | |
ihr? Und wenn ihr mal wieder einen Angela-im-Wunderland-Trip ausheckt – | |
darf man dann mitmachen? | |
Darum geht es: Damit Leute die CDU wählen, hat die Hamburger Agentur für | |
die Partei eine multimediale Leistungsschau aufgebaut. Man soll sehen, was | |
die CDU angeblich Tolles getan hat und was sie Tolles tun würde, so sie | |
denn gewählt werden sollte. So weit, so Angela. Nun aber kommt das irre | |
Kraut ins Spiel, und der Spaß fängt an. | |
Nehmen wir den Hashtag. Jenes Schlagwort, unter dem das begehbare | |
Parteiprogramm in den sozialen Medien auftauchen soll. Es lautet: | |
„#fedidwgugl Haus“. #fedidwas? #fedidhä? Die vielen jungen CDU-Mitglieder, | |
die in schwarz-gelb-konformen Dresses in großer Zahl herumstehen, können | |
das flüssig aussprechen. | |
Es ist die Abkürzung für „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne | |
leben“, dem Wahlclaim der CDU. Für Berauschte also ein absolut konsequenter | |
Hastag. Einer, dem Großes folgen sollte. Warum also etwas Geringeres | |
planen, als den Puls der deutschen Wirtschaft in der Mitte der Ausstellung | |
darzustellen? Entsprechend wurde eine Schneiderin beauftragt, ein etwa fünf | |
Meter hohes, 750 Kilo schweres, rotes Riesending zu nähen, das samt Aorta | |
und anderen Blutschläuchen von der Decke hängt und den tiefen Ton des | |
Blutkreislaufs aussendet. Augenblicklich fühlt man sich im Innern eines | |
Körpers und fragt sich, ob man wohl im Uterus von Mutti gelandet ist. | |
## „Merkel muss Kanzler bleiben“ | |
Dass es bei der Wahl kaum um die CDU geht, sondern vor allem um deren | |
Chefin, das wird klar, wenn man die Kärtchen liest, die die Besucher haben | |
schreiben lassen. Wundert man sich zunächst über die Krakelschrift, die die | |
vielen aufgehängten „Schreibe Deinen Wunsch auf für ein Deutschland, in dem | |
wir gut und gerne leben“-Kärtchen ziert, erkennt man bald, ein Roboter ist | |
schuld. Ihn ließen die Werber anschleppen, damit er zur Verdeutlichung der | |
Gegenwart und Zukunft das Schreiben von Zeilen wie „Merkel muss Kanzler | |
bleiben“ übernimmt. | |
Ein allerdings etwas müder Einfall, verglichen mit dem Einstieg ins | |
„#fedidwgugl-Haus: „Wirf einen Blick in den Zukunftsspiegel“, heißt es | |
neben einem riesigen Screen, der einen unerwartet abbildet, „und zeig uns, | |
wie Du in die Zukunft schaust.“ Wer weiße Hasen erwartet, liegt nicht | |
falsch. Das eigene Gesicht wird durch Emojis ersetzt. Lachend, wütend, | |
staunend. Bildet man mit den Händen eine Raute vor dem Unterleib, bekommt | |
man ein Gesicht mit einer braunen Kurzhaarfrisur verpasst. Formt man über | |
dem Kopf ein Dreieck, erscheint der Emoji-Kackehaufen. Die Besucherkinder | |
lieben das. | |
Der ganze Screen ist voll dieser Haufen, die Kinder lachen,als hätten sie | |
an dem Leim geschnüffelt, mit dem man einst Guido Westerwelle die „18 | |
Prozent“ auf die Schuhsohle geklebt hatte. Das nennt man Framing. Sie | |
werden nun die CDU als nette Partei wahrnehmen. Die mit dem Kackehaufen. | |
## Wo ist die Integration? | |
Weiter geht’s ins Dunkle. Hier ist das Böse zu Hause, und die Besucher | |
sollen als „Cyber Hero“ virtuell Kriminalität und Terrorismus bekämpfen. | |
Man erahnt die Allmachtsgefühle von Thomas de Maizière, der wohl Tag für | |
Tag auf Computertafeln rumwischt und begreift, dass es nicht schwer sein | |
kann, den schlimmen Mann zu ersetzen. | |
Dummerweise muss für die Werber die Bearbeitung des Themas „Familie“ in | |
jene Phase des Rausches gefallen sein, als Paranoia sich ankündigte. Das | |
gesamte Themenfeld ist in eine Installation aus braunen Pappkartons | |
überführt worden, und egal, ob das Thema „Kinder“, „Familienzeit“ oder | |
„Familienbaugeld“, die Jung-von-Mattler scheinen familiäres Leben mit | |
„Living in a Box“ gleichzusetzen. Auch soll man in dunkle Kästen greifen | |
und dort erfühlen, was Oma nicht mehr sieht: ihre Lupe, die Fernbedienung, | |
ihr Glasauge, das „Piccolöchen“. | |
Seltsamerweise fehlt es am Thema „Integration“. Oder „Einwanderung“. Das | |
ist für die CDU wohl nicht so wichtig. Oder aber der Aufbau von großen | |
Schlauchbooten mit der Simulation des Ertrinkens war ihr dann doch zu | |
krass. | |
6 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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