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# taz.de -- Vogelschützer kämpfen gegen Windmühlen: Vom Winde zerschreddert
> Vor 30 Jahren wurde in Schleswig-Holstein der erste Windpark in Betrieb
> genommen. Heute kämpfen vor allem Umweltschützer gegen neue Anlagen
Bild: Weil sie eine Gefahr für Vögel darstellen, sehen Umweltschützer Windpa…
Hamburg taz | Schleswig-Holsteins Landesregierung solle von ihrem „Dogma
abzurücken, mindestens zwei Prozent der Landesfläche der Windkraft zur
Verfügung zu stellen“, fordert der Naturschutzbund (Nabu) des nördlichsten
Bundeslandes. Das sei keine fachliche, sondern eine rein politische
Vorgabe, sagt Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichowski: „Die Energiewende
wird nicht scheitern, wenn auf das eine oder andere problematische
Windkraftgebiet verzichtet wird.“
Hauptgrund für den Nabu, den Ausbau der Windkraft infrage zu stellen, sind
die „naturschutzrechtlich gebotenen Artenschutzbelange“. Die Brutgebiete
windkraftsensibler Großvögel wie Seeadler und Rotmilan, wichtige
Vogelzugrouten und bedeutende Fledermausvorkommen würden vom neuen
Windanlagen bedroht.
So sind beispielsweise im nordöstlichen Kreis Segeberg mehrere neue
Windparks vorgesehen, von denen jeder im Nahbereich von gleich mehreren
Rotmilanhorsten liegt. „Eine Umsetzung dieser Planung“, sagt Ludwichowski,
„würde zwangsläufig zum Tod der stattlichen Greifvögel führen.“ Deshalb
müsse bei der Ausweisung von Windkraftflächen der Abstand zu
Vogelbrutgebieten deutlich erhöht werden.
Drei Jahrzehnte nach dem Start der Windenergiegewinnung in Norddeutschland
sind ausgerechnet Bedenken von Umweltschützern zum größten Hindernis für
diese grüne Energie geworden. Während es in der Wirtschaft keine und in der
Politik nur noch geringste Widerstände von Kohlefreunden und
Klimaskeptikern gibt, werden vor allem Meeres- und Vogelschützer nicht
müde, auf die Gefahren hinzuweisen, die von den rotierenden Riesen
ausgehen.
Mindestens 10.000 Vögel sterben jährlich in Deutschland durch Kollisionen
mit Windmühlen, räumt der Bundesverband Windenergie ein. Und verweist auf
Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), wonach an
Glasscheiben vor allem von Hochhäusern in Deutschland pro Jahr 18 Millionen
Vögel ihr Leben lassen.
Das alles war kaum vorhersehbar, als vor 30 Jahren das Zeitalter moderner
Windenergie begann. Am 24. August 1987 nahm im Kaiser-Wilhelm-Koog im
äußersten Südwesten Schleswig-Holsteins der erste deutsche Windpark den
Betrieb auf. Technisch gesehen war der erste Windpark aus heutiger
Perspektive ein Witz.
Die Leistung der Windräder wurde damals noch in Kilowatt gemessen und das
stärkste Modell im Kaiser-Wilhelm-Koog kam auf 55 Kilowatt – rechnerisch
gerade genug, um sich 55 Stunden lang die Haare zu fönen. Alle 30 Windräder
zusammen schafften 1.000 Kilowatt, also ein Megawatt. Heute leistet ein
einziges Windkraftwerk an Land locker das Vierfache, auf See auch das
Sechs- bis Achtfache.
Aktuell erzeugen 28.000 Anlagen onshore und offshore 50.000 Megawatt. Das
entspricht der Leistung von 36 großen Atom- oder Kohlekraftwerken wie
Brokdorf und Hamburg-Moorburg und deckt 12,3 Prozent des deutschen
Strombedarfs. Auf fast zehn Milliarden Euro belaufen sich inzwischen die
Investitionen in die Windtechnologie, die Branche bietet rund 143.000
Arbeitsplätze. „Deutschland ist Weltmarktführer in dieser so wichtigen
Zukunftstechnologie“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes
Windenergie.
Den Nabu indes tangiert das wenig. Die aktuellen Ergebnisse des
wissenschaftlichen Begleitmonitorings zum Offshore-Windpark Butendiek
westlich von Sylt hätten „einen massiven Eingriff in den Lebensraum
seltener Pracht- und Seetaucher“ ergeben, klagt Kim Detloff, Leiter
Meeresschutz beim Nabu-Bundesverband. Bis zu 600 Quadratkilometer, 20
Prozent des Vogelschutzgebiets, würden für die Vögel unbrauchbar: „Damit
liegt ein klarer Verstoß gegen europäisches und nationales Naturschutzrecht
vor“, sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Diese neuen Belege
würden in die Umweltschadensklage des Nabu gegen Butendiek eingehen, die
zurzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Münster geführt wird.
Der Kampf der Vogelschützer gegen die Windmühlen geht weiter.
24 Aug 2017
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Windparks
Tierschutz
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Vögel
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