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# taz.de -- Altholzentsorgung: Terrassendielen aus Windrädern
> Bisher wird das meiste Altholz verbrannt. Dabei gibt es interessante
> Alternativen der Nutzung – Milchsäuregewinnung zum Beispiel.
Bild: Es gibt reichlich Alternativen zum Verfeuern von Altholz
Berlin taz | Ist die Verbrennung wirklich der beste Weg der
Altholzentsorgung? Zumindest ist sie in Deutschland derzeit der gängigste
Weg: Von den neun Millionen Tonnen Altholz, die alljährlich anfallen, geht
– seit die Deponierung vor Jahren gesetzlich unterbunden wurde – der größ…
Teil in Heizkraftwerke. Allerdings wandelt sich die Bewertung in Politik
und Wissenschaft; zunehmend gewinnt die stoffliche Verwertung Unterstützer.
Forscher arbeiten längst auf unterschiedlichste Weise an der Entwicklung
von Alternativen zum Altholzfeuer. Dabei haben sie im Grundsatz zwei Pfade
im Auge: Der eine ist der chemische Umbau der Holzbestandteile, etwa indem
aus Altholz höherwertige Chemikalien wie Milchsäure gewonnen werden. Daraus
wiederum können Biokunststoffe hergestellt werden.
Entsprechende industriell einsetzbare Bioraffinerie-Verfahren zu entwickeln
ist Ziel eines Förderprojekts des Bundesforschungsministeriums, das vom
BioEconomy Cluster in Halle betreut wird. Und der zweite Weg besteht darin,
den Rohstoff weiterhin als Holz in neuen Produkten einzusetzen.
Das Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig, das
Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI), verfolgt beide Pfade. Ein prominentes
Beispiel für die neue Nutzung von altem Holz ist das Recycling der Flügel
von Windkraftanlagen. In denen nämlich kommt seit Jahren wertvolles
Balsaholz zum Einsatz.
Selbst in den 75 Meter langen Rotorblättern der Firma Siemens, die zu den
längsten derzeit in der Branche zählen, wird noch in großem Stil Balsaholz
eingesetzt. Weil auch schon in den Anfängen der modernen Windkraft
Balsaholz genutzt wurde und diese Anlagen nun nach und nach abgebaut
werden, sucht das WKI nach Methoden, das Holz zurückzugewinnen, um es für
weitere Nutzungswege zu erschließen.
## Balsaholz ist sehr druckstabil
„Balsaholz ist ein guter Isolator“, sagt WKI-Forscher Peter Meinlschmidt.
Deswegen entwickle man Verfahren, das Holz von den Glasfaserbestandteilen
der Flügel zu trennen, um es später für Dämmstoffe oder auch für WPC –
„Wood Plastic Composite“, einen Holz-Plastik-Verbundwerkstoff – zu nutzen.
WPC-Produkte aus anderen Holzarten, etwa zur Fertigung von Terrassendielen,
werden längst verkauft. Durch Balsaholz, hofft Meinlschmidt, könnten diese
deutlich leichter werden. Gleiches gelte für Holzdämmstoffe und auch
Holzschäume.
„Balsaholz hat kaum einen Brennwert und ist sehr druckstabil“, sagt der
WKI-Forscher – und deswegen lohne sich die Rückgewinnung aus alten
Windradflügeln. Einen ganz anderen Weg hat sein Institutskollege Guido Hora
eingeschlagen: „Unser Ziel ist es, aus Altholz Plattformchemikalien für die
Industrie zu gewinnen.“ So werden Grundchemikalien genannt, die als
Ausgangsmaterial für zahlreiche Industrieprodukte dienen. Etwa Ethanol oder
Methanol.
Entstehen dabei allerdings wiederum Brennstoffe, stellt sich freilich die
Frage, ob es dann nicht günstiger ist, das Altholz direkt zu verbrennen,
weil jeder Schritt der Umwandlung wieder Aufwand und Energieverbrauch
bedeutet. „Die direkte Verbrennung ist aus Sicht der CO2-Bilanz günstiger“,
räumt auch Hora ein, „aber bei Themen wie Feinstaub oder auch
Humantoxizität ergibt sich mitunter ein anderes Bild.“
Ohnehin sieht der Braunschweiger Forscher die Perspektiven von
Bioraffinerie-Produkten vor allem abseits der energetischen Verwendung.
Dies auch aus wirtschaftlichen Gründen: Speziell Methanol als wichtiger
Grundstoff der Kunststoffherstellung unterliegt geringeren
Preisschwankungen als die diversen Energieträger.
Technisch, sagt Wissenschaftler Hora, sei die Bioökonomie in Deutschland
weit vorangeschritten. Nur kämen die Verfahren hierzulande kaum zum
Einsatz, weil die über Jahre hinweg attraktive Förderung der
Altholzverbrennung den alternativen Märkten bislang die Rohstoffe entzieht.
## Kaskadennutzung
Aber genau das dürfte sich ändern. Unter dem Stichwort Kaskadennutzung
drängt die Politik – auch seitens der EU – darauf, Altholz vermehrt
stofflich zu recyceln, um es erst am Ende einer längeren Nutzungskette zu
verbrennen.
Und so dürfte der deutsche Altholzmarkt sich zu wandeln beginnen, wenn ab
dem Jahr 2021 die ersten Biomassekraftwerke aus der 20-jährigen Förderung
nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herausfallen. Für einige Anlagen
wird es dann nämlich keine wirtschaftliche Perspektive mehr geben.
„Alleine mit der Stromerzeugung wird es schwierig“, sagt Matthias Held vom
Bundesverband Bioenergie. Andererseits ist er überzeugt: „Anlagen, die auch
die Wärme verkaufen können und auskömmliche Entsorgungserlöse erzielen,
haben gute Chancen, auch ohne EEG zu überleben.“
Wie groß der Anteil der Kraftwerke sein wird, die das schaffen, ist schwer
abschätzbar. Es liegt aber auf der Hand, dass die Stromerzeugung aus
Altholz im kommenden Jahrzehnt abnehmen wird. Zumal die Alternative,
nämlich die Technik zur stofflichen Nutzung, weit fortgeschritten ist: „Das
sind inzwischen industrienahe Verfahren“, sagt Holzforscher Hora. Welche
davon sich durchsetzen werden, ist freilich noch offen – neben der
Ökobilanz wird darüber die Ökonomie entscheiden.
6 Nov 2017
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Holzindustrie
Holz
Energiewende
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Windparks
Recycling
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