Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Braunschweigs Altholz-Heizkraftwerk: „Ein ökologischer Holzweg“
> Der regionale Energieversorger BS Energy verbrennt Altholz, um aus dem
> Kohle-Strom auszusteigen. Umweltverbände und Opposition halten nichts
> davon.
Bild: Umstrittener Energielieferant: Altholz, hier im Container (2. v.r.) auf e…
Göttingen taz | Braunschweig steigt um. Niedersachsens zweitgrößte Stadt
will deutlich vor 2038 raus aus der Kohleverstromung. Als großen Schritt
auf diesem Weg feierten die Verwaltung und der regionale Energieversorger
BS Energy am 10. Mai ihre neuen Erzeugungsanlagen an der Hamburger Straße,
unweit des Eintracht-Stadions. Das Kohle-Heizkraftwerk, das dort bislang
Strom und Wärme produzierte, wird durch ein Biomasse-Heizkraftwerk mit dem
Hauptbrennstoff Altholz in Kombination mit einem Gasturbinen-Heizkraftwerk
ersetzt. Beide Anlagen laufen bereits im Testbetrieb und liefern erste
Energie.
Die aus Linke, Volt und Die Partei bestehende Oppositionsfraktion im
Stadtrat sowie Umweltverbände teilen zwar das strategische Vorhaben eines
möglichst raschen Kohleausstiegs. Das hehre Ziel rechtfertige aber nicht
jedes Mittel. Mit der Verbrennung von Altholz begäben sich Stadt und BS
Energy auf einen ökologischen Holzweg, lautet die Kritik.
Mit der Inbetriebnahme der Anlagen nehme BS Energy eine „Vorreiterrolle in
der Energiebranche“ ein, sagte Vorstandschef Jens-Uwe Freitag am 10. Mai
bei der Einweihungszeremonie. Und BS-Energy-Aufsichtsratschef,
Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), betonte: „Für
Braunschweig bedeuten die neuen Erzeugungsanlagen nicht nur eine
Verbesserung der Luftqualität. Sie tragen erheblich dazu bei, unser Ziel
der Klimaneutralität zu erreichen.“ In dem neuen Biomasse-Heizkraftwerk
soll im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk der CO2-Ausstoß um 50 Prozent
reduziert werden, erklärt BS Energy.
Das Altholz wird bei mindestens 850 Grad verbrannt. Zuvor wird das Material
auf etwa zehn Zentimeter große Stücke gehäckselt. Bei der Verbrennung
entstehende Reststoffe wie etwa Feinstaub werden laut BS Energy aufwendig
herausgefiltert. Das Altholz-Heizkraftwerk soll als Grundlast-Anlage
laufen, das neue Gasturbinen-Heizkraftwerk vor allem in der kälteren
Jahreszeit und bei Schwankungen im Stromnetz dazugeschaltet werden. Wegen
der Energiekrise soll das Kohlekraftwerk in der Heizperiode 2023 und 2024
noch zur Verfügung stehen.
„Dass der Einstieg in die massenhafte Verbrennung von Altholz ein wichtiger
Meilenstein hin zur klimaneutralen Wärmeversorgung sei und die Luftqualität
verbessere, wird von uns massiv angezweifelt“, betont Gisela Ohnesorge von
der Fraktionsgemeinschaft Linke, Volt, Partei. Sie glaube nicht, „dass die
Verbrennung von Altholz tatsächlich die Alternative zur Kohleverbrennung
darstellt“. Oberbürgermeister Kornblum hatte sich von der Braunschweiger
Zeitung mit der Aussage zitieren lassen, dass die Stadt durch die
Umstellung auf die Altholzverbrennung, 270.000 Tonnen CO2 sparen könne.
Umweltschützern zufolge werden bei der Verfeuerung von Altholz Feinstaub,
aber auch Schwermetalle und hochgiftige Dioxine und Furane ausgestoßen. Der
freigesetzte Ruß habe ein Treibhauspotenzial von bis zu 3.200
CO2-Äquivalenten und trage damit zur Klimaerwärmung bei.
Ein weiteres Problem sieht das Oppositionsbündnis darin, dass der
Veolia-Konzern seine Position bei BS Energy weiter stärkt, indem er
alleiniger Altholzlieferant wird. Das Altholz kam bislang aus Hannover.
Seit drei Wochen erfolgt die Lieferung aus einer neuen Aufbereitungsanlage
in Broistedt, einem Ortsteil der Gemeinde Lengede im Kreis Peine.
Veolia betreibt diese Anlage allein, ohne Beteiligung der anderen
Gesellschafter von BS Energy. Sie soll pro Jahr 180.000 Tonnen Altholz
reinigen und in Hackschnitzel verwandeln – genau diese Menge benötigt BS
Energy für das neue Kraftwerk. „Es ist unklar, warum nicht alle
Gesellschafter von BS Energy die Altholzhackschnitzelanlage betreiben“,
sagt Udo Sommerfeld vom Bündnis.
BS Energy ist in Braunschweig nicht nur in den Bereichen Strom, Gas und
Fernwärme tätig. Der Versorger [1][kümmert sich auch um das Trink- und
Abwasser], die öffentliche Beleuchtung und die Ampelanlagen. Auch als
bundesweiter Stromanbieter tritt BS Energy in Erscheinung. Im Gegensatz zu
anderen Kommunen hält in Braunschweig nicht die Stadt die Kapitalmehrheit
an dem Versorger – hier sind es nur 25,1 Prozent. Mehrheitseigner mit 50,1
Prozent ist der börsennotierte Konzern Veolia mit Sitz in Paris. Die
restlichen Anteile gehören dem Versorgungsunternehmen Thüga.
[2][Kritik an dem Altholz-Konzept] setzt es auch vom Naturschutzbund
(Nabu). Weil aktuell viele Kommunen auf das Verbrennen von Altholz setzten,
werde dadurch auch insgesamt sehr viel CO2 freigesetzt. Statt das Altholz
zu verbrennen, sei es besser, es weiter zu verwenden, etwa für die
Produktion von Spanplatten. Besonders die Altholz-Kategorien 2 bis 3
eigneten sich dafür, weil sie nur wenig mit Chemikalien von Lacken und
Klebern belastet seien. Genau diese würden aber nun im Heizkraftwerk in
Braunschweig verbrannt, so der Nabu.
Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden hat der Nabu [3][ein Papier zum Thema
Altholzverbrennung] veröffentlicht. Danach verstößt Deutschland mit der
nahezu vollständigen Verbrennung des eigenen Altholzes gegen die von der EU
vorgegebene und im deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz umgesetzte
Abfallhierarchie. Praktisch bedeute die Verbrennung von Altholz, dass für
die Produktion von Spanplatten und ähnlichen Produkten Bäume gefällt werden
müssten.
6 Jun 2023
## LINKS
[1] /Privatisierung/!5134375
[2] /Energieversorgung-in-Bremen/!5785570
[3] https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biooekonomie/220706_infopapie…
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Energiewende
Umweltschutz
Energiekrise
Braunschweig
Schwerpunkt Klimawandel
fossile Energien
Kohleausstieg
Holzindustrie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Habeck und Geywitz beim Fernwärmegipfel: Fernwärme als Nahlösung
Wer sich an ein öffentliches Wärmenetz anschließen lässt, könnte sich den
Heizungstausch sparen. Doch auch bei der Fernwärme ist noch einiges zu tun.
Klimaneutrale Wärmeerzeugung: Es geht auch ohne Gas
Das Bündnis Kohleausstieg Berlin hat eine Studie vorgestellt – ihr zufolge
lässt sich Wärme bis spätestens 2035 ganz ohne fossile Energie erzeugen.
Energieversorgung in Bremen: Kraftwerk auf dem Holzweg
Der Bremer Kohlemeiler wird abgeschaltet. Die Betreiber wollen künftig
Restholz verfeuern. Kritiker*innen halten das nicht für klimaneutral.
Altholzentsorgung: Terrassendielen aus Windrädern
Bisher wird das meiste Altholz verbrannt. Dabei gibt es interessante
Alternativen der Nutzung – Milchsäuregewinnung zum Beispiel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.