# taz.de -- Recycling im Tischlerbetrieb: Designerstücke aus Abfall | |
> Tischlerinnen wollen aus Holzresten Neues schaffen. Dabei wollen sie | |
> wirtschaftlich arbeiten, Arbeitsplätze schaffen - und scheitern häufig am | |
> Detail. | |
Bild: Holz bleibt Rohstoff, auch nach der Verarbeitung. | |
Im Innenhof der Pankower Baufachfrauen riecht es nach Holz. Als Architektin | |
Ute Mai die schwere Schiebetür zu den Werkstätten aufschiebt, blickt sie | |
auf Holz, soweit das Auge reicht. Mai weist auf einen Haufen mit | |
Abschnitten und Plattenteilen. "Bisher wurde so etwas als Abfall betrachtet | |
und verbrannt", sagt die 46-Jährige, die sich seit Jahren mit Ökologie und | |
Nachhaltigkeit auseinandersetzt. "Wir können es uns aber nicht mehr | |
leisten, solche Mengen als Abfall zu betrachten." Holz wird knapp und | |
teurer. Mai, kurze graue Haare, in die Jeans gestecktes Baumwollhemd, | |
beriet sich mit ihren Kolleginnen in der Tischlerei. Heraus kam "Hikk - | |
Holz im Kreativkreislauf"; die EU fördert das Projekt bis Mitte 2012 mit | |
insgesamt 154.000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds. | |
Die Idee ist einfach: Die Tischlerei sammelt eigenes Restholz und solches | |
umliegender Betriebe ein, lagert es und organisiert die Weiterverwendung. | |
Bei den Baufachfrauen fallen im Monat etwa 0,7 Kubikmeter Reste an, bei den | |
mehr als 700 Tischlereien in Berlin sind es etwa 2.500 Kubikmeter im Monat. | |
Die Zahlen hat der Betrieb selbst erhoben - sie bundesweit zu berechnen sei | |
schwer, sagt Ralf Spiekers von der Bundesinnung für Tischler und Schreiner. | |
Da sich die Betriebe spezialisierten, schwanke die Restholzmenge stark. Die | |
klassischen Schreinereien "für alles" gebe es ja kaum mehr. | |
Mai und ihre Kolleginnen arbeiten mit Designern, einer Kunsthochschule in | |
der Gegend und einer Schule zusammen. "Uns geht es auch darum, ein neues | |
Netz von Beschäftigung zu schaffen", sagt Mai. "Wir möchten nachhaltig | |
wirtschaften, immer von Fördermitteln abhängig zu sein kann nicht die | |
Lösung sein." | |
Bislang landen Schnittabfälle und Sägereste im Hausmüll oder in | |
betriebseigenen Verbrennungsofen - das wertvolle Material wird verfeuert | |
und Tischlereien müssen dafür zahlen. Ökologisch kann das durchaus sinnvoll | |
sein. "80 bis 90 Prozent der Tischlereien besitzen inzwischen | |
Verbrennungsöfen mit sogenannter thermischer Verwertung. Sie nutzen die | |
Energie für ihren Betrieb", sagt Spiekers. Die Ökobilanz solcher Öfen sei | |
schlechter als die von Müllverbrennungsanlagen, in denen Altholz landet, | |
widerspricht Sven Gärtner vom Institut für Energie- und Umweltforschung in | |
Heidelberg. "Die kleinen Anlagen produzieren unter anderem mehr Feinstaub | |
und Stickoxide", so Gärtner. Im Zweifel sei der ökologische Nutzen des | |
Berliner Projekts höher. "Es erspart die Verwendung eines | |
Alternativmaterials - in diesem Fall Frischholz aus dem Forst", so Gärtner. | |
Die Berliner Frauen holen sich für ihre Projekte Anregungen etwa bei den | |
Holzexperten der Recyclingbörse Herford. Diese funktioniert nach einem | |
ähnlichen Prinzip: In Secondhandkaufhäusern werden Möbelreste oder | |
komplette Altmöbel abgegeben. In Zusammenarbeit mit Partnern entstehen | |
daraus neue Möbel. Mit der 2006 gestarteten Holzlinie fährt die | |
Recyclingbörse zwar bislang keine Gewinne ein, der Umsatz entspricht nicht | |
dem Produktionsaufwand, das Unternehmen fängt die Verluste aber mit anderen | |
Geschäftszweigen auf - etwa dem Secondhandkaufhaus. | |
So einfach die Idee der Restholzverwertung ist, so kompliziert ist deren | |
Umsetzung. Seit einem knappen Jahr läuft Hikk, noch immer arbeiten die | |
Baufachfrauen am Aufbau eines Netzwerks und der Organisation. Einer der | |
Knackpunkte: die Lagerung. Von elf Betrieben in der näheren Umgebung erhält | |
die Tischlerei inzwischen Restholz. Doch Angebot und Nachfrage stimmen | |
selten überein. Daran könnte die Wirtschaftlichkeit scheitern, fürchtet | |
auch Spiekers von der Innung. "Die Frage ist, ob ein solches System einen | |
Markt für die Industrie Serienproduktion haben wird - es hängt entscheidend | |
von der Verfügbarkeit ab", sagt er. | |
22 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
## TAGS | |
Holzindustrie | |
Möbel | |
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