# taz.de -- Faltmöbel aus Recyclingmaterial: Auf Pappe gebettet | |
> Ein Start-up verkauft ein zusammenfaltbares Bett aus Karton. Damit kann | |
> man besonders leicht umziehen – aber ist es umweltfreundlich? | |
Bild: Hocker aus Pappe wurden schon auf diversen Kirchentagen gut angenommen. | |
Berlin taz | Ob Studium oder Arbeitswelt – mittlerweile wechseln viele | |
Menschen immer mal wieder für einige Zeit den Wohnort. Mit einem | |
129-Euro-Bett aus Wellpappe, das sich in 20 Sekunden auf- und abbauen lässt | |
und per Post schnell verschickt werden kann, wendet sich das Berliner | |
Start-up „Room in a box“ an genau diese Gruppe. Nun ist das Projekt auf dem | |
ersten Platz beim Berliner Crowdfunding-Preis gelandet, den die | |
Landesinitiative Projekt Zukunft zum dritten Mal verliehen hat. | |
Gemeinsam haben die Studenten Lionel Palm und Gerald Dissen, die die Firma | |
„Room in a box“ gegründet haben, seit April 2013 an einem Bett aus | |
Schwerlastwellpappe getüftelt. Mit diesem Material werden sonst Motoren | |
oder Maschinenteile transportiert. | |
Auch einen Business-Plan stellten die beiden Wirtschaftswissenschaftler | |
auf. Geld für eine Markt- und Zielgruppenanalyse gab es jedoch nicht. „Das | |
war eher so ein Bauchgefühl. Weil wir selber Studenten sind, war für uns | |
klar, dass es Sinn machen würde, Möbel zu haben, mit denen man flexibler | |
umziehen kann“, sagt Palm. | |
Nach der Entwicklung eines ersten Prototypen wurde 2014 schließlich der | |
Schwarm gebeten, den Start der Serienproduktion zu finanzieren – mit | |
Erfolg. Allein während der einmonatigen Crowdfunding-Phase über ein | |
Internet-Portal wurden 120 Betten verkauft. „Insgesamt sind es mittlerweile | |
schon über 700 Stück“, berichtet Palm. | |
## Ökologisch gute Idee | |
Für ihn hat das Bett eine weitere positive Eigenschaft abseits der reinen | |
Funktionalität, die sich das Team bereits für den deutschen Markt hat | |
patentieren lassen: Das Produkt wird zum einen komplett in Deutschland | |
gefertigt, zusammengesteckt und direkt vom Hersteller an die Kunden | |
verschickt. Zum anderen stammt die Wellpappe besteht zu 85 Prozent aus | |
recycelten Rohstoffen, der Rest stammt aus nachhaltiger, FSC-zertifizierter | |
Forstwirtschaft. | |
Das Siegel des Forest Stewardship Council ist zwar nicht unumstrittenen. | |
Man könne diesem aber „durchaus folgen“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für | |
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Experte für technischen | |
Umweltschutz hält das unkonventionelle Bett aus ökologischer Sicht generell | |
für „eine gute Idee“, gerade wegen der 100-prozentigen Rückführbarkeit in | |
den Wertstoffkreislauf. | |
Einziger kritischer Punkt sei die begrenzte Langlebigkeit, wie auch Sascha | |
Roth, Referent für Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) | |
anmerkt: „Wenn das Bett schon nach kurzer Zeit den Geist aufgibt, macht das | |
natürlich keinen Sinn.“ Das mittlerweile dreiköpfige „Room in a Box“-Te… | |
hält allerdings dagegen. „Von Konkurrenzprodukten wissen wir, dass so ein | |
Bett locker 10 bis 12 Jahre durchhält. Wir sind sicher, dass unsere | |
Produkte das auch schaffen“, sagt Gründer Palm. Beweisen könne man das – | |
trotz intensiver Belastungstests – aber nicht. | |
## „Sehr kleine Nische“ | |
Die 5000 Euro, die das Projekt nun für den Crowdfunding-Preis erhalten hat, | |
wird in die Entwicklung einer kompletten Zimmereinrichtung bestehend aus | |
Bett, Stuhl, Regal und Schreibtisch fließen, die sich in einem einzigen | |
Karton verschicken lässt. „Einmal bestellt, soll es innerhalb von 24 | |
Stunden möglich sein, ein ganzes Zimmer einzurichten“, schwärmen die | |
Möbelbauer. | |
Bleibt nur noch die Frage, ob das auch viele Menschen wollen. Sven Gabor | |
Janszky, Zukunftsforscher und Direktor des 2b Ahead Think Tanks In Leipzig, | |
beobachtet zwar durchaus einen Trend zu sogenannten adaptiven Möbeln. | |
Wellpappe sei dabei allerdings „eine sehr kleine Nische“. Außerdem sei ihm | |
nicht bekannt, dass es viele Firmen gäbe, die das schon machen: „Dafür wäre | |
sicherlich auch kein Markt da.“ | |
Ganz anders dagegen ist die Prognose von Christian Rauch, Geschäftsleiter | |
des Frankfurter Büros des Zukunftsinstituts, einer weiteren Denkfabrik für | |
Trendforschung: „Möbel aus Wellpappe sind nicht mehr nur Teil einer grünen | |
Avantgarde, sondern ein Anwendungsbereich, der sich stark ausweiten wird.“ | |
7 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Daniel Segal | |
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