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# taz.de -- CO2-Reduktion in der Stahlindustrie: Der Kaninchen-Katalysator
> Der Stahlkonzern Arcelor Mittal will Chemieabfälle recyceln und CO2
> reduzieren. Dabei behilflich ist ein Bakterium aus dem Kaninchendarm.
Bild: Weniger warm dank Kaninchendarm: Bakterien des Tieres helfen bei der Kohl…
Hamburg taz | Die Stahlbranche ist eine schmutzige Industrie: Die Konzerne
stoßen allein in Deutschland jährlich schätzungsweise 60 Millionen Tonnen
Kohlendioxid (CO2) aus – mehr als ein Drittel der Emissionen der deutschen
Braunkohlekraftwerke. Der größte Hersteller der Welt, Arcelor Mittal, geht
nun einen neuen Weg: Er will künftig in seinem Stahlwerk in Gent den
Chemieabfall mithilfe einer neuen Technologie zu Bioethanol verarbeiten.
Das Verfahren verspricht doppelten Nutzen für die Umwelt: Neben der
Reduzierung des Klimakillers CO2 werden Ressourcen eingespart. Bisher wird
Biotreibstoff meist aus Zuckerrohr und Mais hergestellt. Mittals Stahlwerk
in Belgien wäre die erste großtechnische Anwendung weltweit. 87 Millionen
Euro will der Konzern aus Luxemburg investieren.
Das Verfahren baut auf die sogenannte Gasfermentierung auf, entwickelt hat
es die neuseeländische Firma Lanza-Tech. Als Fermentierung bezeichnen
Ingenieure die chemische Umwandlung von Stoffen durch Kleinstlebewesen.
Lanza-Tech setzt Kohlenstoffmonoxid als Ausgangsstoff dieses Vorgangs ein:
Das bei der Stahl- und Eisenproduktion anfallende Kohlenstoffmonoxid wird
üblicherweise verbrannt, wobei CO2 entsteht.
Pro Tonne Rohstahl werden etwa 1,35 Tonnen CO2 durch die Schornsteine in
die Luft gejagt. Ein natürlich vorkommendes Bakterium soll nun stattdessen
als Katalysator dienen. Dieses hatte Lanza-Gründer Sean Simpson
ursprünglich im Darm eines Kaninchens entdeckt. Mit der Hilfe des
Bakteriums entsteht aus dem Kohlenmonoxid Bioethanol, dass etwa normalem
Benzin beigemischt wird.
2012 hatte Lanza-Tech die industrielle Gasfermentierung erstmals
ausprobiert – laut Firmenangaben erfolgreich. Doch wie ökologisch ist das
Vorgehen? Von „bio“ zu sprechen, wie es Mittal tut, hält Bernd Meyer,
Professor für Energieverfahrenstechnik an der TU Bergakademie Freiberg, für
übertrieben. Green-Washing betreibe der Konzern aber nicht. Das Verfahren
sei an sich „effizient und sauber“. Ob es allerdings genügend Leistung für
Großanlagen erbringe und auf Dauer stabil funktionierte, sei „noch offen“,
warnt Meyer.
## Weitere Anlangen geplant
Erprobt hat Lanza-Tech seine Technologie in mehreren kleineren Pilotanlagen
in China. Die chinesischen Stahlerzeuger Baosteel und Shougang gelten auch
als die nächsten Kaufinteressenten. Zu der technischen Umsetzung trug
Siemens bei. Im Sommer 2013 schloss der deutsche Multi ein Abkommen mit den
Erfindern von Lanza-Tech für die nächsten zehn Jahre. Gemeinsam wurde das
Verfahren optimiert und soll nun vermarktet werden.
Arcelor Mittal will noch in diesem Jahr mit dem Bau seiner
Fermentierungsanlage in Gent beginnen. Die Europäische Union beteiligt sich
mit 10 Millionen Euro. Sobald die „wirtschaftliche Rentabilität des
Projekts bewiesen ist“, sollen ähnliche Anlagen in anderen Stahlwerken von
Mittal errichtet werden, teilt der Konzern mit. Würden alle europäischen
Werke, darunter das Hamburger, mit der neuen Technik nachgerüstet, könnte
Mittal nach eigenen Angaben rund 500.000 Tonnen Ethanol pro Jahr erzeugen –
was einem Zehntel des heutigen europäischen Bioethanolbedarfs entspräche.
20 Jul 2015
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
CO2-Emissionen
Stahlindustrie
Europäische Union
Möbel
Schwerpunkt Klimawandel
Sigmar Gabriel
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