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# taz.de -- Kolumne Eier: Säuberung einer brisanten Zahl
> Die SPD prangert 21 Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen
> an. Die Republik ereifert sich über die angeblich falsche Zahl.
Bild: Ob man damit wenigstens die Diskursbereiniger weg bekommt?
Liebe Männer, es ist Zeit zu schrubben! Schnappt euch jeder 'nen Schwamm
und 'ne Bürste, denn da draußen sind schmutzige Zahlen unterwegs! Ganz
schmutzige Zahlen. Bäh.
Die SPD plakatiert seit einiger Zeit in Sachen Lohnunterschied zwischen
Männern und Frauen und benutzt dabei die Zahl 21 Prozent. 21 Prozent
beträgt der Unterschied zwischen durchschnittlichen Stundenlöhnen von
Frauen und Männern, so die [1][Statistik]. Kanzlerkandidat Martin Schulz
hat die Zahl am Wochenende sogar [2][getwittert] und versprochen, daran
etwas zu ändern.
Nun hätte man Martin Schulz fragen können, was er denn zu tun gedenkt, um
das Problem anzugehen. Mehr als so ein bisschen Frauenquote in
DAX-Unternehmen und hie und da SPD-Präsenz bei ’nem Girls’ Day bräuchte m…
da ja schon. Aber stattdessen werden überall in der Republik die Eimerchen
und Schwämmchen rausgezogen, um erst einmal die Zahl zu „bereinigen“. Es
wird geschrubbt, gesprüht und gewienert – sogar von Leuten, die sonst wohl
eher eine Putzfrau bezahlen.
Die Zahl des Statistischen Bundesamts ist nämlich „unbereinigt“. Es handelt
sich einfach um die unterschiedlichen Einkünfte der Bevölkerungsgruppen
„Frauen“ und „Männer“ im Durchschnitt. Es werden nicht
Reisebürofilialleiterinnen mit Reisebürofilialleitern verglichen.
## Knallhart diskriminiert
Frauen arbeiten nun aber häufiger in schlechter bezahlten Branchen – in der
Pflege, Reinigungsjobs oder sozialen Berufen –, machen häufiger
Teilzeitarbeit und erreichen seltener als Männer höhere
Qualifikationsstufen. Klar, wenn man diese ganzen störenden Faktoren
„bereinigt“, liegt die Lohnlücke zwischen Mann und Frau „nur“ noch bei…
Prozent. Schrubbschrubb. Und diese „Bereinigung“ ist Sauberleuten wie den
Fakt-Checkern von [3][heise.de], Politikern wie Jens
„Alles-Parallelgesellschaft-außer-Mutti“ [4][Spahn] und
Springer-[5][ChefredakteurInnen] äußerst wichtig. Das hieße ja sonst, dass
in Deutschland ganz knallhart diskriminiert würde.
Nee. Igitt. Schmutzig. Hol das Cillit Bang raus! Ja geht’s denn noch?
Natürlich ist es erst mal eine gute Idee, dass Menschen in derselben
Branche und bei ähnlichen Tätigkeiten auch gleich viel verdienen. Ist
wahrscheinlich leichter, erst mal die ReisebürofilialleiterInnen
anzugleichen. Aber doch bitte nicht so tun, als wären die strukturellen
Gründe für Einkommensunterschiede kein Problem!
Wenn überwiegend weibliche Branchen schlechter bezahlt sind, wenn Frauen
seltener hohe Qualifikationsstufen erreichen als Männer, dann kann man das
problematisieren – oder man kann es „bereinigen“: Noja, wenn die Frauen
halt alle lieber Haare schneiden als in Geschichte zu promovieren, dann
sollen sie sich halt nicht beklagen, wenn sie in die Altersarmut geraten!
Sorry, Leute, die 21 Prozent kriegt man nicht durch Schrubben klein. Dafür
muss man Pflegeberufe aufwerten, das Lohndumping bei Putzkräften eindämmen,
Vereinbarkeit stärken, Männer mehr in die Pflicht nehmen …
Na Herr Schulz, womit fangen wir an?
25 Aug 2017
## LINKS
[1] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VerdiensteAr…
[2] https://twitter.com/MartinSchulz/status/899162081622196224
[3] https://www.heise.de/tp/news/Die-21-des-Martin-Schulz-3807951.html
[4] http://www.tagesspiegel.de/politik/interview-mit-jens-spahn-ohne-gemeinsame…
[5] https://twitter.com/marionhorn/status/897036265496989696
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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