# taz.de -- Debatte Donald Trump und Demokratie: Ein schwacher Präsident | |
> Donald Trump ist ganz offensichtlich rückständig und gefährlich. Aber die | |
> amerikanische Demokratie wird ihn überstehen. | |
Bild: Ein politischer Schreivogel | |
Donald Trump war nicht willens oder nicht in der Lage, sich nach den | |
Ereignissen von Charlottesville klar von den gewaltbereiten Anhängern einer | |
White Supremacy im weiteren Sinne zu distanzieren. Das wirft erneut die | |
Frage auf, ob er selbst mit seiner offenbaren Nähe zu solchen | |
rechtsextremen und undemokratischen Positionen eine Gefahr für die | |
amerikanische Demokratie darstellt. Diese US-Neonazis gehören zweifelsohne | |
zu Trumps Kernwählerschaft, und mit seinen eigenen rassistischen | |
Bemerkungen („Mexikaner sind Vergewaltiger“) hat er überdeutlich gemacht, | |
welche Seelenverwandtschaft zwischen ihm und diesen Gruppen existiert. | |
Doch rechtfertigt dies Ängste, Trump könnte als „starker Führer“ das | |
demokratische System zerstören? Seit seiner Wahl beschäftigt diese | |
Befürchtung, dass der amtierende US-Präsident eine Autokratie anstrebe, die | |
ganze Welt. | |
So verglich Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer Trump direkt nach | |
dessen Amtseinführung mit Nero, gegen den der Widerstand vorbereitet werden | |
müsse. Trump versuche „den Staatsstreich von oben“, er wolle die | |
„illiberale Demokratie oder Übleres etablieren“ und dazu „die | |
Gewaltenteilung aushöhlen“. | |
Timothy Snyder, Yale-Professor und Autor eines lesenswerten Buchs über | |
Tyrannei, sah die amerikanische Demokratie ebenfalls in akuter Gefahr, weil | |
ein Mann an der Macht sei, „der die Sprache der 30er Jahre spricht“. Und | |
zwar in einer Zeit augenfälliger Schwäche der amerikanischen Institutionen: | |
Snyder meinte, er habe „keinen Zweifel, dass sie zusammenbrechen können, | |
wenn eine amerikanische Regierung einen entsprechenden Versuch unternimmt“. | |
Die Amerikaner müssten sich also darauf vorbereiten, „in einem totalitären | |
Regime zu überleben“. Kurzum, der „Kampf um die Demokratie“, wie die Zeit | |
es nannte, schien nun auch in den USA verloren zu gehen. | |
## Kein Demokrat | |
So wie es gegenwärtig aussieht, ist diese Angst jedoch überzogen. Natürlich | |
redet und twittert Donald Trump tonnenweise Unfug – aktuell sogar sehr | |
bösartigen. Und natürlich ist seine bisherige Politik alles andere als | |
progressiv und wird nachhaltig zu einer „Rechtsverschiebung“ beitragen – | |
etwa durch die Besetzung von Richtern am obersten Gericht. Aber dass Trump | |
die demokratischen Institutionen zum Einsturz bringt und eine ins | |
Diktatorische gehende Autokratie energisch ins Auge fasst, das kann man | |
glücklicherweise nicht sagen. | |
Wohl lässt sich feststellen, dass Trump nach unseren Maßstäben kein | |
Demokrat ist: Ein amtierender Regierungschef, der die Medien, die ihn | |
kritisch begleiten, „Feinde des Volkes“ nennt, der keinen Respekt vor der | |
Gewaltenteilung hat, der Richter gerne als „sogenannte“ bezeichnet und ihre | |
Urteile als „lächerlich“ diffamiert, der ist alles andere als ein | |
veritabler Demokrat. | |
Dass Trump zur Wahrheit ein sehr flexibles Verhältnis hat, ist sicherlich | |
kein Ausweis einer demokratischen Gesinnung. Und seine gerade wieder | |
augenscheinlich werdende Nähe zu Hardcore-Rassisten ist ebenfalls ganz | |
sicher kein Beleg für ein demokratisches Bewusstsein. All diese ausgeprägt | |
undemokratischen Haltungen und Verhaltensweisen sind bei Trump jedoch | |
keineswegs mit einem autokratischen Machtwillen gepaart. | |
Die große Sorge, dass ein bulldozerhafter Potentat die in der US-Verfassung | |
verankerten Schutzfunktionen der Checks and Balances aufzuweichen | |
versucht; dass er alles daransetzt, jahrhundertealte demokratische | |
Bollwerke wie etwa die legislative Kontrollmacht des Kongresses | |
einzureißen, ist wohl weitgehend unberechtigt. Die erfolgreiche | |
Widerspenstigkeit des Senats bei der von Trump gewünschten Abschaffung von | |
Obamacare spricht da eine deutliche Sprache. | |
## Gegendruck wirkt | |
Überhaupt lässt sich feststellen: Trump schafft es nicht, seine Partei in | |
einen Abnick-und-Jubel-Verein umzuformen. Auch die kritischen Medien, wie | |
die New York Times und die Washington Post, haben sich bisher | |
erfreulicherweise keinen Maulkorb verpassen lassen. Sah es im Wahlkampf | |
noch so aus, als würde Trump, einmal an der Macht, keine Zeit verstreichen | |
lassen, den (demokratischen) Staat zu zerstören – wie es sein den | |
rechtsextremen Gruppen von Charlottesville nahestehender und | |
inzwischen entlassener Einflüsterer Stephen Bannon vielfach angekündigt hat | |
–, so sieht man heute davon relativ wenig. | |
Stattdessen erlebt man einen Präsidenten, der immer genau dann nachgibt, | |
wenn er auf den Widerstand demokratischer Institutionen stößt. Das lässt | |
sich nicht nur an seiner Gesundheits-, sondern auch an der Visumpolitik | |
ablesen, wo Trump die Aufhebung seiner Bannverordnungen gegenüber mehreren | |
„muslimischen“ Staaten durch Gerichte zähneknirschend akzeptierte. Dass er | |
einen zwischenzeitlichen „Sieg“ davontragen konnte – seine diesbezüglich… | |
präsidentiellen Verordnungen behalten bis zu einer endgültigen Überprüfung | |
durch den Supreme Court vorläufig Bestand – ändert daran nichts. | |
Man kann sogar den begründeten Eindruck bekommen, dass Trump immer dann | |
sein Interesse an einer politischen Angelegenheit verliert, wenn er nicht | |
das bekommt, was er will. Wie ein Kind, dem es misslingt, sich das | |
Spielzeug eines anderen, sich wehrenden Kindes unter den Nagel zu reißen, | |
kurz schmollt und sich dann wieder anderem zuwendet. Daraus folgt: Scharfer | |
Gegenwind ist das Mittel erster Wahl gegen Trump. | |
## Ein Labyrinth aus Irrwegen | |
Er selbst scheint dabei ein Muster zu perfektionieren: In der Sackgasse | |
nicht rechtzeitig abbremsen, sich an der abschließenden Mauer immer erst | |
eine blutige Nase holen, erst dann umdrehen, um wieder und wieder in eine | |
neue Sackgasse einzubiegen – natürlich nicht ohne diese Idiotien als | |
angebliche Heldentaten anzupreisen. So irrlichtert der „mächtigste Mann der | |
Welt“ wie in einem Labyrinth von einem Irrweg zum anderen und verkauft | |
diese Politik als die großartigste aller je im Amt gewesenen Präsidenten: | |
„Niemand baut Mauern besser als ich.“ | |
Die ursprüngliche – in Medien und Sozialwissenschaften gerne | |
diskutierte – Frage, ob Trump wohl demokratisch eingehegt werden könne oder | |
ob er, Hitler gleich, die alte Demokratie in Rekordzeit in den Mülleimer | |
der Geschichte stampfen würde, hat sich nach mehr als einem halben Jahr | |
Amtszeit weitgehend erledigt. Trump versucht Letzteres noch nicht einmal | |
wirklich. Er ist, dem Schicksal sei Dank, ein sehr schwacher Präsident. | |
Ihm fehlt – und das ist das Beste, was man über ihn sagen kann – der | |
skrupellose Wille, dem Gemeinwesen das Demokratische auszutreiben. Im | |
Gegensatz zu den Erdoğans dieser Welt mangelt es Trump glücklicherweise am | |
Autokraten-Gen: Während solche herrischen Despoten mit Kalkül und | |
planmäßigem Vorgehen versuchen, ihren politischen Willen mit allen Mitteln | |
– eben auch den undemokratischen – durchzusetzen, gleicht Trumps | |
politisches Verhalten viel eher dem eines testosterongetriebenen | |
Heranwachsenden. Dieser will aller Welt zeigen, dass er das vermeintlich | |
größte Gemächt sein eigen nennt – um sich dann, nach einem Platzverweis | |
durch den Dorfsheriff, mit lautem Getöse und schrillem Reifenkreischen vom | |
Acker zu machen. Einen sonstigen Plan scheint Trump nicht zu verfolgen. | |
Geschweige denn, dass er eine Strategie im Blick hat, um die Demokratie | |
abzuschaffen. | |
## Politischer Schreivogel | |
Die amerikanische Demokratie hat also gleichsam jede Menge Dusel, dass sich | |
Trump im Amt bisher nicht als zielgerichteter Autokrat entpuppt hat, wie es | |
sich die Neofaschisten aus Charlottesville wohl wünschen würden. Er ist der | |
politische Schreivogel geblieben, der er schon im Wahlkampf war. Diese Art | |
der Spieglein-an-der-Wand-Politik, die fragt, wer der Größte im ganzen Land | |
sei, zeugt von narzisstischer Selbstverliebtheit. Sie ist aber zum Glück | |
weniger gefährlich als die nüchterne und bösartige Brachialität hin zum | |
Diktatorischen, wie wir sie bei vielen zum Absolutismus neigenden | |
Herrschsüchtigen erleben, etwa gegenwärtig in der Türkei. | |
Daraus jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, man müsse Trump mit | |
Samthandschuhen anfassen und ihn ob der jüngsten Verharmlosung | |
rassistischer Gewalttaten ungeschoren davonkommen lassen, wäre völlig | |
falsch. Dieser Präsident bleibt nur dann relativ ungefährlich, wenn ihn die | |
demokratischen Kräfte gemeinsam und aktiv in die Schranken weisen – | |
mithilfe aller zivilgesellschaftlichen Gegenwehr, aller denkbaren | |
institutionellen Hürden und aller Platzverweise dieser Welt. | |
20 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Helmut Däuble | |
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