# taz.de -- Angela Merkel und die Generation Merkel: Bitte lasst ein Kreuzchen … | |
> Mit ihrem Live-Interview auf YouTube versucht Angela Merkel wacker, von | |
> jungen Wählern Stimmen für ihre Union zu ergattern. | |
Bild: Mitten im Neuland: Angela Merkel | |
„Guten Tach“, sagte Angela Merkel vor zwei Sommern zu LeFloid. Der | |
28-Jährige galt zu diesem Zeitpunkt als eine Art frisch geduschter | |
Repräsentant der Jungwähler. [1][Als solcher durfte er die Kanzlerin | |
interviewen]. LeFloids Abonnenten hatten zuvor unter dem Hashtag | |
#NetzfragtMerkel ihre Themen eingereicht. Seine Interviewpartnerin aber | |
textete ihn dann freundlich zu, der Erkenntnisgewinn für die Netzgemeinde | |
blieb überschaubar. | |
In diesem Wahlsommer sollte alles anders werden. Gleich vier YouTuberInnen | |
wurden am Mittwoch auf Merkel angesetzt, [2][das Gespräch] wurde live | |
gestreamt. Bei den vieren handelte es sich natürlich nicht um | |
VertreterInnen jener im unteren intellektuellen Bereich operierenden | |
Selbstdarsteller, die über ihren Samenstau oder Alkoholexzesse nicht nur | |
reden. Nein, Merkels InterviewerInnen waren vor allem: gut vorbereitet. | |
Genauso wie LeFloid hatten sie unter dem Hashtag #DeineWahl Follower-Fragen | |
gesammelt. Mirko Drotschmann gab den Experten für Außenpolitik, er stellte | |
Fragen vor allem zu Trump, Erdoğan und Merkels Krisendiplomatie. Alexander | |
Böhm war der Technikaffine, seine Fragen zu Breitbandausbau und | |
Autotechnologie dürften der Physikerin Merkel gefallen haben. Merkels | |
Antwort auf seine Frage nach ihrem Lieblings-Emoji („Smiley; und wenn’s | |
nicht so gut läuft, kann man auch die Schnute nehmen“) ging umgehend viral. | |
Die nachnamenlose Journalistin Lisa Sophie wiederum kümmerte sich um | |
Lebenspraktisches wie Bildung und Chancengleichheit. Und Beauty-Expertin | |
Ischtar Isik fragte die Kanzlerin, warum sie sich nicht als Feministin | |
bezeichne. Antwort: Sie wolle sich nicht mit fremden Federn schmücken. | |
Zusammen haben die YouTuber fast drei Millionen Abonnenten – angesichts der | |
Zielgruppe von 9,4 Millionen WählerInnen zwischen 18 und 30 Jahren eine | |
traumhafte Quote für Merkel. In der CDU-Wahlkampfzentrale dürfte es wegen | |
des Deals mit der Pro7-Tochter „Studio 71“ Frei-Mate für alle gegeben | |
haben. | |
Dass Angela Merkel YouTubern ein Live-Interview gewährt, darf als kluger | |
Move gelten. Noch ist die Bundestagswahl nicht entschieden. Oder, wie | |
Helmut Kohl es 1984 so endgültig wie schlicht formuliert hat: „Entscheidend | |
ist, was hinten rauskommt.“ Auch wenn die Umfragewerte für Merkels Union | |
mit aktuell um die 40 Prozent glänzend sind: Terror, Trump, Putin, Erdoğan, | |
Flüchtlinge – bis zur Wahl kann viel passieren, was die Wahl kippen könnte. | |
Vorausgesetzt, die Jungen gehen überhaupt wählen. Laut dem | |
Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap waren das bei der letzten | |
Bundestagswahl nur 60 Prozent der 21- bis 25-Jährigen. Bei den 60- bis | |
70-Jährigen waren es 80 Prozent. | |
Dazu kommt: Waren bei den jungen WählerInnen früher kleine Parteien | |
angesagt, neigt die „Generation Merkel“ mittlerweile eher zum biografisch | |
Erlernten. 2013 stimmten 30 Prozent der ErstwählerInnen für CDU und CSU und | |
24 von ihnen für die Sozialdemokraten. Insofern ist Merkels | |
YouTuber-Interview das, was ihre GesprächspartnerInnen meisterlich | |
beherrschen: Influencing. | |
Entsprechend erbittert wurde der Abwehrkampf aus den Parteizentralen | |
geführt. [3][Die Jusos twitterten während der Sendung]: „Lasst euch nicht | |
für blöd verkaufen – #Merkel wollte die #Ehefueralle nicht.“ [4][Die Julis | |
ätzten]: „Handarbeit statt programmieren ist also die Antwort auf die | |
#Digitalisierung?“ [5][Die Grünen]: „Bundesregierung hat gravierende Fehler | |
beim #Diesel gemacht.“ [6][Die Linke]: „Gutes Sendeformat, aber schlechte | |
Antworten von #Merkel.“ | |
Das alles aber war harmlos im Vergleich zu vielen offen fremdenfeindlichen | |
und sexistischen Live-Kommentaren der YouTube-ZuschauerInnen. Angela Merkel | |
hatte wohl recht, als sie, auf den offenen Hass gegen sich angesprochen, | |
antwortete: „Hass und Zuspitzung sind immer auch ein Zeichen von | |
Unfähigkeit, die Argumente richtig vorzubringen.“ | |
16 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5212021/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Uq2zIzscPgY | |
[3] https://twitter.com/jusos/status/897785468066115584 | |
[4] https://twitter.com/jungeliberale/status/897786365764677637 | |
[5] https://twitter.com/Die_Gruenen/status/897788228186640384 | |
[6] https://twitter.com/dieLinke/status/897799132382978048 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Youtube | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Youtube | |
LeFloid | |
taz.wahl17 | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Merkel muss weg | |
Energiewende | |
Bevölkerung | |
Kanzlerkandidatur | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Youtuber testen Drogen: Die gewissenhaften Trip-Sitter | |
Auf „Drugslab“ nehmen drei junge Moderatoren vor der Kamera Drogen. Klingt | |
nach Spaß-Kanal, ist in den Niederlanden aber öffentlich-rechtlich. | |
Hörbuch von und mit YouTuber LeFloid: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß | |
Anschaulich erklärt LeFloid Geschichte und Abläufe unserer Demokratie. Die | |
Hörer sollen ihre „Ärsche bewegen und zur Wahl gehen“. | |
Youtuber*innen fragen Martin Schulz: Geht doch, Martin! | |
Beim Format #DeineWahl macht Martin Schulz eine ungewohnt gute Figur. Das | |
liegt auch an den vier fragenden Youtuber*innen. | |
Angela Merkel im taz-Interview: „Ja, dies ist mein Land“ | |
Man kann afghanische Flüchtlinge auch mit freundlichem Gesicht abschieben, | |
sagt die Kanzlerin – und erklärt, was an ihr grün und links ist. | |
Merkels Wahlkampfauftakt in Sachsen: Kein Heimspiel für Angie | |
Das königs- und CDU-treue Erzgebirge bereitete der Kanzlerin einen | |
gemischten Empfang. Die reagierte – wider Erwarten – mit Leidenschaft. | |
Finanzierung der Energiewende: Wenig Energie im Wahlkampf | |
Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung will die Energiewende über Steuern | |
finanzieren. Sie stellt sich damit hinter eine Forderung von Grünen und | |
Linken. | |
Bevölkerungsentwicklung in Berlin: Mehr Bewohner, weniger Wähler | |
Berlin wächst und wird stetig größer – doch wählen dürfen in diesem | |
September verblüffenderweise weniger Menschen als 2013. Warum? | |
Kommentar Heiße Wahlkampfphase: Pudding an die Wand nageln | |
Martin Schulz ist bereits der dritte SPD-Kandidat in Folge, der keine neuen | |
Ideen hat. Das ist nicht nur traurig für die Partei, sondern auch für das | |
Land. | |
Beginn der heißen Wahlkampfphase: Ab jetzt wird fest versprochen | |
CDU-Kandidatin Angela Merkel will Vollbeschäftigung. SPD-Kandidat Martin | |
Schulz will mehr Polizisten, denn in Deutschland werde Gewalt zu oft | |
verharmlost. |