# taz.de -- Abschaltung von AKW in Bayern: Spiel mit dem Risiko | |
> Siedewasserreaktoren sind gefährlich. Das Gundremminger AKW hat zwei – | |
> einer wird abgeschaltet. Doch was passiert mit dem anderen? | |
Bild: Ohne das AKW Gundremmingen wäre das Bild sie perfekt | |
Göttingen taz | Nächtlicher Protest am AKW Gundremmingen in Bayern: Mit | |
einer Diaprojektion auf den Kühlturm haben das Umweltinstitut München und | |
die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt am Mittwochmorgen gegen ein | |
Wiederanfahren des derzeit für die Revision abgeschalteten Blocks C | |
demonstriert. „Block C: Endgültig vom Netz“ stand dort. | |
Nach dem GAU in Fukushima im Frühjahr 2011 hatte die Bundesregierung den | |
Atomausstieg verkündet: 8 von 17 Leistungsreaktoren wurden oder blieben | |
abgeschaltet. | |
Mit dem AKW Grafenrheinfeld bei Schweinfurt ging seither nur ein einziger | |
weiterer Meiler vom Netz. Zum Jahresende folgt nun das Aus für Block B in | |
Gundremmingen. Der baugleiche Block C soll aber bis Ende 2021 laufen. Das | |
bringt Atomkraftgegner auf die Palme. „Wer B abschaltet, muss auch C | |
abschalten“, sagen sie. | |
Die Blöcke B und C in Gundremmingen sind die letzten Siedewasserreaktoren | |
in Deutschland. Sie gelten als besonders gefährlich. Denn die Turbinen | |
werden direkt von dem radioaktiv kontaminierten Dampf aus dem Reaktor | |
angetrieben, der Hauptkreislauf verläuft also zum Teil außerhalb des | |
Sicherheitsbehälters und des Reaktorgebäudes. Auch die Abklingbecken mit | |
den verbrauchten hochradioaktiven Brennelementen liegen außerhalb und sind | |
so weniger geschützt. | |
Beide Reaktoren gehören zur Baulinie 72. Die Meiler entsprächen bis heute | |
nicht einmal den Sicherheitsanforderungen, die bei ihrer Inbetriebnahme | |
galten, so die örtliche Bürgerinitiative Forum. Nach heutigen | |
Sicherheitsmaßstäben bekämen sie erst recht niemals eine Betriebserlaubnis. | |
Ein schwerer Unfall bis zu einem alle Sicherheitssysteme sprengenden | |
Super-GAU sei in beiden Reaktoren jeden Tag möglich. | |
## Kurzschlussreaktion vor 40 Jahren | |
„Die Technologie der Gundremminger Reaktoren stammt aus den 60er und 70er | |
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das sind gefährliche Oldtimer“, sagt | |
Ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay. Franziska Buch vom Umweltinstitut | |
ergänzt: „Block B jetzt vom Netz zu nehmen und den baugleichen Block C bis | |
2021 weiterzubetreiben – das ist so, als würde man von zwei | |
Blindgängerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg nur eine entschärfen und die | |
andere vier Jahre liegen lassen.“ | |
Block A ist schon seit 40 Jahren außer Betrieb, dort ereignete sich im | |
Januar 1977 ein schwerer Unfall: An den Isolatoren der Freileitungen hatte | |
sich Raureif gebildet, was zu Kurzschlüssen führte. Bei der | |
Schnellabschaltung des Reaktors kam es zu Fehlfunktionen. Instrumente | |
signalisierten kurzzeitig einen Unterdruck, Pumpen pressten Notkühlwasser | |
in den Reaktor. Der Druck stieg dort so stark, dass schließlich mehrere | |
Hundert Grad heißes Wasser herausschoss. Es gelang zwar, die Kettenreaktion | |
zu stoppen, im Reaktorgebäude stand aber meterhoch radioaktives Wasser und | |
verursachte einen Totalschaden. Wie viel Strahlung damals in die Luft und | |
die Donau gelangte, wurde nie offiziell bekannt gegeben. | |
Für die Stromversorgung sind Gundremmingen B und C nach Ansicht der | |
Kritiker überflüssig: Wegen des Überangebots liegen allein in Bayern | |
Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von mehreren Gigawatt brach. | |
Das Umweltinstitut und Ausgestrahlt haben rund 37.000 Unterschriften für | |
die komplette Abschaltung des AKWs noch in diesem Jahr gesammelt. „Die | |
Forderung, Block C des Kraftwerks zum Jahresende vom Netz zu nehmen, können | |
wir nicht nachvollziehen“, sagte dagegen ein Sprecher des Betreibers RWE | |
der taz. Die Aussagen des Umweltinstituts zur Sicherheit träfen nicht zu. | |
Der Standort Gundremmingen bleibe eine wichtige Säule der Stromversorgung | |
in Bayern. | |
9 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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