# taz.de -- Petition der Woche: Offene Fragen an Flug 4U9525 | |
> Mehr als zwei Jahre nach dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs kämpft | |
> Frank Noack weiter für die Aufklärung der Hintergründe. | |
Bild: Die Absturzstelle bei Le Vernet in den französischen Alpen | |
Seine Motivation ist groß. „Ich weiß, dass dieser Kampf vielen Angehörigen | |
hilft, aber nicht alle haben die Kraft dazu, ihn auch zu führen“, sagt | |
Frank Noack. Er stammt aus Halle/Saale und hat am 24. März 2015 beim | |
Absturz der Germanwings-Maschine mit der Flugnummer 4U9525 seine damals | |
30-jährige Tochter verloren. | |
Gemeinsam mit 68 weiteren Angehörigen fordert er in einer Petition nun | |
umfangreiche Untersuchungen über die Hintergründe des Absturzes. Die | |
Initiatoren wenden sich damit gegen die Entscheidung der Düsseldorfer | |
Staatsanwaltschaft, die im Januar dieses Jahres ihre Ermittlungen | |
eingestellt hatte. | |
Die zentrale Frage: Liegt die Verantwortung für die Katastrophe allein bei | |
dem Kopiloten? Die Auswertung der Flugdaten hatte ergeben, dass Andreas | |
Lubitz das Flugzeug in einen kontrollierten Sinkflug versetzte, nachdem er | |
das Cockpit von innen verriegelt hatte. | |
Lubitz war zum Zeitpunkt des Fluges wegen einer Depression | |
krankgeschrieben, reichte die Bescheinigung aber nicht an den Arbeitgeber | |
weiter. Wie im Abschlussbericht des französischen Bureau d’Enquêtes et | |
d’Analyses zu lesen ist, hatte ein Arzt nur zwei Wochen vor dem Absturz | |
Lubitz eine Überweisung in stationäre psychiatrische Behandlung | |
ausgestellt. Ursache: eine mögliche Psychose. Zu der Behandlung in einer | |
Psychiatrie kam es nicht. | |
Alles spricht also für einen erweiterten Suizid, bei dem insgesamt 150 | |
Menschen ums Leben kamen. Aber wie konnte es passieren, dass ein psychisch | |
erkrankter Pilot mit Selbstmordgedanken in das Cockpit eines | |
Personenflugzeugs steigt? | |
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelte zwei Jahre zu dieser Frage | |
und kam zu dem Schluss: Keine lebende Person könne angeklagt werden; die | |
Suizidgefahr sei nicht bekannt gewesen. Beweisanträge von mehr als 50 | |
Opferfamilien waren zuvor zurückgewiesen worden. Unter dem Protest ihrer | |
Anwälte wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. | |
## Kritik an ärztlicher Schweigepflicht | |
Für Noack und die Unterstützer geschah das viel zu früh, die Umstände | |
müssten weiter aufgeklärt werden. „Es gilt herauszufinden, wo Fehler im | |
Umgang mit der Person des Kopiloten gemacht wurden“, heißt es in der | |
Onlinepetition. Durch falsche Entscheidungen hätten Verantwortliche den Tod | |
von Menschen in Kauf genommen. Auch in Deutschland müssten umfangreiche | |
Untersuchungen unternommen werden, habe doch das Fehlverhalten deutscher | |
Behörden zum Absturz geführt. | |
Auch die ärztliche Schweigepflicht wird kritisiert. Diese sei den | |
behandelnden Ärzten wichtiger gewesen, als vor Gefahren zu warnen. Hier | |
sieht Noack eine gesetzliche Lücke, die es zu schließen gelte. Auch die | |
Aufarbeitung des Absturzes sei durch die Schweigepflicht der Ärzte nicht | |
umfänglich möglich gewesen. | |
An anderer Stelle hat die Politik bereits reagiert. Nachdem der | |
Abschlussbericht französischer Ermittler im März vergangenen Jahres | |
regelmäßige psychologische Tests für Piloten forderte, verabschiedete der | |
Bundestag im April 2016 ein Gesetzespaket, das schärfere Kontrollen von | |
Piloten vorschreibt. Diese sollen stichprobenartig und bei konkretem | |
Verdacht bei Dienstantritt auf Alkohol, Drogen und Medikamente im Blut | |
getestet werden. | |
Lubitz hätte ein solcher Test wohl am Fliegen gehindert, denn in seinem | |
Blut waren später Antidepressiva gefunden worden. | |
Außerdem soll eine Datenbank für Piloten eingerichtet werden, die | |
Ergebnisse der regelmäßigen flugmedizinischen Untersuchungen speichern | |
soll. Dieses Vorhaben sei noch nicht umgesetzt, kritisiert Noack. | |
Die Vorwürfe richten sich nicht an eine konkrete Person oder Behörde. „Aber | |
ich stelle Fragen“, sagt Noack. Mit Lubitz sei falsch umgegangen worden. | |
„Wenn ich ein Busunternehmer wäre und einer meiner Fahrer ist Alkoholiker, | |
dann behandle ich diesen doch anders als die übrigen Mitarbeiter.“ | |
Noack richtet sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. | |
Damit sich dieser mit der Kritik und den Forderungen der Angehörigen | |
beschäftigt, müssen innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterschriften | |
gesammelt werden. Seit Montag wurde die Petition von 2.000 Menschen | |
unterzeichnet. Frank Noack zeigt sich kämpferisch. „Ich bleibe da dran“, | |
verspricht er. Auch für die, denen dazu die Kraft fehle. | |
6 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Björn Struß | |
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