# taz.de -- EU-Flüchtlingsrettung verlängert: Anhaltende Seenot | |
> Die EU verlängert den Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen. Auch Italien | |
> knickt ein – und gibt den Druck an die NGOs weiter. | |
Bild: Müssen künftig bis in die Häfen gebracht werden – und dürfen nicht … | |
ROM/BERLIN taz | Jede Niederlage ein Sieg: So kommuniziert Italien den | |
EU-Beschluss zur Verlängerung der „Sophia“-Mission im Mittelmeer. Bis zum | |
31. Dezember 2018 soll die 2015 angeschobene Mission weitergehen, ohne dass | |
dem italienischen Wunsch nach Änderung der Einsatzbefehle entsprochen | |
worden wäre. Trotzdem tut Rom so, als habe es wichtige Zugeständnisse | |
erhalten. Schleuser bekämpfen und Menschen retten: Dies sind die Aufgaben | |
der Marineeinheiten aus diversen EU-Ländern, die vor Libyen kreuzen. | |
Niemand hatte so sehr wie Italien auf diese Mission gedrängt, die – | |
zusammen mit der Frontex-Mission „Triton“ das Land entlasten sollte. | |
Doch die Europäisierung hatte von Beginn an eine klare Grenze. Sie galt der | |
Rettung der Flüchtlinge und Migranten, nicht aber ihrer Aufnahme. Die | |
nämlich blieb exklusive Aufgabe Italiens. Der Einsatzbefehl sieht vor, dass | |
alle „Sophia“-Schiffe italienische Häfen ansteuern, um dort die Geretteten | |
abzuladen. Genau dies wollte die Regierung in Rom jetzt ändern. Sie drohte, | |
der Verlängerung von „Sophia“ die Zustimmung zu verweigern. Dann allerdings | |
hätte Italien wieder die Rettungen allein leisten müssen. | |
So ließ sich die Regierung in Rom mit minimalen Zugeständnissen abspeisen. | |
100 Millionen Euro zusätzlich für die Flüchtlingsaufnahme soll es geben, | |
500 Beamte sollen nach Italien geschickt werden, um die Asylverfahren und – | |
im Fall von Ablehnungen – die Abschiebungen zu beschleunigen. | |
Die italienische Regierung forderte, wenigstens bei einem außergewöhnlichen | |
Anstieg der Flüchtlingszahlen sollten auch andere europäische Häfen für die | |
Flüchtlingsschiffe geöffnet werden. Mehr als ein frommer Wunsch ist das | |
nicht. | |
## Kein Umstieg mehr auf Marineschiffe | |
Am Dienstag trafen sich Vertreter des Innenministeriums mit den vor Libyen | |
aktiven Seerettungs-NGOs, um über den neuen Verhaltenskodex zu sprechen, | |
den Italien einführen will. Vor allem verlangt die Regierung darin, dass | |
die NGOs in Zukunft alle Geretteten selbst die ganze Strecke bis zu den | |
italienische Häfen befördern, statt sie etwa auf Marineschiffe umsteigen zu | |
lassen. Vor allem dieser Forderung widersetzten sich die NGOs. | |
Einige der im Einsatz befindlichen Schiffe sind für solche langen | |
Überfahrten mit Hunderten Menschen an Bord gar nicht gerüstet. Auch für die | |
anderen würde sich die Zahl der Einsätze deutlich verringern, da bisweilen | |
diverse Tage für die Fahrten nach Italien und zurück gebraucht würden. Im | |
Jahr 2017 retteten NGO-Boote bisher etwa 34 Prozent der Flüchtlinge und | |
Migranten – diese Zahl würde sich unweigerlich verringern. Am Freitag soll | |
weiter verhandelt werden. | |
Derweil bat Libyens Präsident Fajis al-Sarradsch am Mittwoch die | |
italienische Marine, beim Kampf gegen Menschenschmuggler auch in libyschen | |
Gewässern zu operieren. Die Anfrage werde derzeit geprüft, sagte Italiens | |
Ministerpräsident Paolo Gentiloni nach einem Treffen mit al-Sarradsch in | |
Rom. | |
Genau das wollte die EU schon lange: Zugang zu den libyschen Gewässern und | |
somit zu den Küsten der Schlepper. Das libysche Parlament in Tobruk aber | |
hatte dies bislang ebenso kategorisch ausgeschlossen, wie dies auch | |
al-Sarradsch noch bei seinem letzten Besuch in Rom getan hatte. | |
## Libyen soll Geflüchtete abfangen | |
Den Sinneswandel könnte [1][ein Treffen gebracht haben], das Frankreichs | |
Präsident Macron am Dienstag bei Paris ausgerichtet hatte: Al-Sarradsch | |
traf dort mit dem mächtigen libyschen General Chalifa Haftar zusammen. Der | |
steht dem Parlament in Tobruk nahe und war entsprechen bislang mit | |
al-Sarradsch verfeindet. In Paris aber einigten sich beide auf einen | |
10-Punkte-Plan, um den Bürgerkrieg in Libyen einzudämmen. | |
Derweil erklärte das deutsche Außenministerium in der Antwort auf eine | |
Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko, wie es sich die Zukunft in | |
dem Seegebiet vorstellt: Demnach soll Libyen offiziell eine | |
Seenotrettungszone benennen und seine Zuständigkeit hierfür erklären. Die | |
Rettungsmissionen vor libyschen Küsten würden dann nicht mehr aus Rom | |
koordiniert, die Schiffe der NGOs müsste sich der libyschen Küstenwache | |
unterwerfen. Spätestens ab 2018 soll die libysche Küstenwache alle | |
Geflüchteten vor der eigenen Küste abfangen und in Lager nach Libyen | |
zurückbringen. | |
Hunko kritisierte das scharf: „In Libyen werden die Migranten misshandelt, | |
vergewaltigt, gefoltert und umgebracht. Auch auf See werden vom libyschen | |
Militär Straftaten begangen.“ | |
27 Jul 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Frankreich-vermittelt-im-Libyen-Konflikt/!5437384 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flüchtlinge | |
Europäische Union | |
Italien | |
Libyen | |
Italien | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Dublin-System | |
Flüchtlinge | |
Seenotrettung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Der Kampf gegen Seenot und Behörden: Flüchtlingsretter sitzen vor Malta fest | |
Weil Flüchtlingsretter den wohl völkerrechtswidrigen Kodex Italiens nicht | |
unterzeichnen wollen, wird ihnen jetzt das Anlegen auf Lampedusa verboten. | |
Italiens Marine vor Libyen: Diplomaten vergessen Bürgerkrieg | |
Der italienische Marineeinsatz auf Wunsch der westlibyschen Regierung heizt | |
den Krieg an. Damit wird auch das Flüchtlingselend vergrößert. | |
Deutsche Seenotretter im Mittelmeer: Italien beschlagnahmt NGO-Schiff | |
Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt ein Schiff von „Jugend rettet“. Das | |
Parlament in Rom stimmte indes für einen Militäreinsatz vor Libyen. | |
Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer: NGOs lehnen Italiens Kodex ab | |
Rom will mehrere Seenotretter mit einem Regelkatalog ausbremsen. Die | |
Organisationen weigern sich – der Kodex könnte die Zahl der Toten erhöhen. | |
Frankreich vermittelt im Libyen-Konflikt: Vielleicht gibt es bald Wahlen | |
Frankreichs Präsident hat zwei Kriegsparteien in Libyen zusammengebracht. | |
Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. | |
Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Zu schwach für eine Lösung | |
Die EU kommt bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht voran. Die | |
Mitgliedsstaaten verhalten sich egoistisch. Dabei wäre Solidarität dringend | |
nötig. | |
Pro & Contra Martin Schulz' Wahlkampf: Sind Flüchtlinge das richtige Thema? | |
Hat Schulz und mit ihm die Sozialdemokratie mit der Flüchtlingsfrage das | |
richtige Wahlkampfthema gewählt? Zwei Positionen. | |
Identitäre gegen Flüchtlingsrettung: Rumschwimmen, bis das Geld alle ist | |
Rechte Gruppen wollen die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer behindern. | |
Doch dümpelt ihr Schiff seit einer Woche vor Suez herum. |