# taz.de -- Bundesverfassungsgericht urteilt: Blitzabschiebung gestoppt | |
> Die Abschiebung eines erkrankten Nigerianers wurde vorerst untersagt. | |
> Auch bei kurzfristigen Ausweisungen müsse eine Einzelfallprüfung möglich | |
> sein. | |
Bild: Stoppte die Abschiebung nach Nigeria: ein Bundesverfassungsrichter | |
Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag kurzfristig | |
die Abschiebung eines psychisch kranken Nigerianers gestoppt. Der | |
entsprechende Eilbeschluss wurde am Samstag durch das Gericht | |
veröffentlicht. | |
Es muss ein dramatischer Tag gewesen sein. Am 20. Juli wurde einem | |
48-Jährigen von bayerischen Behörden mitgeteilt, dass er unverzüglich nach | |
Nigeria abgeschoben werde. Doch der Mann befindet sich in stationärer | |
psychiatrischer Behandlung. Der Chefarzt der Klinik bescheinigte ihm, dass | |
er nicht reisefähig ist. Der Patient befinde sich schon seit Ende Juni in | |
der Klinik und sei auch weiterhin stationär behandlungsbedürftig. Er leide | |
an einer paranoiden Schizophrenie, die erst jüngst diagnostiziert wurde. | |
Mit dieser Bescheinigung beantragte Iris Ludwig, die Anwältin des | |
Nigerianers, sofort eine Aussetzung der Abschiebung. Das Verwaltungsgericht | |
München lehnte den Antrag allerdings postwendend ab. Noch am 10. Februar | |
und am 23. März 2017 sei die Reisefähigkeit des Mannes „vollumfänglich“ | |
bestätigt worden. Die aktuelle Stellungnahme des Chefarztes sei dagegen | |
unerheblich, da sie sich ohne nähere Begründung darauf beschränke, eine | |
fehlende Reisefähigkeit zu behaupten. | |
Hiergegen legte Ludwig Verfassungsbeschwerde ein und beantragte eine | |
einstweilige Anordnung. Mit Erfolg. Noch am gleichen Tag entschied eine mit | |
drei Richtern besetzte Kammer des Verfassungsgerichts: „Die Abschiebung des | |
Antragstellers wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, | |
längstens für die Dauer von sechs Monaten, untersagt.“ | |
## Genug Zeit für nötige Prüfungen | |
Eine ausführlichere aktuelle ärztliche Stellungnahme sei „in der Kürze der | |
Zeit offenkundig nicht möglich“ gewesen. Schließlich sei die beabsichtige | |
Abschiebung „erst am heutigen Tag“ bekannt geworden. Es sei fraglich, ob | |
der Beschluss des Münchener Verwaltungsgerichts das Recht auf körperliche | |
Unversehrtheit und den Anspruch auf rechtliches Gehör ausreichend | |
berücksichtigt habe, so Karlsruhe. | |
Die Eilentscheidung der Verfassungsrichter weist über den Einzelfall | |
hinaus. Die Richter machen damit deutlich, dass Abschiebungen mit extrem | |
kurzer Ankündigung nicht den Rechtschutz der Betroffenen verkürzen dürfen. | |
Notfalls wird das Bundesverfassungsgericht sicherstellen, dass genügend | |
Zeit bleibt, die notwendigen Prüfungen vorzunehmen, etwa mit Blick auf eine | |
neu diagnostizierte schwere psychische Krankheit. | |
Federführender Richter für das Asylrecht ist in Karlsruhe Ulrich Maidowski, | |
der zuvor am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig tätig war. „Wir müssen | |
immer den Einzelfall sehen“, sagte er voriges Jahr bei einer Diskussion auf | |
dem Juristentag in Essen. | |
23 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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