| # taz.de -- Geschichtsaufarbeitung in Kroatien: Kein Platz mehr für Tito in Za… | |
| > Konservativer Stadtrat beschließt die Umbenennung des Marschall Tito | |
| > Platzes. Daran ändern auch massive Proteste der Bevölkerung nichts. | |
| Bild: In Zagreb gibt es jetzt keinen Tito-Platz mehr | |
| Split taz | In Kroatien will das konservativ-nationalistische Lager nichts | |
| mehr von dem aus einer kroatisch-slowenischen Familie stammenden | |
| exjugoslawischen Staatschef Josip Broz, genannt Tito, wissen. Am 21. Juli | |
| hat der mehrheitlich konservative Stadtrat unter dem Exsozialdemokraten und | |
| Bürgermeister Milan Bandić trotz heftiger Proteste der Bevölkerung den | |
| Marschall Tito Platz („Trg maršala Tita“) in „Platz der Republik Kroatie… | |
| umbenannt. | |
| Was ist los in Kroatien, das sich eines seiner bekanntesten Staatsmänner | |
| entledigt und eines der wichtigsten Kapitel seiner Geschichte entsorgt? | |
| Josip Broz Tito gehörte zweifellos zu den überragenden Persönlichkeiten des | |
| 20. Jahrhunderts. Darin sind sich Historiker, Politiker und vor allem Linke | |
| einig. | |
| Tito wurde nach dem Einmarsch deutscher und italienischer Truppen 1941 der | |
| unbestrittene Führer der Partisanenbewegung in Jugoslawien, die den | |
| bewaffneten Kampf gegen den „Faschismus“ aufnahm. In keinem Land des | |
| besetzten Europas gelang es den antifaschistischen Widerstandsbewegungen | |
| ohne nennenswerte Hilfe von außen den Gegner zu besiegen. | |
| Nur in Jugoslawien konnten sich die Partisanen, denen es gelungen war, | |
| breite Bevölkerungsschichten mit dem Schlagwort „Brüderlichkeit und | |
| Einheit“ zu mobilisieren, 1945 zurecht als Sieger fühlen. | |
| ## Sozialistische Entwicklungsdiktatur | |
| Sicher haben seine Kritiker recht, wenn sie dem sozialistischen System | |
| Jugoslawiens das Prädikat demokratisch absprechen. Tito war ein Diktator | |
| und errichtete eine sozialistische Entwicklungsdiktatur. Doch die | |
| kroatische Linke kann darauf verweisen, dass es Tito Ende der 40er-Jahre | |
| gelungen war, das Land aus dem Stalinismus zu lösen. Seine | |
| Wirtschaftspolitik verwandelte das Land innerhalb von 20 Jahren von einem | |
| Agrar- in ein Industrieland. | |
| Jugoslawien wurde zu einem führenden Land der Bewegung der Blockfreien. An | |
| die Liberalisierung der sechziger und siebziger Jahre erinnern sich noch | |
| heute die meisten Zeitgenossen in ganz Exjugoslawien als „die schönsten und | |
| freiesten Jahre“ ihres Lebens. | |
| Ende der siebziger Jahre erklärte Tito, „wenn ich euch die Demokratie gebe, | |
| werdet ihr euch die Köpfe einschlagen“. Die Kriege ab 1991 geben ihm recht. | |
| Tito war kein kroatischer Patriot, sondern Internationalist. Das ist für | |
| die kroatische Rechte der Sündenfall. Tito habe für Jugoslawien gekämpft, | |
| nicht aber für Kroatien, monieren sie. | |
| Dabei vergessen die Rechten nach Meinung des Mitglieds des Verbandes der | |
| Antifaschisten Marinko Vlašić aus Split, dass die kroatischen „Patrioten“ | |
| des rechtsradikalen Ustascha-Regimes (1941–45) Teile Kroatiens – Istrien | |
| und Teile Dalmatiens – an das Italien Mussolinis abtraten. Die Partisanen | |
| hätten diese Gebiete zurückerobert. | |
| ## Hass auf Tito | |
| Schon 1943, beim Kongress der Partisanen in Jajce, wurden die Weichen für | |
| das Wiedererstehen Kroatiens in seinen heutigen Grenzen gestellt. Zum | |
| Leidwesen serbischer Nationalisten, die Tito vorwerfen, gegen Serbien | |
| gearbeitet zu haben. Der serbische Extremist Vojislav Šešelj wollte schon | |
| 1990 Titos Grab aus Belgrad verbannen. | |
| Im Hass auf Tito sind sich die Extremisten in Kroatien und Serbien einig. | |
| „Die Diskussion in Kroatien fußt auf einer ideologischen Hysterie“, sagt | |
| der kroatische Philosoph Žarko Puhovski. Die Rechte wolle Tito verbannen, | |
| die Linke nutze einen antiquierten Begriff von Antifaschismus. | |
| „Antifaschismus heute bedeutet für Menschenrechte, Meinungsfreiheit, den | |
| Rechtsstaat und die Umwelt zu kämpfen.“ Tito jedenfalls behalte seinen | |
| Platz in der Geschichte. | |
| 23 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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