| # taz.de -- Pferde gegen den Krieg: „Wir sind nicht unschuldig“ | |
| > Der Friedensritt macht in Bremen Station um direkt bei Lürssen gegen die | |
| > Beteiligung an der Aufrüstung der Konfliktparteien im Jemen-Krieg zu | |
| > protestieren | |
| Bild: Von Vegesack trabt der Friedensritt diese Woche weiter in die Bremer City | |
| taz: Frau Radermacher, Krieg, dass ist für Sie nicht nur Sache der Länder, | |
| die ihn führen? | |
| Ute Radermacher: Nein, vor allem ist es Sache der Länder, die die Waffen | |
| exportieren. Das verursacht oder verschärft Konflikte, die dann zivile | |
| Opfer verlangen. Auch Deutschland rüstet sich und vor allem andere Nationen | |
| auf. Wir sind nicht unschuldig. | |
| Dagegen lehnen Sie sich mit einer interessanten Protestform auf – zentrale | |
| Rolle spielen Pferde. | |
| Genau. Wir veranstalten [1][jedes Jahr einen Friedensritt]. Auf Pferden und | |
| auf dem Fahrrad prangern wir Rüstungsexporte an und übermitteln eine | |
| Friedensbotschaft. | |
| Was haben Pferde aber mit Frieden zu tun? | |
| Frieden heißt nicht nur Frieden unter den Menschen, sondern auch mit den | |
| Geschöpfen und der Natur. Da gehören Pferde dazu. Außerdem besitzen wir | |
| alle Pferde. | |
| Das Hobby verband sich also mit politischen Aktivismus? | |
| Das Ganze entstand schon in den 80ern, neben anderen Initiativen. Es gab | |
| Ärzte für den Frieden, Sportler für den Frieden und halt auch Reiter für | |
| den Frieden. Ein Teil davon ist eingeschlafen, andere existieren fort. Dazu | |
| gehört auch der Friedensritt. Zudem reiten wir nicht einfach irgendwo hin. | |
| Uns ist wichtig, mit anderen Initiativen zusammenzuarbeiten, wie jetzt mit | |
| dem Bremer Friedensforum. | |
| Es wird also nicht nur vom Sattel aus protestiert? | |
| Nein. Am Samstag gab es eine große Kundgebung in Bremen Vegesack, und | |
| gestern haben wir den Bunker Valentin besucht. Der Besuch der Gedenkstätte | |
| war uns ein großes Anliegen, da wir uns auch als antirassistische und | |
| antifaschistische Bewegung verstehen. | |
| Und was ist für die kommenden Tage geplant? | |
| Am Donnerstag unterstützten wir die Mahnwache des Friedensforums auf dem | |
| Marktplatz. Das ist eine Straßenaktion mit Kleinkunst und Musik. Hier wird | |
| auch die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten fortgesetzt, inklusive eines | |
| Pferdes im Esels-Kostüm. | |
| Und anstelle des Räubers werden Rüstungsunternehmen vertrieben? | |
| So ungefähr, man kann aber auch Räuber bekehren! Es geht uns schließlich um | |
| Rüstungskonversionen, da wir die Unternehmer, nicht aber die Arbeiter | |
| bekämpfen wollen. Die, die ihr Geld mit der Herstellung von Waffen | |
| verdienen, sollten lieber etwas anderes produzieren. | |
| Zuvor sind sie von einer Stadt zur nächsten geritten. Jetzt wird | |
| ausschließlich in Bremen protestiert. Ist die Lage hier besonders brisant? | |
| Die Rüstungsproduktion ist hier enorm. Der Friedensritt begann daher auch | |
| mit einem Protest vor der Hauptverwaltung der Lürssen-Werft. | |
| Aktuell geht es um vier von insgesamt 48 Patrouillenbooten der | |
| Lürssen-Werft fürs sunnitische Königshaus Saudi-Arabiens. Die gelten doch | |
| aber als Partner gegen den Terror? | |
| Das Problem mit dem Terror ist, dass der nicht mit Waffen zu bekämpfen ist. | |
| Es ist viel einfacher, zum Terroristen zu werden, wenn es im eigenen Land | |
| keine Perspektiven gibt. Wer Konflikte anheizt, zerstört Alternativen. Die | |
| militärische Intervention von Saudi-Arabien im Jemen führt nicht zu einer | |
| Verbesserung der Lage. | |
| Machen Sie Saudi-Arabien als Hauptakteur für den dortigen Bürgerkrieg | |
| verantwortlich? | |
| Das ist eigentlich nichts Verdecktes: Es ist ein Stellvertreterkrieg, der | |
| dort geführt wird. Auf der einen Seite gibt es Saudi-Arabien, auf der | |
| anderen den Iran, der die schiitische Huthi-Bewegung unterstützt. Wer | |
| leidet, ist das Volk. Es gibt dort Hungersnöte und die Seeblockade der | |
| Saudis verhindert die Einfuhr dringend benötigter Medikamente. Wir helfen | |
| niemanden, wenn wir eine Seite hochrüsten. | |
| Verlangen Sie schärfere Export-Repressionen oder einen Exportstopp? | |
| Auf jeden Fall einen Exportstopp. Konflikte müssen ausgetrocknet werden. | |
| Das geht nur, wenn wir aufhören, ihre Parteien mit Waffen zu beliefern. | |
| Zudem besteht die Gefahr, dass die in ganz andere Hände geraten. Auch das | |
| Land, das beliefert wird, kann sich unterschiedlich entwickeln. Dann wird | |
| vielleicht auf das eigene Volk geschossen, mit Waffen aus Deutschland. Da | |
| tragen wir eine Verantwortung. | |
| Die Bundesregierung wirbt auf ihrer Seite mit einer „zurückhaltenden“ und | |
| „verantwortungsvollen“ Rüstungsexportpolitik – das sehen Sie anders? | |
| Das sehe ich ganz anders. Sie sagen zwar, dass sie nicht in Krisengebiete | |
| exportieren, tun es aber. Ich wüsste auch kein Beispiel in der Geschichte, | |
| wo der Export von Waffen jemals einen Konflikt besänftigt hat. | |
| Welche Alternative schlagen Sie vor? | |
| Es muss verhandelt werden. Dafür ist es notwendig, Eigeninteressen | |
| aufzudecken und zu reflektieren. Nicht nur bei den anderen. Das ist die | |
| einzige Chance, den Ländern und den Menschen eine neue Perspektive zu | |
| geben. | |
| Nun sind Gruppen wie die von Teheran geförderte radikal-islamische | |
| Huthi-Bewegung dafür bekannt, den Krieg zu wollen. Würde der Rückzug von | |
| militärischen Interventionen nicht in einer humanen Katastrophe enden? | |
| Andersherum: Wenn es Kräfte gibt, die gewaltbereit dagegenhalten, schaukelt | |
| sich der Konflikt immer weiter hoch. Die Lösung kann nur in der | |
| Deeskalation liegen, ohne Waffen. Das heißt natürlich auch, mit allen | |
| Gruppen an einen Tisch zu sitzen. Das ist nicht einfach. Das ist sogar sehr | |
| schwer. Ich sehe aber keine Alternative. | |
| 23 Jul 2017 | |
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| [1] https://friedensritt.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Schlittgen | |
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