# taz.de -- Ausstellung über Polenkönig Jan III.: Den Sieg in Bildern feiern | |
> Zu Pferde ließ er sich am liebsten malen: Jan Sobieski, Bezwinger der | |
> Türken vor Wien, kehrt in einer großen Schau an die Donau zurück. | |
Bild: Gemälde von Henri Gascar: Porträt der Familie von Jan III. Sobieski, 16… | |
Der Name Jan Sobieski ist in Wien ein „household name“, wie es Stella | |
Rollig, die Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, ausdrückt. | |
Jedes österreichische Volksschulkind hat vom Polenkönig gehört, der im | |
September 1683 mit seinem Entsatzheer kam und die Belagerung Wiens durch | |
das osmanische Heer unter Großwesir Kara Mustafa beendete. Umso | |
erstaunlicher ist es, dass der Polenkönig als Ikone in der Stadt praktisch | |
nicht präsent ist. | |
Nur zwei anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums 1983 gestiftete Gedenktafeln | |
tragen sein Porträt: die eine enthält ein Profilrelief, das an der | |
Sobieski-Kapelle auf dem Kahlenberg angebracht wurde, auf der anderen ist | |
eine Reliefdarstellung en face zu sehen. Diese wurde von der | |
Österreichisch-Polnischen Gesellschaft an der Außenseite der | |
Augustinerkirche im 1. Bezirk montiert. Dort soll der siegreiche Feldherr | |
am Tag nach der Schlacht die Messe besucht haben. | |
Von den 94 Exponaten, die nun in der Ausstellung „Jan III. Sobieski. Ein | |
polnischer König in Wien“ im Winterpalais des Prinzen Eugen in Wien zu | |
sehen sind, kommen ganz wenige aus österreichischen Sammlungen. Darunter | |
kein einziges Porträt des Monarchen. | |
Umso reicher sind die polnischen Schlösser und Gedenkstätten, die Sobieski | |
bauen ließ oder bewohnt hat, mit Bildern und Memorabilia ausgestattet. Mit | |
seinem Hang zur Selbstinszenierung hat er durchaus etwas mit vielen | |
zeitgenössischen Politikern gemein. So ließ er nicht nur Porträts, | |
Reiterstandbilder und Schlachtengemälde anfertigen, die seinen Sieg über | |
die Osmanen feierten, sondern veröffentlichte auch seine Feldpost an | |
Ehefrau Marie Casimire, in denen er während der Militäroperation auch das | |
Kampfgeschehen detailreich beschrieben hatte. | |
Die Ausstellung ist keinem Jahrestag oder runden Jubiläum geschuldet. | |
Vielmehr wurde sie dem Belvedere von den polnischen Museen angeboten, wie | |
Konrad Pyzel, Co-Kurator und Direktor des Museums Schloss Wilanów in | |
Krakau, erklärt. Die dreijährige Vorbereitung sei dann auch ein | |
willkommener Anlass gewesen, dem polnischen Kultusministerium die Kosten | |
für die Restauration etwas vernachlässigter Artefakte abzuluchsen. Unter | |
den 29 Leihgebern sind die Schlösser bzw. Museen in Krakau, Warschau, | |
Danzig und Posen besonders prominent vertreten. | |
Die Polnisch-Litauische Union des 17. Jahrhunderts war eine Adelsmonarchie, | |
in der der polnische König (gleichzeitig litauischer Großfürst) unter | |
Beteiligung des gesamten Adels aufgrund nachweisbarer Meriten gewählt | |
wurde. Jan Sobieski führte im November 1674, einen Tag nach dem Tod von | |
König Michał Korybut Wiśniowiecki, bei Chotyn eine erfolgreiche Schlacht | |
gegen die Osmanen an. Damit bot er sich gleichsam als natürlicher | |
Nachfolger an. | |
## Liebender Vater | |
Der Sultan, der halb Europa in die Tributpflicht gezwungen hatte, setzte | |
damals zum Sturm auf Mitteleuropa an. Als die osmanischen Truppen über den | |
habsburgischen Teil Ungarns herfielen, sahen sich Kaiser Leopold I. und | |
Sobieski veranlasst, einen Beistandspakt zu schließen obwohl Leopold dem | |
mit einer Französin verheirateten Polen, der mit Ludwig XIV. paktiert | |
hatte, anfangs nicht über den Weg traute. Frankreich hatte ja mit der Hohen | |
Pforte gegen die Habsburger konspiriert. | |
Niemand wusste, ob Wien oder Krakau das nächste Ziel der Osmanen sein | |
würde. Für den Fall einer Belagerung Wiens sagte Sobieski Truppen von | |
40.000 Mann zu. Der Kaiser erließ Polen im Gegenzug alle Schulden und | |
verpflichtete sich, mit den Einkünften der venezianischen Kirchen für den | |
Sold der polnischen Soldaten aufzukommen. Ein Original dieses Offensiv- und | |
Defensivbündnisses mit der Ratifikation und dem Siegel Sobieskis hat das | |
Österreichische Staatsarchiv zur Ausstellung beigesteuert. | |
Sobieski ließ sich, um seinen geringen Wuchs zu kaschieren, fast nur zu | |
Pferde oder sitzend porträtieren. Neben Porträts in Feldherrenpose und | |
Darstellungen des Gemetzels vor den Toren Wiens ist der König als | |
Familienmensch dargestellt. Tatsächlich soll er ein liebender Vater gewesen | |
sein, der seine Kinder, anders als beim Hochadel damals üblich, nicht | |
fremden Erziehern überlassen hatte. Die Ehe mit der ehemaligen Hofdame | |
Marie Casimire d’Arquien war eine echte Liebesverbindung. | |
Sie stammte aus einem alten, aber verarmten französischen Adelsgeschlecht | |
und soll die treibende Kraft hinter den dynastischen Ambitionen ihres | |
Mannes und dem lukrativen Postenschacher am Hof gewesen sein. Auf einem | |
Familienporträt des Hofmalers Jerzy Eleuter Szymonowicz-Siemiginowski ist | |
Jakub, der einzige Sohn, der das Mannesalter erreichte, mit königlichen | |
Attributen ausgestattet. | |
Nach dem erfolgreichen Entsatz von Wien versuchte Sobieski erfolglos, | |
seinen halbwüchsigen Spross als König des von den Osmanen teilweise | |
geräumten Ungarn zu installieren. Und obwohl er Jakub schon in jungen | |
Jahren in offizielle Staatsgeschäfte mit einbezog und durch die | |
Verheiratung mit der Tochter des Kurfürsten Wilhelm von der Pfalz zum | |
Schwager des Kaisers machte, verweigerte der polnische Adel später dessen | |
Wahl. | |
## Mäzen von Kunst und Wissenschaft | |
Den polnischen Ausstellungsmachern war auch sehr daran gelegen, den | |
populären König als Mäzen von Kunst und Wissenschaft zur Geltung zu | |
bringen. Mit seiner Prachtentfaltung hat er einige Baumeister und Maler | |
reich gemacht. Er finanzierte aber auch die Ausbildung junger Talente, die | |
später an den europäischen Fürstenhöfen Karriere machen sollten, und umgab | |
sich mit Intellektuellen verschiedener Nationen. Der Astronom und | |
Bierbrauer Johannes Hevelius dankte dem König die Förderung, indem er eine | |
von ihm entdeckte Sternenkonstellation nahe dem Himmelsäquator als scutum | |
sobiescianum (Schild des Sobieski) in seinen Himmelsatlas aufnahm. Noch | |
heute kennt man das Sternbild als Schild. | |
Als eines der Zugeständnisse, das Sobieski Kaiser Leopold für den Beistand | |
gegen die Osmanen abringen konnte, durfte er sich großzügig an der | |
Kriegsbeute bedienen. Deswegen sind die meisten der von Kara Mustafa | |
zurückgelassenen Zelte, Waffen und Kunstgegenstände heute in Polen zu | |
bewundern. Nur ein kleiner Teil wie ein Prunksattel, ein reich verzierter | |
Dolch und eine vergoldete und mit Rosshaar geschmückte Bunchuk-Standarte | |
sind nach Wien gereist. Wie damals üblich, sind muslimische Beutestücke zur | |
besonderen Demütigung des Feindes für katholische Riten in Besitz genommen | |
worden. So ließ der König wertvolle Stoffe zu Priesterornaten umschneidern. | |
Einer davon ist in der Ausstellung zu sehen. | |
Wenn Sobieski in Wien als treuer Verbündeter in der Stunde der Not in | |
Erinnerung bleibt, so genießt er in Polen Heldenstatus. „Ins kollektive | |
Gedächtnis hat dieser sich vor der Folie der Teilungen Polens Ende des 18. | |
Jahrhunderts in zweierlei Weise eingeschrieben – als ungenutzter, schlecht | |
angelegter Sieg und als letzter großer Triumph zugleich“, schreibt die | |
Barock-Spezialistin und Co-Kuratorin Maike Hohn im Katalog. | |
## Politiker missbrauchen den „Türkenbezwinger“ | |
Auch später wurde Sobieski gerne zum Bedienen nationalistischer Gefühle | |
benutzt. Und auch heute noch missbrauchen Politiker den „Türkenbezwinger“, | |
um die Abschottung des Landes gegen Flüchtlinge aus der islamischen Welt zu | |
rechtfertigen, sagt Konrad Pyzel, der vor allem Abgeordnete der regierenden | |
rechtsnationalistischen PiS beobachtet hat, die sich auf Sobieski berufen. | |
Ob sich Sobieski und Prinz Eugen, der als junger Offizier am Entsatz von | |
Wien beteiligt war, je begegnet sind, ist nicht dokumentiert. Seine große | |
Zeit kam erst zwei Jahrzehnte später, als er das Osmanische Reich Schlacht | |
um Schlacht aus dem Habsburgerreich zurückdrängte. Dennoch ist das barocke | |
Winterpalais des großen Feldherrn, das mit gigantischen Schlachtengemälden | |
ausgestattet ist, sicher ein passender Rahmen für diese Ausstellung. | |
Ob das Belvedere dieses vor wenigen Jahren restaurierte Palais künftig | |
weiter bespielen darf, ist allerdings zurzeit unklar. Der Vertrag mit dem | |
Finanzministerium, dem das Gebäude gehört, läuft im November aus. Ob er | |
verlängert wird, entscheidet sich wohl erst nach den Wahlen vom 15. | |
Oktober. | |
25 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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