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# taz.de -- Pferdesteuer in Schleswig-Holstein: Tangstedt gegen Jamaika-Zügel
> Die Gemeinde Tangstedt beschließt eine Pferdesteuer. Der
> Koalitionsvertrag schließt eine Besteuerung von Sportarten aber aus – nun
> wollen Reiterinnen klagen
Bild: Viele Pferdemädchen sind traurig: Ihre Eltern müssen jetzt noch mehr be…
Am späten Nachmittag füllt sich die Wiese vor der Turnhalle der Tangstedter
Grundschule. Hunderte ReiterInnen ohne Pferde tragen Banner und Plakate mit
Aufschriften wie: „Sport-Steuer Nein Danke!“ oder „Nein zur Pferdesteuer�…
Mittendrin Anja Granlien, Reitlehrerin und Organisatorin der Proteste gegen
die Pferdesteuer.
In der Turnhalle wird an diesem Mittwochabend die Entscheidung gefällt. Die
Gemeinde Tangstedt führt die Pferdesteuer ein. Ab Juli müssen HalterInnen
jährlich 150 Euro pro Pferd an die Gemeinde zahlen. Sonst droht eine Strafe
von bis zu 5.000 Euro. Damit ist Tangstedt die erste Gemeinde in
Schleswig-Holstein mit einer Steuer auf Pferde. Und bundesweit eine von
vier, neben dreien in Hessen. Anja Granlien ist entsetzt: „Für mich und
meinen Mann bedeutet die Steuer Existenzängste.“ Ihre Kunden hätten bereits
angedeutet, dass sie ihre Tiere bei Einführung der Steuer in einer
Nachbargemeinde unterbringen werden.
In der Turnhalle, wo viele der DemonstrantInnen von draußen Platz gefunden
haben, ist die Stimmung aufgeheizt. Es gibt ein wildes Hin und Her zwischen
Befürwortern und Gegnern der Pferdesteuer. Immer wieder gibt es Applaus,
spricht sich ein Abgeordneter dagegen aus. Mehrfach sieht sich der
Bürgermeister gezwungen, die ReiterInnen zu ermahnen.
Mit zehn zu sieben Stimmen und einer Enthaltung – von Bürgermeister Norman
Hübener – wird die Steuer beschlossen. Damit trotzt die Gemeinde der neu
gewählten Jamaika-Koalition, die sich die Förderung von Sport zum Ziel
gesetzt hat. Im vorläufigen Vertrag der neuen Landesregierung wird „die
Erhebung von Steuern auf Sportarten (beispielsweise Reitsport)
ausgeschlossen“. Und erst kürzlich sagt Schleswig-Holstein einen Zuschuss
von sieben Millionen Euro für den Stadion-Umbau des Fußball-Zweitligisten
KSV Holstein Kiel zu, woran auch die neue Regierung festhalten will.
Während der „Männersport“ Fußball gefördert wird, sollen ReiterInnen
zahlen, kritisieren GegnerInnen. Die Pferdesteuer sei frauenfeindlich. Der
Frauenanteil im Tangstedter Reitsport betrage 91 Prozent, bestätigt
Granlien. Das sei eine „unsinnige Behauptung“, sagt Lothar Metz (SPD). Für
ihn steht fest, dass die ReiterInnen von der „idyllischen Lage“ der Stadt
profitierten, aber nicht zum Haushalt beitrügen. Tangstedt stünde aber
finanziell schlecht da.
Arne Müssig (CDU) entgegnet, dass die Gemeinde schlecht gewirtschaftet habe
und die Schulden erst seit dem Regierungswechsel vorlägen. Tangstedt ist
mit 3,14 Millionen Euro verschuldet. Die neue Steuer soll etwas Geld in die
Kassen spülen. Bei etwa 700 Tieren und 150 Euro pro Jahr erwartet die
Gemeinde jährliche Einnahmen von 75.000 bis 100.000 Euro.
Dagegen hält Müssig, dass die Einführung der Steuer mit einem erheblichem
Aufwand verbunden sei. Die derzeit dafür angedachten 6.000 Euro seien
unrealistisch, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion Tangstedt. Den
unnötigen Verwaltungsaufwand solle sich die Gemeinde aus seiner Sicht
besser sparen. Wenn der Vertrag der Regierungskoalition in Kraft tritt,
könnte die Pferdesteuer eventuell ohnehin wieder gekippt werden.
Trotzdem kommen zunächst auf PferdehalterInnen neue Kosten zu. Anja
Granlien besitz sechs Pferde, das macht im Jahr 900 Euro der neuen Steuer.
Hinzu kommen ungefähr 800 Euro, die ReiterInnen monatlich für Stall, Futter
und Unterricht zahlen, plus Zusatzkosten für den Tierarzt und die
Haftpflichtversicherung. Dass weder Proteste noch der Koalitionsvertrag die
Entscheidung verhindern konnten, kann Anja Granlien nicht verstehen: „Die
machen sich total lächerlich.“
Eine Rechtsanwaltkanzelei in Hamburg bestätigte, dass eine
Normenkontrollklage gegen die Rechtmäßigkeit der Pferdesteuer-Satzung vor
dem Oberverwaltungsgericht Schleswig vorbereitet werde. Reiterinnen aus
Tangstedt hätten den Auftrag erteilt. Die Klage könne erst eingereicht
werden, wenn die Satzung vorliege.
16 Jun 2017
## AUTOREN
Katharina Kücke
## TAGS
Pferde
Steuer
Schleswig-Holstein
Jamaika-Koalition
Jamaika
Frieden und Krieg
Pferde
Haushaltskrise
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