# taz.de -- Pro und Contra: Her mit der Pferdesteuer? | |
> Die Gemeinde Tangstedt in Schleswig-Holstein plant, eine Pferdesteuer | |
> einzuführen, um das Defizit in der Gemeindekasse zu verringern. Ist das | |
> gerecht? | |
Bild: Die Gemeinde Tangstedt plant eine Pferdesteuer: Pferdebesitzer finden das… | |
Pro | |
Natürlich wird das Lamento groß sein. Von Abzockerei wird geredet werden | |
und von Sozialneid. Aber, dass mit Tangstedt endlich auch mal im | |
rossreichen Norddeutschland ein Ort seinen kreativen Spielraum nutzt, um | |
das verbreitete kommunale Einnahmeproblem zu verringern, und ernst macht | |
mit der Pferdesteuer, ist ein gutes Signal. Ja verantwortungslos ist, dass | |
die Niedersachsen und Schuldenkönige wie die Bremer davon absehen. | |
Denn zulässig ist eine solche Steuer allemal. Jedem ist ja klar, dass für | |
Reitpferde Aufwand betrieben wird, mehr sogar als für Bello. Genauso ist | |
bekannt, dass sich in diesem Aufwand – und auch hier wieder mehr als beim | |
Hund – die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pferdebesitzers | |
ausdrückt. Ihm deshalb analog zur Hundesteuer eine Abgabe aufzuerlegen, | |
mindert nur eine Ungleichbehandlung: Eine Steuer für Reitpferde, die | |
selbstverständlich Ausnahmen für Therapiepferde und andere berufliche | |
Haltungsformen definieren muss, erhöht die Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit | |
ist gut, und kein Grund, zu jammern. | |
Wichtiger noch ist die erhoffte Lenkungswirkung. Denn, von | |
PferdebuchromantikerInnen gern verdrängt, so ein Ross macht viel Mist, und | |
ein Rennpferd mehr, als die einst auf den Höfen eingesetzten Großpferde. Im | |
Schnitt scheidet ein Rassehengst jährlich fast 67 Kilo Kaliumoxyd aus, 23,4 | |
Kilo Phosphat – und 53,6 Kilo Stickstoff. Wer über die Gewässerbelastung | |
klagt, Güllekataster konzipiert und den Stickstoffüberschuss in den | |
Tierhaltungsregionen Norddeutschlands moniert, hat Recht. | |
Aber die Massenmast ist nicht allein schuld am Problem. Auch die | |
Luxus-Pferdepopulation ist regelrecht explodiert: Laut Deutscher | |
Reiterlicher Vereinigung liegt ihre Zahl derzeit bei 1,1 Millionen, also | |
viermal so hoch, wie noch vor 40 Jahren. | |
Eine Pferdesteuer verspricht also nicht nur ein Plus für arme Kommunen. Sie | |
wäre, wenn ihr gelänge, dieses Wachstum einzudämmen, auch ein Segen für | |
Umwelt und Gewässer. Und Wasser ist Leben. | |
Benno Schirrmeister | |
Contra | |
Gehen der Politik die Ideen aus, erfindet sie eine neue Steuer. „Pferde-“ | |
oder „Boxensteuer“ heißt das Ding, das in Tangstedt ziemlich unverblümt | |
erhoben wird, um das Haushaltsdefizit der Gemeinde zu verringern. Die | |
Steuer ist eigentlich als Aufwandssteuer gedacht. Der Alternativvorschlag | |
der Reiter, sie könnten selbst für die Pflege der Reitwege sorgen, wurde | |
von der Gemeindevertretung aber verworfen. Und es wurde auch nicht | |
beziffert, welchen Aufwand die Reiter der Gemeinde tatsächlich verursachen. | |
Stattdessen ziehen die Gemeindevertreter eine einzelne, vermeintlich reiche | |
Gruppe heran, das Problem aller zu lösen. Das ist nicht fair und hat | |
fragwürdige Folgen. Denn durch das Höfe-, Kneipen- und Ladensterben drohen | |
die Dörfer ohnehin schon, ihre Lebendigkeit zu verlieren. Das mag für einen | |
Ort wie Tangstedt im Hamburger Speckgürtel weniger dramatisch sein als für | |
andere Kommunen. Denn sollte das, was das Leben auf dem Land ausmacht, | |
nicht auch noch erschwert werden. Dazu gehört das Reiten. | |
Pferde und Reiter sind wichtig, damit die Dörfer Gesicht zeigen können, | |
besonders wenn deren Züge durch die Industrialisierung der Landwirtschaft | |
zu verschwimmen drohen. Das Reiten schafft Arbeitsplätze und bietet | |
Gelegenheiten zum ehrenamtlichen Engagement im Verein. Pferde und Reiter | |
bereichern mit öffentlichen Auftritten das kulturelle Leben. | |
Das Reiten ist eine naturnahe Art, sich zu erholen. Außerdem verschafft sie | |
Menschen die nicht mehr selbstverständliche Möglichkeit, eine Beziehung zu | |
einem Mitgeschöpf aufzubauen – eine Erfahrung, die vor allem von | |
Heranwachsenden gesucht wird. Immerhin drei Viertel aller aktiven Reiter | |
sind nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung 21 Jahre und | |
jünger. | |
Man sollte sich von dem Klischee der Zahnarzttochter, die sich einen Gaul | |
hält, nicht täuschen lassen. Reiten ist nicht nur ein Sport für Reiche. | |
Andersrum wird ein Schuh draus: Wer eine Pferdesteuer erhebt, ist auf dem | |
besten Weg, das Reiten zum Sport für Reiche zu machen.Gernot Knödler | |
29 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Gernot Knödler | |
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