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# taz.de -- Literatur aus Afrika: Von Afrika nach Niederbayern
> Trotz steigenden Aktualitätsdrucks wird in dieser Zeitung immer noch
> zweckfrei diskutiert – etwa zur Frage, wie Literatur entsteht.
Bild: Auch in Afrika gibt es Bibliotheken voller Bücher. Die Literatur entstam…
Im hausinternen „Tagesthema“ der taz wird seit Mittwochabend intensiv die
These einer ehemaligen Mitarbeiterin erörtert, dass Literatur aus Literatur
entstehe: Das sei auch der Grund, warum es auf dem afrikanischen Kontinent
keine Literatur gebe. Dagegen gab es etliche Einwände: Das sei
überheblicher Rassismus, etwas abgeschwächt: das sei zu sozialromantisch
gedacht. Tatsache sei jedoch, dass Frauen es in Afrika als
Schriftstellerinnen sehr viel schwerer hätten als Männer.
Der nächste Einwand lautete: „Mein südafrikanischer Englischlehrer hätte
mir eine solche These fett und rot angestrichen und ‚Overbroad
generalization‘ angemerkt“, denn sie sage eher etwas über die Verbreitung
und Würdigung von Literatur aus als über ihr Vorhandensein.
Dies wurde bekräftigt durch eine wutbürgerliche Aussage: „Es wird an den
afrikanischen Universitäten jede Menge publiziert, auch Literatur
natürlich, aber diese autoritätsfixierten Schweineeuropäer übersetzen nur
Amischeiß“ – dieses Zeug mache weit über 80% unserer übersetzten Fiction-
und Nonfiction-Bücher aus. Inzwischen sei bereits unsere ganze Sprache mit
Amiwörtern perforiert.
Auch die Le Monde diplomatique mit ihren Autoren in den
Afrika-Forschungsinstituten, die auf die Kolonialherrschaft zurückgehen,
sei nur eine buchstäblich halbherzige Lösung dieses Problems – eben eine
diplomatische. Noch der auch hierzulande bekannte Autor Achille Mbembe aus
Kamerun habe sich in seiner „Kritik der schwarzen Vernunft“ vor allem mit
europäischer Theoriebildung auseinandergesetzt.
## Abseitig? Von wegen!
Der bayrische Filmemacher Herbert Achternbusch, den Heiner Müller einst
einen „Klassiker des antikolonialen Befreiungskampfes auf dem Territorium
der BRD“ nannte, hat einmal gesagt: „Da wo früher Deggendorf und Passau
war, ist jetzt Welt. Die Welt hat uns vernichtet, das kann man sagen.“
Dazu fiel einem anderen taz-Mitarbeiter ein: Als der ägyptische Autor Nagib
Machfus 1988 den Literaturnobelpreis bekam, habe der FAZ-Herausgeber Frank
Schirrmacher, der als autoritärer Sack auch nur Amitexte las, sich
verächtlich über diesen unbekannten Autor geäußert und über das
Nobelkomitee gewundert, was das für abseitige Autoren ehren würde.
Zurück zur Kritik der Ausgangsthese: Die Romane von Machfus und vielen
anderen aus dem afrikanischen und dem arabischen Raum sind vor allem
deswegen so gut, weil diese Literatur nicht aus Literatur entsteht, sondern
aus einer langen und großartigen Kultur der mündlichen Erzählung.
Diese Literatur hat laut Ivan Illich gegenüber den Romanen (aus Romanen)
für sich, dass sie eine „vernakuläre Sprache“ entfaltet. Er bezeichnet
damit all jene Aktivitäten, die nicht von den Ideen des Austauschs
motiviert sind, also die autonomen Handlungen außerhalb des Marktes. Für
ihn besteht das vernakuläre Sprechen aus Wörtern und Redewendungen, die im
eigenen Bereich desjenigen, der sich ausdrückt, kultiviert werden, im
Gegensatz zu dem, was woanders kultiviert und herbeigebracht wird.
Die taz hatte kürzlich in Vorbereitung auf den G20-Gipfel zehn afrikanische
Journalistinnen zu einem Workshop nach Berlin eingeladen, deren Länder
nicht in Hamburg vertreten sind. Anschließend fuhren einige der Gäste mit
nach Grimma in ein idyllisch an der Mulde gelegenes „Dorf der Jugend“, um
an einem runden Tisch über Journalismus zu diskutieren. Die nigerianische
Bloggerin Mercy Abang erzählte dort, dass sie übers Land fahre und
Gespräche führe, sie habe inzwischen fünf Millionen Leute, die ihre Arbeit
regelmäßig verfolgen („Follower“ auf Amerikanisch: Mercy Abang wird von
einer US-Stiftung unterstützt).
7 Jul 2017
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Afrika
Literatur
Nobelpreis für Literatur
Afrika
Theater
Festival
Postkolonialismus
Afrika
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