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# taz.de -- Die Wahrheit: Oma Oermels Krautkantine
> Das geheimnisvollste Lokal der Welt kennt genau zwei Kategorien von
> Gästen. Aber wehe, man verstößt dort gegen die Etikette …
Mein Herz hämmerte gegen das Brustbein, als wolle es endlich mal hinaus aus
seinem engen Käfig, und ich blinzelte vom Bett aus durchs Fenster in das
Licht des werdenden Tages. Ich seufzte erleichtert und erinnerte mich: Die
ganze Stadt hatte von einem neuen Restaurant geschwärmt, das „Oma Oermels
Krautkantine“ hieß.
„Diese Kartoffelpuffer, diese Rouladen!“, schnurrten die Leute verzückt:
„Einfach göttlich, wie früher daheim, es . . .“ Dann brachen sie, von
Erinnerungen überwältigt, in Tränen aus, und angeblich kam es gar nicht
selten vor, dass Oma Oermels Gäste während des Essens kleine
Kartoffelschiffchen begleitet von „Tuut!-Geräuschen durch die Bratensoße
kreuzen ließen oder zum Nachtisch einen Schnuller verlangten.
Der Laden hatte in dem alten Buspavillon vor dem Botanischen Garten
aufgemacht, der seit Langem wegen Baufälligkeit gesperrt und eigentlich
viel zu klein für ein Restaurant war. Als ich aber hineinging, öffnete sich
drinnen ein riesiger Speisesaal mit einer breiten Fensterfront und einer
endlosen Reihe von voll besetzten Tischen.
„Oermelant?“, fragte ein Kellner, und ich nickte, ohne zu wissen, was das
bedeutete. Er führte mich quer durch den Saal zu einer dunklen Ecke unter
einer Treppenschräge, in der ein winziger Tisch mit einem
Plastikschemelchen stand. Der Kellner drückte mich auf den Hocker hinunter.
„Normal oder Schmatzofatzo?“, fragte er. „Äh . . .?“, ähte ich, doch …
nickte nur und sagte: „Also Schmatzofatzo“, und verschwand.
Ich blickte mich um. Auf einer Schiefertafel stand: „Schmatzofatzo! Frika
mit Kartoffelpü und Erbsen in Mehlschwapp“. Ich fand Mehlschwapp nicht
besonders schmatzofatzo, aber schon brachte der Kellner mir meinen Teller.
Es roch in der Tat wie in Mamas Küche, ich fühlte mich weich und milde, und
als der Kellner fragte: „Ist’s recht?“, nickte ich glücklich. Da aber
betrachtete ich das Gericht genauer, und schlagartig floss aller
Glückseligkeitskleister von mir ab.
„Aber das Essen“, stotterte ich, „ist ja gestrickt!“ – „Waas?!“, …
der Kellner empört. „Es ist aus Wolle!“, rief ich. „Waas?!“, schrien d…
anderen Gäste. „Aus Lego, es ist aus Legosteinen!“, krächzte ich, denn das
Essen hatte sich verwandelt, und dann sprang ich auf und rannte los.
Der Kellner verfolgte mich. „Haltet ihn, macht ihn fertig!“, rief eine alte
Dame, die jetzt auf seinen Schultern saß und mit einer Suppenkelle
herumfuchtelte: „Er ist ein Anti-Oermel!“
Ein Zischen und Buhen erhob sich an den Tischen, Legofrikadellen flogen mir
an den Kopf, man kratzte und trat mich, Messer blitzten und – dann wachte
ich mit hämmerndem Herzen auf, blinzelte in das Licht des werdenden Tages
und seufzte erleichtert. „Was für ein bescheuerter Traum“, schnaufte ich
und schlurfte ins Bad. Aus dem Spiegel jedoch blickte mir ein zerkratztes,
von Beulen und blauen Flecken übersätes Gesicht entgegen, und draußen vor
meiner Wohnungstür hörte ich ziemlich viele Menschen rumoren, deren
aufgebrachtes Krakeelen nichts Gutes versprach.
27 Jun 2017
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Restaurant
Trend
Freundschaft
Theater
Sommer
Deutsche Universitäten
Kochen
Psychologie
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