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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Eroberung von Krusaria
> Es war kein verregneter, kühler Sommer, es war glühend heiß und
> staubtrocken, als in der Stadt auf einmal die Wundersamen ihr Unwesen
> trieben …
Dass die Dichte der Irren in unserer Stadt besonders hoch ist, wurde
niemals deutlicher als im letzten glühend staubtrockenen Sommer. Wochenlang
hatten Wolken und Gewitter einen Bogen um unsere durstige Wüstensiedlung
gemacht, sodass das Wasser des Flusses immer brauner und öliger wurde und
schließlich eine Insel freigab: Sie war schlammig und klein, aber allemal
groß genug, um unsere Wundersamen auf dumme Gedanken zu bringen.
Bald schon stand eine schief zusammengenagelte Bretterbude am nördlichen
Zipfel der Insel, in der Norbert, der Stadtindianer, hauste. Mit Hilfe
einer Flaschenpost, die er kurzerhand ans andere Ufer hinüberwarf, erklärte
er, dass Robinson Crusoe ihm im Traum erschienen sei und den Auftrag
gegeben habe, die Insel in seinem Namen in Besitz zu nehmen und die
Sozialistische Republik Krusaria auszurufen. „Jeder“, so die Flaschenpost
weiter, „der sein Vermögen der guten und gerechten Sache widmen will und
freie Liebe klasse findet, ist eingeladen, seinen Pass wegzuschmeißen und
Bürger Krusarias zu werden. Vor allem junge hübsche Frauen.“
Auf junge Frauen wartete er vergeblich, dafür befand sich am nächsten
Morgen auch am südlichen Ende der Insel eine Hütte. Vor ihr stand
Philosophen-Tony, der Tag für Tag stundenlang durch die Stadt wanderte und
dabei lauthals über den Weltgeist, den Leviathan und „Onti, das Ontum“
räsonierte, weil er sich abwechselnd für Hegel, Hobbes oder Heidegger
hielt. Jetzt aber erklärte er, dass Christoph Kolumbus, also er selbst,
dieses Eiland eindeutig als versprengten Teil des amerikanischen Kontinents
identifiziert habe und, als legitimer Herrscher desselben, zuallererst
verfüge, dass alle sozialistischen Traumtänzer mit einem Hang zu promisker
Lebensführung sich unverzüglich verpissen sollten.
Natürlich ließ Norbert sich derlei von einem stadtbekannten Verrückten
nicht bieten, und so kam es erst zu gegenseitigen Verwünschungen und dann
zu einem langen, zähen Ringkampf um die Inselmacht. Zugleich eröffneten am
Ufer die ersten Bratwurstbuden, ein älterer Herr verlieh rostige
Operngläser zu Wucherpreisen und ein geschäftstüchtiger Dreikäsehoch bot
Inselumrundungen auf einer Luftmatratze an.
Ein paar Schritte weiter gab ein Vollbartträger in einer seemännischen
Fantasieuniform einem Fernsehteam ein Interview, in dem er behauptete, dass
er, Käpt’n Nemo, gleich nach Atlantis übersetzen, dem unwürdigen Schauspiel
ein Ende machen und die zwei Schlammcatcher ins Meer werfen werde.
Als schließlich auch noch ein Typ in einer Lokomotivführerkluft auftauchte,
ein abgewracktes Tretboot klarmachte und aus einem Radiorecorder lautstark
das Lummerlandlied ertönen ließ, entschied ich mich allerdings, nach Hause
zu gehen und noch mal ernsthaft darüber nachzudenken, ob ich meine Zelte in
dieser Stadt nicht abbrechen und irgendwo anders unter ganz normalen Leuten
leben sollte. Man hat ja auch einen Ruf zu verlieren.
6 Jul 2017
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Sommer
Freundschaft
Theater
Restaurant
Deutsche Universitäten
Kochen
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