# taz.de -- Kolumne Kapitalozän: Das Bimbeswurmloch | |
> Mir fehlt Jean-Luc Picard viel mehr als Helmut Kohl. Picard hat nämlich | |
> eine ganze Generation von Nerds vor Kohl gerettet. | |
Bild: Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) guckt ungläubig auf Helmut Kohl (zu re… | |
Mir fehlt Jean-Luc Picard viel mehr als Helmut Kohl. Sie wissen schon, der | |
Captain der USS Enterprise in Next Generation. Lief kurz vor der | |
Wiedervereinigung erstmals in Deutschland. | |
Von Historikern weitestgehend unbeachtet ist der Umstand, dass Picard eine | |
ganze Generation von Nerds in materiell ordentlich situierten deutschen | |
Mittelschichtfamilien vor Kohl gerettet hat. Politik, das war Anfang der | |
90er der „Tagesschau“-Gong und dann ein alter Mann, der mit tiefer Stimme | |
die Ortsmarke der Aufmachermeldung verkündete: „Bonn“. | |
Utopie, das war dagegen die Föderation der Planeten. Star Trek hat | |
Millionen von Jungs zum Postkapitalismus erzogen, Mädchen haben das nicht | |
geguckt. In Star Trek arbeiten alle Menschen altruistisch nur zum Wohle | |
einer Gemeinschaft aus Menschen und Aliens. Wer was will, der geht zum | |
Replikator und sagt: „Earl Grey, heiß.“ Schon erscheint eine Tasse Tee. Es | |
gibt kein Geld, keine Konten, keine Banken, kein Gehalt, alles läuft | |
einfach so. | |
Erst Ende der 90er-Jahre, bereits zum Manne gereift, wurde mir klar, wer | |
der Mann sein könnte, der uns den Weg hin zu diesem intergalaktischen | |
Kommunismus bereitet: Helmut Kohl. Obwohl man damals in meinen Kreisen | |
Joschka wählte. Niemand wählte die Grünen. Man wählte Joschka. Kohls großes | |
Vermächtnis ist, dass er Geld zu Bimbes machte. Erinnern Sie sich noch an | |
diesen tiefen, weichen Sound, aus massigem Körper hervorgepresst, wie von | |
einem gigantischen Laubfrosch? „Bimbes.“ | |
## Geld fehlt. Und Bimbes? | |
Ich sah darin schon immer die eigentliche geistig-moralische Wende Kohls. | |
Geld ist Bimbes, weil die Mächtigen dieser Welt munter damit um sich | |
werfen, es gering schätzen und als formlose Masse sehen. Als Bimbes | |
verliert Geld bald Maß und Autorität. Dachte ich und sollte Recht behalten. | |
Nur eben nicht so, wie sich Jean-Luc Picard das vorstellen würde. | |
Für die meisten Menschen ist Geld etwas, das fehlt. Man arbeitet dafür, | |
verkauft also seine Lebenszeit an eine Frittenbude, einen transnationalen | |
Konzern oder eine NGO, die den transnationalen Konzern scheiße findet; und | |
den Erlös aus dem Verkauf fressen dann die Kinder, das Haus, die Miete, der | |
Hund oder der Suff wieder weg. | |
Geld ist also etwas mit konkretem Gegenwert, denken Sie, aber weit gefehlt. | |
Geld ist Bimbes. Im globalen Irrenhaus macht man Geld wie Picard Tee am | |
Replikator: Man drückt auf einem Knopf und – schwup – ist es da. Kein Witz. | |
Eine Bank schafft Bimbes auf Knopfdruck. Sie muss nur aufpassen, dass sie | |
ein Mindestmaß an echten Werten zur Gegenfinanzierung vorhält. Was nun | |
„echte Werte“ sind, darüber wird reichlich gefachsimpelt. | |
Die Folge ist, dass die Welt mit 325 Prozent ihrer eigenen | |
Wirtschaftsleistung bei sich selbst verschuldet ist, haben ein paar Amis | |
ausgerechnet. Weil jeder Horst oder Helmut Bimbes machen kann. | |
Und wie kommen wir jetzt zur geldlosen Utopie? Meine Vermutung ist, dass | |
all die Billionen dieser Welt demnächst zu einem Wurmloch im | |
Raum-Zeit-Kontinuum kollabieren. Fragen Sie einen Ökonomen Ihrer Wahl, er | |
wird mir zustimmen. | |
21 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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