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# taz.de -- Kolumne Habibitus: Ausblick aus dem Niemandsland
> Die Gender-Jihadist_innen haben die heteronormative Welt zum Schlachtfeld
> erkoren und lassen Diskursbomben platzen. Eine Innenperspektive.
Bild: Spaß und Abenteuer? Oder Dritter Weltkrieg? Über das Niemandsland gibt …
Jung, brutal, nicht-binär: Das umfasst einen großen Teil meiner Generation.
In den USA identifiziert sich eine knappe Mehrheit der 13- bis 20-jährigen
auf irgendeine Weise als queer, die Hälfte aller Millennials (*1980–2000)
betrachtet Gender als Spektrum, nicht als Zweiteilung. 2,5 Millionen
Deutsche identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der
Geburt zugewiesen wurde, so die Zeit-Vermächtnis-Studie. Es könnten noch
mehr sein, wüssten mehr Leute, dass der Gender-Exit eine Option ist, sage
ich.
Die Zeit-Magazin-Journalistin Julia Friedrichs muss von diesen Zahlen auch
Wind bekommen haben, immerhin las sie (nach eigenen Angaben) knapp 300
Seiten Text aus dem deutschsprachigen Gender-Debatten-Sumpf der letzten
drei Jahre und schrieb eine Titelstory, „[1][Der Kampf um das Geschlecht]“.
Wir wollen kein Stück vom Kuchen, auch nicht die Bäckerei, sondern die
gesamte Backwarenindustrie. Gender-Jihad quasi. I came to slay, bitch!
Es scheint ein Ding unter Zeit-Journalist_innen zu sein, Expertise durch
fragwürdige Quellen (300 Seiten Texte, [2][ein Jahr in Antideutschland],
ein Syrer) vorzutäuschen, aber heute begeben wir ins nicht nach
Bourgieland, sondern ins Niemandsland. Jenseits von Frau- und Mannsein.
Dort leben, nein, wandeln Menschen wie ich nämlich. Das mutet kolonial an
und klingt sehr düster, doch das ganze Feuer erhellt die Sicht.
Mit „Brutalität, mit Anfeindungen, Vernichtungsfeldzügen und Shit-Storms“
hangeln wir uns vorbei an der heteronormativen Welt in pink gestrichene
Szene-Bars gentrifizierter Nachbar_innenschaften. Irgendwie bizarr,
irgendwie freaky, findet Friedrichs. Und kompliziert, das mit diesen
abgefahrenen Pronomen und Kategorien fällt nämlich auch ihr schwer.
## Belastende Mitte
Aber das Staunen kommt auch von meiner Seite. Interessant, diese
heteronormative Welt, in der es schwerer ist, trans Personen mit Respekt zu
begegnen – sich etwa ihre Pronomen und Namen zu merken – als einen Auftrag
für eine extrem erwartbare Zeit-Magazin-Titelstory zu bekommen.
In einem Satz zusammengefasst: Der Genderwahn geht rum, reaktionäre Rechte
hassen ihn, Queerfeminist_innen sind von ihm besessen, haha, diese Freaks,
alles kompliziert irgendwie, ich betrachte das Phänomen mal aus der Mitte™
und habe 300 Seiten über diese Debatten gelesen, aber irgendwie verpasst,
dass es ein No-go ist, die alten Namen von trans Personen zu nennen, oder
dass der Begriff „Zwitter“ als Bezeichnung für Menschen outdated und
diskriminierend ist, na ja, ganz ehrlich, können wir nicht einfach beim
generischen Maskulinum bleiben, das bockt doch eh viel mehr und warum sind
diese Gendertrender_innen eigentlich so militant, wo bleibt der Dialog?
Hand aufs Herz, Julia, mir fällt es auch schwer, eure Namen
auseinanderzuhalten (Juliane? Jule? Juliett? Jutta? Julian?) oder wirklich
zu glauben, dass heterosexuelle Romantik wirklich so überwältigend ist, wie
Nicholas Sparks es behauptet, aber ein zwölfseitiger und trotzdem hohler
Text ist doch auch irgendwie extra. Um in deinen Worten zu bleiben: Hast du
nichts Besseres zu tun?
16 Jun 2017
## LINKS
[1] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/25/geschlechtsidentitaet-mann-frau-het…
[2] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/12/antideutsche-israel-linke-deutschla…
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
Transgender
Feminismus
Zeit Magazin
Bürgerliche Mitte
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Queer
Critical Whiteness
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Habibitus
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