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# taz.de -- Verheerende Umweltbilanz: Mund zu und rein
> Der größte Teil der Gewässer im Norden ist in einem schlechten Zustand.
> Auch das Trinkwasser ist bedroht. Warum, weiß die Bundesregierung nicht.
Bild: Ein Bad in norddeutschen Gewässern kann leicht ungesund sein
HAMBURG taz | Der überwiegende Teil der Gewässer in Norddeutschland ist in
keinem guten ökologischen Zustand. Kein einziger Fluss oder Bach im Norden
kann als „sehr gut“ bewertet werden, von 304 untersuchten Seen erreichen
nur zehn diese Kategorie – alle liegen in Mecklenburg-Vorpommern. Das geht
aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der grünen
Bundestagsfraktion hervor, die der taz.nord vorliegt. „Die Umweltbilanz im
Gewässerschutz ist verheerend“, kommentiert der niedersächsische
Abgeordnete Peter Meiwald, umweltpolitischer Sprecher der grünen
Bundestagsfraktion.
Nach der Auswertung der Bundesregierung sind somit im ganzen Norden nur 56
von 304 untersuchten Seen in einen guten oder sehr guten ökologischen
Zustand, 45 in einem schlechten.
Geradezu desaströs sieht es bei Bächen und Flüssen aus. Von 3.015 sind
lediglich 90 – gerade mal drei Prozent – in gutem oder sehr gutem Zustand,
aber 559 – knapp 19 Prozent – in schlechtem. Nach Ansicht von Meiwald ist
das die Schuld der großen Koalition, die habe den Gewässerschutz „seit
Jahren sträflich vernachlässigt“.
Die aber plädiert auf Unwissenheit, wenn sie nach den Ursachen für die
Gewässerbelastung gefragt wird: Klimawandel, Nährstoffbelastung, Einträge
von Feinsedimenten, Pflanzenschutzmittel, organische Schadstoffe und
anderes mehr spiele da eine Rolle, so die Antwort. Und weil sie auch noch
miteinander interagieren würden, sei „das Erkennen von Kausalbeziehungen“
schwierig: „Gegenwärtig ist keine eindeutige Differenzierung möglich.“
Die aber ist dringend nötig, denn alle Mitgliedstaaten der EU hätten
bereits bis 2015 einen guten ökologischen Zustand ihrer Gewässer erreichen
sollen, müssen dies aber spätestens bis 2027 nachweisen. Das fordert die
europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Grundwasser und
Oberflächengewässer sollen demnach frei von Schadstoffen und zu vielen
Nährstoffen sein.
Schon im April vorigen Jahres hatte die EU-Kommission beim Europäischen
Gerichtshof Klage gegen Deutschland eingereicht, weil hier die
EG-Nitratrichtlinie nicht umgesetzt werde und zu hohe Nährstoffeinträge in
die Gewässer gelängen. Dass „Belastungen durch Nitrat aus der
Landwirtschaft“ die Hauptursache für schlechte Wasserqualität seien, hatte
die Bundesregierung damals eingeräumt.
Meiwald fordert deshalb „endlich eine wirkliche Agrarwende, um die Umwelt
zu schützen und die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten“. Außerdem müsse
der Bund eine verschärfte Düngemittelgesetzgebung erlassen, „die auch dem
Gewässerschutz dient“. Das tut der Bund angeblich gerade mit der
Überarbeitung der Düngeverordnung. Deren wichtigstes Element, die
„Stoffstrombilanzverordnung“ soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag
verabschiedet werden. Damit werden Bauern verpflichtet, nachzuweisen, wie
viel Stickstoff in ihren Betrieb fließt und wie viel ihn wieder verlässt –
allerdings gibt es reichlich Ausnahmen. Umweltverbände kritisieren die
Novelle deshalb als zu lasch.
## Trinkwasser wird teurer
In der Konsequenz befürchten Umweltgruppen, die deutsche Wasserwirtschaft
und auch das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau steigende Kosten für
Trinkwasser. Wegen der intensiven Düngung der Felder seien nicht nur Seen
und Flüsse, sondern auch die Grundwasserleiter mit Nitraten hoch belastet.
Das Wasser müsse deshalb schon bald mit hohen Kosten aufbereitet werden.
Laut einer aktuellen Studie könne dies die Trinkwasserkosten um 55 bis 76
Cent pro Kubikmeter erhöhen. Das entspreche einer Preissteigerung von 32
bis 45 Prozent. Eine vierköpfige Familie müsste dann bis zu 134 Euro im
Jahr mehr bezahlen.
Allerdings beschreibt der ökologische Zustand nicht die Eignung eines
Gewässers zum Schwimmen. Laut UBA ist die Qualität der deutschen
Badegewässer hervorragend und zum baden vollkommen unbedenklich. Nur
schlucken sollte man das Wasser besser nicht.
19 Jun 2017
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Düngemittel
Trinkwasser
Landwirtschaft
Baden
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Wassermangel
Hungersnot
Hühner
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