# taz.de -- Fünf Jahre BER-Debakel in Berlin: Der Fluchhafen | |
> Seit fünf Jahren sollen die Berliner eigentlich vom BER aus abheben. Das | |
> Desaster auf der Flughafenbaustelle lähmt die Politik. Und Besserung ist | |
> nicht in Sicht. | |
Bild: Immerhin, der Namenszug ist noch da: Blick aufs BER-Terminal | |
Eigentlich sollten wir an diesem Samstag Sätze hören wie: „Fünf Jahre BER, | |
das ist eine Erfolgsgeschichte zum Abheben.“ Oder: „Kleine | |
Startschwierigkeiten waren schnell vergessen.“ Luftige Phrasen also, von | |
Politikern aus Berlin, Brandenburg und dem Bund aufgehoben für den 3. Juni | |
2017. Klaus Wowereit dächte derweil im Stillen darüber nach, ob der | |
Großflughafen künftig nicht mehr nach Willy Brandt, sondern besser nach ihm | |
benannt werden sollte – als Auszeichnung für den tollen Einsatz, den er als | |
Regierender Bürgermeister und Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft | |
für den BER geleistet hätte. | |
Aber an diesem Samstag feiert niemand den BER – weil es ihn nicht gibt. Mit | |
der Eröffnung von „Europas modernstem Flughafen“ am 3. Juni 2012 war | |
bereits bundesweit geworben worden. Anfang Mai hatte die | |
Flughafengesellschaft sie dann doch absagen müssen – wegen technischer | |
Probleme mit der Entrauchungsanlage. Bis heute folgten viele weitere | |
verkündete und wieder abgesagte Eröffnungstermine. Ganz sicher wird der | |
Flughafen deswegen nie Wowereit-Airport heißen – es sei denn, er wird nie | |
fertig. | |
Muss man inzwischen vom Schlimmsten ausgehen? Wahrscheinlich nicht. | |
Irgendwann wird das „Ding“, wie viele Verkehrspolitiker den BER nur noch | |
nennen, an den Start gehen, vielleicht sogar funktionieren. Aber wohl nicht | |
mehr 2018, wie man derzeit bei der Flughafengesellschaft noch hofft. | |
„Vielleicht“, „irgendwann“, „wahrscheinlich“ – wenn man aus der P… | |
eines lernt, dann dies, dass man in Sachen BER nichts ausschließen kann, | |
sollte, darf. Im August 2012, gut ein Jahr nach dem Platzen des ersten | |
Eröffnungstermins, sagte Harald Wolf, verkehrspolitischer Sprecher der | |
Linksfraktion, im Gespräch mit der taz: „Das Desaster ist doch schon groß | |
genug, da muss man nicht auch noch übertreiben.“ Die Frage an Wolf lautete, | |
ob er denn letztlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag rechne. | |
Inzwischen liegt der vorgesehene Kostenrahmen nicht mehr bei knapp 3 | |
Milliarden wie noch 2012, sondern bei 6,5 Milliarden Euro. Kein einziger | |
Politiker der drei Eigentümer Berlin, Brandenburg und Bund ist wegen der | |
beispiellosen Pannenserie bislang zurückgetreten. | |
Die Frage nach der Dimension des Desasters stellt sich dringender denn je. | |
Beantworten kann sie niemand. Und so absurd es klingt: Diese Unklarheit | |
macht das BER-Drama zum einen leichter erträglich, letztlich aber nur | |
schlimmer. Es ist wie mit einer schweren Krankheit, von der man weiß, dass | |
sie irgendwann ausbricht, es aber nicht wahrhaben will. | |
Zu dieser Unklarheit trägt bei, dass der Flughafen an der Peripherie | |
entstehen soll, wo kaum jemand etwas von dem stockenden Fortschritt | |
mitkriegt – und man sich deswegen nicht so häufig fragt, warum es nicht | |
vorangeht und das auch noch für so viel Geld. Als die S-Bahn vor zehn Jahre | |
kollabierte, war der Unmut in der Stadt deutlich größer, weil er für die | |
meisten sichtbar und fühlbar war. Das BER-Debakel ertragen die Berliner | |
leise murrend, aber nicht meuternd; sie drängen es gedanklich an den Rand. | |
Und doch lähmen die fortlaufenden Possen und Pannen die Landespolitik. Zum | |
einen faktisch: So steht die Nutzung des Flughafengeländes nach der | |
Schließung von Tegel, ein Renommierprojekt von Rot-Rot-Grün, in den | |
Sternen. Wegen des vor allem von der FDP unterstützten Volksentscheids Ende | |
September über einen Weiterbetrieb auch nach einer BER-Eröffnung muss der | |
Senat aufs Neue begründen, dass Tegel geschlossen werden muss – eine | |
Entscheidung, die Rot-Rot-Grün eigentlich als längst akzeptiert oder | |
zumindest toleriert abgehakt hatte. | |
Zum anderen steht die Politik insgesamt unter moralischem Druck. Seit | |
Rot-Rot-Grün an der Macht ist, gibt es keine ernst zu nehmende Opposition | |
mehr, die die großen und kleinen Skandale – wie zuletzt die Vergabe eines | |
Beratervertrags mit einem Tagessatz von 2.000 Euro an einen SPD-Genossen – | |
nachvollziehbar kritisiert. Politiker so gut wie aller Parteien sind in die | |
Pleite verstrickt, ob sie es wollen oder nicht. | |
## Es geht um Glaubwürdigkeit | |
In der Causa BER geht es um Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Sicherheit im | |
Umgang mit Steuergeld, um all die Eigenschaften, die Politiker haben | |
sollten – und die man nach diesen fünf Jahren Blindflug nur noch schwer in | |
Verbindung bringt. Sie scheinen selbst schon aufgegeben und sich | |
eingestanden zu haben, dass der Bau eines Flughafens nach großkotziger | |
Berliner Art – größer, schöner, technisch ausgereifter – für alle ein p… | |
Nummern zu groß ist. Kostensteigerungen, Zeitverzögerungen, | |
Korruptionsfälle nehmen sie mit einer erstaunlichen Laisser-faire-Haltung | |
hin. | |
Irgendwann wird man die finanziellen Folgen schmerzlich spüren und fragen, | |
ob man das Geld nicht hätte sinnvoller ausgeben können als für einen | |
vermeintlichen Vorzeigeflughafen, von dem noch dazu unklar ist, ob er sich | |
jetzt noch rentabel betreiben lässt. Und eine ganze Generation | |
Landespolitiker wird stets mit dem Hohn und Spott leben müssen, dass es ihr | |
nicht einmal gelungen ist, einen Flughafen zu bauen. | |
Dieser Text ist Teil des Wochenendschwerpunkts in der taz.berlin, der am | |
Samstag erscheint. Darin außerdem: Wieviel der BER täglich kostet und was | |
mit den Milliarden alles möglich wäre. In Ihrem Briefkasten und am Kiosk. | |
2 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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