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# taz.de -- Tegel-Debatte im Landesparlament: Showdown im Anflug
> Heftige Debatte im Abgeordnetenhaus in Sachen Flughafen Tegel. Die CDU
> zeigt sich beim Volksentscheid noch arg tendenziös unentschieden.
Bild: Der Flughafen Tegel sorgte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus für eine he…
Der Showdown für den Volksentscheid zum Flughafen Tegel hat begonnen. 94
Tage vor der berlinweiten Abstimmung darüber, ob dort auch nach einer
BER-Eröffnung Flugzeuge starten und landen sollen, gab es im
Abgeordnetenhaus am Donnerstag die bislang heftigste Debatte dazu – mit
einem Warnruf von Grünen-Senatorin Ramona Pop: Berlin stünde bei einem
Erfolg des Volksentscheids zum Schluss „gänzlich ohne Flughafen da“. Am
Mittwoch hatte schon die Geschäftsführung von Air Berlin gewarnt: „Wenn
Tegel offen bleibt, kann man aus dem BER ein Museum machen.“ Im Mittelpunkt
der Debatte: der Schwenk der CDU, die als Regierungspartei noch allein auf
den Flughafen BER setzte.
Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek will gleich an mehreren Stellen im
CDU-Wahlprogramm von 2016 von der Tegel-Schließung gelesen haben. Und ihre
Parteifreundin Pop erinnert CDU-Generalsekretär Stefan Evers, dass der vor
gar nicht langer Zeit noch sagte, weder der Senat noch ein Volksentscheid
könnten eine Offenhaltung von Tegel erzwingen. „Völliger Blödsinn“, habe…
damals darüber geurteilt. Aus Koalitionssicht will die CDU bloß aus
taktischen Gründen auf das von der FDP angeschobene und von der AfD
unterstützte Volksbegehren aufspringen.
Evers redet auch an diesem Donnerstag, und da ist viel von neuen
Sachverhalten und veränderten Rahmenbedingungen zu hören: viel mehr
Fluggäste als erwartet, kein Drehkreuz mehr. Und darum hat er auch gar kein
Problem mit einer neuen Haltung. Damit ist er ja durchaus in einer Linie
mit einer langjährigen Größe seiner Partei: mit Altkanzler Konrad Adenauer
und seinem Satz „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“.
Der CDU-Generalsekretär selbst zitierte hingegen Adenauers Zeitgenossen von
der SPD, Kurt Schumacher: Politik beginne mit der Betrachtung der
Wirklichkeit. Was Evers natürlich verinnerlicht haben will, was er bei der
rot-rot-grünen Koalition hingegen nicht erkennen mag. Der wirft er vor,
leidenschaftlich gegen direkte Demokratie und Basisbeteiligung zu
plädieren.
Das ist etwas sehr zugespitzt, aber aus der Rede von Grünen-Fraktionschefin
Kapek ist schon die Angst herauszuhören, dass all ihre Argumente für eine
Tegel-Schließung – Fluglärm weg, Platz für Tausende neue Wohnungen, 20.000
neue Arbeitsplätze – beim Volksentscheid am 24. September nicht reichen
könnten. Sonst müsste sie nicht die FDP und ihren Fraktionschef Sebastian
Czaja so heftig attackieren: „Sie gaukeln den Leuten eine
Entscheidungsmacht vor, die sie gar nicht haben.“
Denn Berlin könne ja nur zusammen mit der Brandenburger Landesregierung und
der Bundesregierung etwas am bisherigen, schon 1996 vereinbarten
Schließungsplan ändern – was die aber nicht wollen. Evers sieht das anders:
„Wo ein Wille ist, da ist auch ein demokratischer Weg.“
Kapek hält es auch für unlauter, dass Evers während der laufenden
CDU-Mitgliederbefragung über das Tegel-Thema tags zuvor ein Gutachten
vorstellte, das seine Haltung stützte – und von der Fluglinie Ryanair
bezahlt wurde. Ähnliche Gutachten hatten bereits die wissenschaftlichen
Dienste von Abgeordnetenhaus und Bundestag vorgelegt. Die Frage ist bloß:
Was hätten die CDU-Mitglieder Evers erzählt, wenn er die neuen Infos
zurückgehalten hätte?
Eigentlicher Anlass für die Debatte ist eine Stellungnahme des
Abgeordnetenhauses zu dem Volksbegehren, wie sie die Landeswahlleitung
vorschreibt. SPD, Linkspartei und Grüne lehnen dabei die Offenhaltung ab,
FDP und AfD befürworten sie. Die CDU gibt sich als Fraktion, offenbar mit
Rücksicht auf die erst am 30. Juni endende Mitgliederbefragung, neutral und
enthält sich – was komisch wirkt nach Evers’ heftigem Plädoyer.
Der unterstellt der Koalition noch, was an diesem Vormittag gar nicht von
ihr zu hören ist: „Ihre Ankündigung, das Ergebnis des Volksentscheids zu
ignorieren, ist ein GAU für die demokratische Kultur“, sagt Evers. So hat
sich zwar tatsächlich mal ein SPD-Regierungschef geäußert – aber das war
Klaus Wowereit vor der neun Jahre zurückliegenden Abstimmung über den
Flughafen Tempelhof. Die heutigen Koalitionsredner hingegen vermeiden das.
Von „ernst nehmen“ ist die Rede, und Linksfraktionschef Udo Wolf
verspricht: „Kein Senat kann einen Volksentscheid einfach ignorieren.“
22 Jun 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Volksentscheid Tegel
R2G Berlin
Volksentscheid Tegel
Fluglärm
Volksentscheid Tegel
Michael Müller
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Volksentscheid Tegel
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