# taz.de -- Tegel und Tourismus: „Hey, Leute, denkt mal nach“ | |
> Berlins Chefwerber Burkhard Kieker von VisitBerlin nutzt seine | |
> Bilanzpressekonferenz, um vor zuviel Bauch und zu wenig Kopf in der | |
> Flughafen-Debatte zu warnen. | |
Bild: Berlins Chefwerber Kieker von VisitBerlin warnt davor, den Flughafen Tege… | |
Burkhard Kieker schien eigentlich nur drauf gewartet zu haben. Gut eine | |
Viertelstunde hatte er am Donnerstag pflichtgemäß Zahlen von | |
Übernachtungen, Gästen und Umsätzen vorgetragen, alle gestiegen gegenüber | |
2014 (siehe Kasten). Wie man das als Chefwerber einer Stadt bei einer | |
Bilanzpressekonferenz halt so macht. Nun aber kam die Kür, wie Kieker es | |
selbst nannte, offiziell Geschäftsführer der VisitBerlin GmbH, an der das | |
Land mit 15 Prozent beteiligt ist – Haupteigner ist das Hotelgewerbe mit 40 | |
Prozent. Minutenlang wetterte Kieker, früher selbst Flughafenmanager, gegen | |
die Tegel-offen-halten-Initiative, gegen zu wenig Nachdenken bei ihren | |
Unterstützern – und vor allem gegen Bundesverkehrsminister Alexander | |
Dobrindt. Es sei doch klar, warum der CSU-Mann Tegel offen halten wolle: | |
Der wolle nur den Flughafen München mit seinem Drehkreuz schützen. | |
Sechs Tage vor einer Sondersitzung des Flughafen-Aufsichtsrats, in der es | |
um Dobrindts Haltung gehen soll, sah Kieker schwarz für den Fall, dass | |
Tegel auch nach BER-Eröffnung nicht schließt, wie es seit Jahren zwischen | |
den Eigentümern Berlin, Brandenburg und dem Bund vereinbart ist. Anders als | |
Koalitionspolitiker vor den Ferien im Abgeordnetenhaus argumentierte er | |
nicht mit der Nachnutzung von Tegel für Wohnen und Jobs, sondern mit Folgen | |
für den Tourismus und Kongresse (auf die jede vierte Übernachtung | |
entfällt). „Es ist ein Spiel mit der Zukunft unserer Stadt“, sagte er und | |
begründete das damit, dass München erst mit seinem Großflughafen vor der | |
Stadt vom gemütlichen Großdorf zur Metropole geworden sei. | |
Nun kann man ja die Auffassung haben, ein bisschen Gemütlichkeit sei gar | |
nicht schlecht. Und vielfach sind die Klagen aus Mitte und | |
Friedrichshain-Kreuzberg über lärmende Besucher. „Es gibt das Stichwort | |
„overtourism“, räumte Kieker ein, „und das nehmen wir sehr ernst“. Ein | |
Tourismuskonzept aus der Verwaltung von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop | |
(Grüne) soll auf dem Weg sein und nächstes Frühjahr vorgestellt werden. | |
Pop, die kurzfristig absagen musste, versprach in einer Presseerklärung, | |
man werde „für Akzeptanz und Stadtverträglichkeit weiterarbeiten“. Laut | |
Kieker ist nur jeder siebte Berlin-Besucher ein nach einer Billiglinie | |
benannter und für ein Partywochenende einfliegender „Easyjetter“. | |
Nichtsdestotrotz ließ der VisitBerlin-Chef keinen Zweifel daran, dass die | |
Zahl der vergangenes Jahr 31 Millionen Übernachtungen in Hotelbetten und | |
geschätzt 33 Millionen auf privaten Schlafsofas steigen soll. Und das geht | |
aus seiner Sicht eben nur mit einem BER mit Drehkreuzfunktion für | |
Langstreckenflieger, die durch Parallelbetrieb in Tegel torpediert würde. | |
„Die Berliner Flughäfen sind für die Stadt ein Wachstumshindernis in | |
touristischer und ökologischer Hinsicht“, sagte er. Nach seiner | |
Einschätzung würden viel mehr Besucher aus anderen Kontinenten kommen, vor | |
allem aus China, wenn es nicht so wenig Direktflüge gäbe, woran wieder mal | |
Dobrindt mitschuld sein soll. | |
In der Diskussion über die Flughäfen „ist mir viel zu viel Bauch und viel | |
zu wenig Kopf“, kritisierte Kieker. Ja, der BER eigne sich, um darauf | |
rumzukloppen – aber bei ebendieser Kritik und dem für viele daraus | |
resultierenden Ruf nach Tegel „ist uns ein bisschen der Luftfahrtverstand | |
abhandengekommen“. Kieker selbst war in leitender Stellung für die | |
Flughafengesellschaft tätig, bis er 2008 Berlins Chefwerber wurde. „Hey, | |
Leute, denkt mal nach“, ist abschließend seine Botschaft an jene, die beim | |
Tegel-Volksentscheid am 24. September mit Ja stimmen wollen. | |
Man könne ja derzeit halbe Vormittage damit verbringen, immer hanebüchenere | |
Dinge dazu zu lesen, hatte er seine Wutreden-Kür eingeleitet. Es lag nahe, | |
darin auch ein Seitenhieb Richtung Sebastian Czaja zu sehen. Der | |
FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, so war nämlich am Morgen aus der | |
Berliner Zeitung zu erfahren, droht mit einem Volksbegehren zu Neuwahlen, | |
sollte der rot-rot-grüne Senat einen Sieg der Tegel-Freunde beim | |
Volksentscheid ignorieren. Regierungschef Michael Müller (SPD) hatte | |
angekündigt, aus rechtlichen Gründen an den Schließungsplänen für Tegel | |
festzuhalten. | |
10 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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