# taz.de -- Der Berliner Wochenkommentar I: Disneyländer mitten in Berlin | |
> Die Zahl der TouristInnen ist auch im vergangenen Jahr wieder gestiegen. | |
> Schön für die Stadt – aber nicht nur. Der Boom hat auch Schattenseiten. | |
Bild: Berlin, Berlin: Die Mauer ist ein Anziehungspunkt für viele TouristInnen… | |
Mehr, mehr, mehr: mehr TouristInnen, mehr Übernachtungen, mehr Flüge nach | |
Berlin. Das möchte jedenfalls Burkhard Kieker, Geschäftsführer von | |
VisitBerlin und oberster Touristenwerber der Stadt. Die Zahlen sind auch im | |
vergangenen Jahr wieder gestiegen, verkündete das Unternehmen auf einer | |
Bilanzpressekonferenz am Donnerstag: 31 Millionen Übernachtungen in Hotels | |
und geschätzt 33 Millionen auf privaten Schlafsofas gab es in Berlin 2016, | |
ein Plus von 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. | |
Rund 44 Prozent der Besucher kommen aktuellen Zahlen zufolge aus dem | |
Ausland – auch das ein wachsender Anteil. Deshalb ist Kieker für die | |
Fertigstellung des Schönefelder Flughafens BER mit „Drehkreuzfunktion für | |
Langstreckenflieger“ – nur so können noch mehr Touristen aus noch mehr | |
Ländern in die deutsche Hauptstadt kommen. | |
Die Klagen über die wachsende Zahl von Touristen sind bekannt und sollen | |
hier nicht wiederholt werden. Und ganz ehrlich: Sind wir BerlinerInnen bei | |
allem Ärger über Rollkoffer und unerfahrene Radfahrer nicht auch ein | |
bisschen stolz über den Hype über diese unsere coolste Stadt der Welt? | |
Und der bringt ja auch vielen Einheimischen Vorteile: Es entstehen | |
Arbeitsplätze, etwa im Hotelgewerbe, in der Gastronomie, in der | |
Reinigungsbranche, im Transportwesen. Viele davon allerdings im | |
alleruntersten Einkommensbereich. | |
## Die Löhne anpassen | |
Und da liegt der Hase im Pfeffer: Statt uns BerlinerInnen vor ratternden | |
Rollkoffern zu beschützen, sollte die Politik lieber im Auge haben, dass in | |
einer sich zur internationalen Metropole entwickelnden Stadt auch die Löhne | |
den damit verbundenen Standards angepasst werden müssen. Schon jetzt können | |
sich die Kellnerinnen, die den Touristen Kaffee servieren, die | |
Gebäudereiniger, die deren Hotelfenster putzen, sich das Wohnen in der | |
Superdestination Berlin kaum noch leisten. | |
Sie fürchte, dass das wieder aufgebaute Schloss im Herzen Berlins durch das | |
Restaurant, das auf dessen Dach eröffnet werden soll, „ins Disneyhafte | |
kippt“, sagte ebenfalls am Donnerstag Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. | |
Zu spät gemerkt: An vielen Orten in der Stadt ist das längst passiert. | |
Eingeborene sind dort nur noch Personal oder StatistInnen, die nach getaner | |
Arbeit in ihre Wohnungen außerhalb der Hotspots zurückkehren. Das Wohnen | |
dort findet – etwa um den Potsdamer Platz – nur noch für Superreiche oder | |
eben in Hotels statt. Disneyländer entstehen so längst. Mitten in Berlin. | |
12 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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