# taz.de -- Verbot von Pferdekutschen in Berlin: Alles im Schritttempo | |
> Pferdekutschen raus aus der Innenstadt: So wollen es eine Petition und | |
> der Senat. Wann das Verbot kommt, ist dennoch unklar. | |
Bild: Tierschützern schon immer ein Graus: Pferdekutschen in Berlins Innenstadt | |
„In der Berliner Innenstadt sollen keine Pferdekutschen mehr fahren | |
dürfen.“ So steht es klar und deutlich im Kapitel Tierschutz des im | |
Dezember 2016 besiegelten rot-rot-grünen Koalitionsvertrags, einer Art | |
Handlungsanleitung des Senats. Dieser Meinung sind auch gut 82.000 | |
Unterzeichner einer Onlinepetition auf change.org, die seit April | |
vergangenen Jahres läuft. Am heutigen Dienstagmorgen will Dirk Behrendt, | |
Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, die | |
Unterschriften offiziell entgegennehmen. Ist das das Ende des | |
Pferdegeklappers in Mitte? | |
Zumindest soll es der Anfang vom Ende sein, fordert Julia Maier. Die | |
30-Jährige hat als Einzelperson die Petition gestartet, einige Monate | |
später schloss sie sich mit dem Verein Bund gegen Missbrauch der Tiere | |
zusammen. „Ich erwarte, dass Herr Behrendt am Dienstag klar Stellung | |
bezieht und einen Zeitraum nennt, wann das Verbot der Pferdekutschen | |
kommt“, sagte sie am Montag der taz. | |
Das Verbot sei überfällig, betont Maier. Denn die Pferde würden häufig | |
schlecht behandelt: In der Petition schreibt die Tierrechtsaktivistin von | |
einer „unsagbaren, stillen Qual, die diese Tiere für Berlins Touristen | |
erleiden müssen“. Die Leitlinien, die eigentlich für die Pferde gelten, | |
würde nicht eingehalten: So dürften diese nicht länger als neun Stunden am | |
Stück arbeiten. „Ich selbst habe aber schon oft beobachtet, dass die Tiere | |
die Kutschen morgens gegen halb zehn in die Stadt ziehen und erst nach zehn | |
Uhr abends wieder zurückkommen“, berichtet Julia Maier. | |
Auch fehle es im Haupteinsatzgebiet rund um das Brandenburger Tor an | |
Plätzen, wo die Pferde ihre vorgeschriebenen Pausen artgerecht „auf | |
naturbelassenem Boden“ verbringen könnten. Die Folge: Viele Tiere seien | |
„apathisch“ und hätten einen „stumpfen Blick. Sie ziehen die Ohren zurü… | |
kräuseln die Nüstern, senken die Köpfe und kneifen die Augen zusammen. | |
Manche haben wunde Fesseln; manche vom Durchfall verätzte Schweife“, | |
schreibt Maier in der Petition. Sie habe in jungen Jahren auf einem | |
Gnadenhof gearbeitet und dort auch ausrangierte Kutschpferde betreut: Daher | |
könne sie den Zustand der Tiere einschätzen. | |
## Nichts Historisches | |
Wie viele Pferde vor allem Touristen in gemächlichem Tempo durch Berlin | |
schaukeln, ist unklar. Laut Senatsangaben aus dem vergangenen Sommer gibt | |
es zehn Pferdefuhrbetriebe mit 23 Kutschen in Berlin. Wie viele Tiere in | |
der Innenstadt ihren Dienst verrichten müssen, ist jedoch unbekannt. | |
Schätzungen von Tierschützern gehen von über einem Dutzend aus. Die | |
Kutschen sind dabei kein historisches Phänomen, sondern erst vor ein paar | |
Jahren im Zuge des Touristenbooms im Nachwendeberlin aufgekommen. | |
Schon Anfang Mai 2016 sollten die Unterschriften – damals waren es bereits | |
70.000 – an den Senat, der noch aus SPD und CDU bestand, übergeben werden. | |
Dabei zeigte sich bereits eines der Hauptprobleme eines Verbots: Welche | |
Senatsverwaltung ist eigentlich dabei in der Verantwortung? | |
Der damalige Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) jedenfalls verweigerte | |
die Annahme: Er sei nicht für den Tierschutz zuständig. Über die | |
Straßenverkehrsordnung lasse sich das angestrebte Kutschenverbot nicht | |
erzwingen, erläuterte damals sein Sprecher Martin Pallgen. | |
Verbraucherschutzsenator Behrendt sei da offener, berichtet Julia Maier, | |
schließlich sei ein Verbot auch offiziell Politik der Koalition. | |
Trotzdem wird es noch eine Weile dauern, bis es so weit ist. Derzeit prüfe | |
Behrendts Verwaltung, wie ein Verbot umgesetzt werden könnte, sagte sein | |
Büroleiter Alexander Klose am Montag der taz. „Das ist keine triviale | |
Angelegenheit: Bundesrecht – etwa beim Tierschutz –, Landesrecht und die | |
Anliegen der Bezirke kommen hier zusammen. Klose betont: Die Prüfung sei | |
noch nicht abgeschlossen. Sprich: Es ist noch unklar, wie das Verbot | |
aussehen könnte. | |
Derweil will der Senat dafür werben, dass es nette Alternativen zu den | |
Kutschen gibt – „ohne dass Tiere leiden müssen“, so Klose. Ein Beispiel | |
seien die Fahrradrikschas, ein anderes Elektrokutschen. Ein Exemplar davon | |
soll ebenfalls am heutigen Dienstag vorgestellt werden. Das sehe aus wie | |
ein Auto der ersten Stunde, nur ohne Verbrennungsmotor. | |
24 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
## TAGS | |
Verbot | |
Berliner Senat | |
Verkehr | |
Tierrechte | |
Touristen | |
Österreich | |
Pferde | |
Tierschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Touristenkutschen fahren wieder: Kapitulation vor den Kutschen | |
Für Berlins Pferdekutscher beginnt jetzt die Hauptsaison. Der Bezirk Mitte | |
will die Durchsetzung eines Verbots der Fuhrwerke nicht weiterverfolgen. | |
Der Berliner Wochenkommentar I: Disneyländer mitten in Berlin | |
Die Zahl der TouristInnen ist auch im vergangenen Jahr wieder gestiegen. | |
Schön für die Stadt – aber nicht nur. Der Boom hat auch Schattenseiten. | |
Welpenschutz in Österreich: Kein Tier ist illegal? Das war einmal | |
Ein neues Gesetz verbietet „öffentliches Feilbieten“ von Tieren. Es soll | |
Welpenhandel unterbinden. Tierschutz-Verbände sind dennoch empört. | |
Kommentar zu Tieren in Berlin: Elektrokarre anstatt Pferdekutsche | |
Quälerei! – schreien viele und fordern Pferdekutschen zu verbieten. Was | |
außer Tierschutz noch gegen Tiere in der Stadt spricht, und was | |
Elektromobilität damit zu tun hat. | |
Pferde in der Stadt: Sind Kutschen noch zeitgemäß? | |
Eine Petition fordert ein Droschkenverbot im Zentrum. Knapp 70.000 Menschen | |
haben unterschrieben. Der Senat sieht für ein Verbot keine Rechtsgrundlage. |